Er hat schon mal bessere Tage gesehen, der Brenner. Arbeitslos ist er, völlig blank und dazu quält ihn auch noch dieser stechende Kopfschmerz. Also erst einmal ab in die selbstgewählte Isolation, ins Haus seiner Eltern nach Graz, wo der einzige „Gefährte“ eine Katze ist, mit der sich Brenner das Dosenfleisch teilt. Doch die Einsamkeit währt nicht lange. Alte Freunde schauen uneingeladen vorbei, alte Rechnungen wollen beglichen werden und alte Geheimnisse werden wieder aufgerollt. Und spätestens als Brenner dann noch mit einem Kopfschuss in der Klinik aufwacht, ist klar: Seine Ruhe kann er sich abschminken. Nach bereits drei erfolgreichen Adaptionen der Brenner-Romane von Wolf Haas bringt Regisseur Wolfgang Murnberger nun die vierte Verfilmung um den dauergranteligen Ermittler auf die Leinwand. Erneut schlüpft Josef Hader in die Rolle des Brenners und beweist sein enormes Können. Brottrocken sind seine Kommentare auf die Handlungen und Denkmuster der anderen Charaktere, betont lakonisch seine Haltung, seine Mimik wie leer. So gelingt es ihm glänzend, die gesamte Trostlosigkeit der abgehalfterten Existenz Brenners in seinem Spiel einzufangen. Doch auch die anderen Figuren sind fantastisch besetzt, vor allem Tobias Moretti, dessen Figur Aschenbrenner den perfekten Gegenpart für Brenner darstellt. Das macht die Konfrontationen und Dialogscharmützel der beiden zu einem der absoluten Highlights des Films. Für das Drehbuch zeichnen erneut Murnberger, Haas und Hader gemeinsam verantwortlich. Dabei merkt man dem Film an, wie organisch das kreative Team zusammengewachsen ist. Wie aus einem Guss wirken die skurrilen Szenen, in denen sich pechschwarzer Humor mit überdrehter Situationskomik spielerisch leicht mischt. Dabei geht auch die Spannung der Geschichte nicht verloren, denn in komplexer Dramaturgie und ganz im Sinne des Thriller-Genres werden Vergangenheit und Gegenwart gemischt, sodass man bis zum Schluss nicht sicher ist, wie jetzt tatsächlich die Antworten auf die wichtigen Fragen lauten. Am Ende hat Brenner die Ordnung wieder einigermaßen hergestellt. Und er hat seine Ruhe. Aber bestimmt nicht auf ewig. Ein herrlich böser und kauzig unterhaltsamer Spaß und eine kongeniale Fortsetzung der Brenner-Reihe - auf den Punkt geschrieben, inszeniert und gespielt.
Jurybegründung:
„Jetzt ist schon wieder was passiert…“. Man kann sich darauf verlassen, dass der mehr als seltsame Erzähler seine Geschichte vom Brenner mit diesem Satz beginnt, und man kann sich zum Glück auch darauf verlassen, dass Wolfgang Murnberger, Josef Hader und Wolf Haas schon wieder einen von dessen Thrillern kongenial adaptiert haben. Nach 14 Jahren und drei Filmen sind sie perfekt aufeinander eingespielt. Inzwischen erarbeiten sie gemeinsam das Drehbuch und kreieren ihren Brenner-Kosmos so erfindungsreich, komplex und boshaft, dass der Film sowohl als Thriller, Komödie wie auch als Drama funktioniert. Erwartungen werden da souverän sowohl enttäuscht wie auch befriedigt. Das beginnt schon bei dem irritierenden pseudo-dokumentarischen Anfang im Arbeitsamt mit einer Abfolge von verlebten und resignativen Gesichtern, in die Brenner sich ohne viel Aufhebens einreiht. Sein Leben als „gesellschaftliches U-Boot“ wird von der Sachbearbeiterin lakonisch auf den Punkt gebracht, die einzige Hoffnung ist noch das geerbte Haus im Heimatort, obwohl der Brenner dorthin nicht zurück wollte. Schnell ist er in eine verfahrene Geschichte mit zwei seiner Jugendfreunde verwickelt, und in dieser werden die Genrekonventionen wie immer bei Wolf Haas brillant gegen den Strich gebürstet. Agatha Christie hat einen Roman geschrieben, in dem der Erzähler der Mörder ist, aber dass der Detektiv nicht weiß, dass er sich selber in den Kopf geschossen hat und er deshalb vergebens seinen eigenen Mörder sucht, ist noch schräger. Eine erstaunlich rasante Verfolgungsjagd wie aus einem Actionfilm findet zwischen einem Automobil und mit einem alten Puch-Moped statt und endet unentschieden mit Brenners Ausspruch „I mog nimmer“. Und in einer Sequenz auf dem Friedhof versteckt Murnberger ein Zitat aus DER DRITTE MANN. Weil die Reihe über die Jahre so erfolgreich geworden ist, kann sich Murnberger bei den besten Schauspielern der Republik bedienen, und so gibt Tobias Moretti einen grandiosen Aschenbrenner, der es als einziger von den Schulfreunden zu etwas gebracht hat, aber als Polizeichef von Graz eben nicht der stereotypische kaltherzige Karrierist geworden ist, sondern als Mörder aus Liebe zum tragischen Helden der Geschichte wird. Den absurd unwahrscheinlichen Zufall vermeidet Haas nicht, sondern er baut auf ihn wie in der Szene, in der auf dem Polizei-Computer ein Phantombild erstellt werden soll, der Zeuge aber auf dem Bildschirmschoner die Freundin von Aschenbrenner als die Täterin erkennt. Brenner erträgt im Grunde mehr als dass er handelt, aber Josef Hader spielt dies mit solch einer stoischen Abgeklärtheit, dass er selbst bei einer Polizeikontrolle ohne Helm auf dem Moped unbesiegbar und natürlich sehr komisch wirkt.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)