Mit Jugendbüchern ist das so eine Sache, immer wieder gern als Vorlage für Hollywood Adaptionen genutzt, geht dieses Unterfangen mal mehr, mal weniger erfolgreich aus. Die Paradebeispiele "Harry Potter" von Joanne K. Rowling und Stephenie Meyers "Twilight" haben vorgemacht, wie das Ganze idealer Weise vonstatten gehen soll. Nachdem die "Harry Potter"-Filmreihe sich letztes Jahr mit "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2" verabschiedet hat und auch die "Twilight"-Saga ihrem finalen Teil entgegen steuert, ist nun genügend Platz für ein neues Imperium: "Die Tribute von Panem".
Gary Ross´ ("Pleasantville", "Seabiscuit") Verfilmung, die auf den erfolgreichen Romanen von Suzanne Collins basiert, brach in den USA schon vor Kinostart alle Vorverkaufsrekorde und wird bereits als würdiger Nachfolger der "Twilight"-Saga gehandelt. Und das zu Recht. Der Film überzeugt nicht nur durch seine beklemmende Atmosphäre und die emotionale Tiefe, sondern wird der Vorlage darüber hinaus auch noch gerecht.
Alles beginnt mit Gary Ross Vision von Panem, dem Land, das aus der Asche Nordamerikas entstanden und in dem Freiheit ein Fremdwort ist. Distrikt 12, in dem Katniss zu Hause ist, gibt sich trist und grau, frei von jeglicher Farbe. Lediglich abseits des Stacheldrahtzauns, in den Wäldern, in denen Katniss auf Jagd geht, gibt es einen Hauch von Freiheit. Ihre Welt ist geprägt von Angst und Unterdrückung, von Regeln, die gegen jegliche Art von freier Meinung sind. Die 12 Distrikte gleichen eher Arbeitslagern als Städten und die Augen des Kapitols sind überall. Während die Bewohner der Distrikte in erschreckender Armut leben, strotzt das Kapital nur so vor Reichtum und Prasserei. Hier regieren Überdruss und Entertainment-Sucht und die alljährlichen Hunger Spiele sollen das verwöhnte Volk bei Laune halten. Fernab von der utopisch-heilen Welt, mit der Ross sich in "Pleasantville" auseinandersetze, flickern hier Bilder über die Leinwand, die eine apokalyptische Zukunft erahnen lassen. Der Regisseur lässt sich Zeit dabei, dem Zuschauer diese Welt nahe zu bringen und so beginnt der Film mit einer erdrückenden Atmosphäre, an der sich im Laufe der nächsten zwei Stunden auch nicht viel ändern wird.
"Die Tribute von Panem - The Hunger Games" ist ein Science-Fiction-Film, der viele schon dagewesene Elemente wiederspiegelt, von den Zukunftsvisionen George Orwells bis hin zu Stephen King, es aber dennoch schafft, ein eigenständiges Werk zu sein. Parallelen zur heutigen Welt und der Faszination mit Reality TV-Shows sind erkennbar und erwünscht, die Autorin äußert sich zu solchen Themen gerne sozialkritisch. Allem voran ist "Die Tribute von Panem" aber ein Werk, das sich nicht nur der Vision einer dystopischen Zukunft widmet, sondern sich auch explizit damit auseinandersetzt, was diese Welt mit den Menschen macht.
Was das Buch und den Film über weite Strecken trägt ist die außerordentlich starke Hauptfigur: Katniss Everdeen. Hier kann sich Bella Swan warm anziehen, denn neben Katniss sieht die stets hilfsbedürftige "Twilight"-Heldin ganz schön alt aus. Katniss ist unabhängig und selbständig, stark, selbstlos und loyal. Die Feministenfront wirds freuen, wurde Bella doch lautstark als schlechtes Vorbild für junge Mädchen beklagt. Jennifer Lawrence, die für ihre nicht ganz unähnliche Rolle in "Winter`s Bone" (2010) eine Oscar-Nominierung erhielt, meistert den Spagat zwischen Härte und Verletzbarkeit perfekt. Katniss kann zwar jagen und ihre Familie ernähren, in einer Arena voller Menschen Gleichaltrige zu töten ist dann aber noch mal etwas ganz anderes. Da kommt es schonmal vor, dass zwei Teenies sich mit großen Augen gegenüberstehen und dann in entgegengesetzte Richtungen verschwinden, weil sie sich nicht dazu durchringen können, einander umzubringen. Ganz anders die Karrieros, jene Tribute, die in ihren Distrikten förmlich auf die Hunger Spiele gedrillt und zum Töten abgerichtet wurden. Wer allerdings das große Blutbad erwartet, dem sei gesagt, dass die Kamera nie länger draufhält als unbedingt nötig. Anstelle von Blut und Gemetzel stehen wacklige Handkameraaufnahmen, die die Geschehnisse erschreckend realistisch wirken lassen. Auf zuviel explizite Gewalt wurde wohl nicht zuletzt der Jugendfreigabe zuliebe verzichtet, die den Film einem größeren Publikum zugänglich machen soll.
"Die Tribute von Panem - The Hunger Games" ist trotzdem alles andere als leichte Kost, ein Großteil der Gewalt wird hier eher psychisch und unterschwellig als unbedingt physisch dargestellt. Die Leichtigkeit, mit der der Tod der Tribute im Kapitol zu bloßer Unterhaltung degradiert wird, ist die pure Perversion hinter dem Ganzen. Cesar Flickerman (Stanley Tucci) der die Jugendlichen fröhlich interviewt, die dann aber guten Gewissens dem Tode entgegen schickt. President Snow (Donald Sutherland), der seinen Rosengarten liebt, sein Volk aber mit entspannter Brutalität regiert.
Zwar wird einigen der Nebencharaktere im Vergleich zum Buch nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet, das ist bei einem Projekt diesen Ausmaßes aber entschuldbar. Nebendarsteller wie Elizabeth Banks als die überdrehte Effie Trinket oder Lenny Kravitz als Katniss liebenswerter Stylist Cinna staffieren den Film trotz weniger Szenen gut aus. Es kommt jedoch nicht überraschend, dass der Film vor allem wegen zwei Dingen funktioniert: Jennifer Lawrences überzeugende Leistung und die gut umgesetzte Atmosphäre Panems, die durch enge Zusammenarbeit von Regisseur Gary Ross und Buchautorin Suzanne Collins entstand.
Trotz aller Verzweiflung, oder vielleicht gerade deswegen, kommt auch Panem nicht ganz ohne Liebesgeschichte aus. Diese bleibt aber subtil, im Hintergrund und weitestgehend unerforscht. Dadurch schafft es Ross, fern vom typischen Jugenddrama zu bleiben, was durchaus angenehm ist. Katniss und Peeta verbindet das gemeinsame Schicksal der Hunger Spiele und Katniss bester Freund Gale, der in Distrikt 12 zurückgeblieben ist, sieht das gar nicht gerne. Eine sich anbahnende Dreiecksbeziehung zwischen Katniss, Peeta und Gale wird jedoch eher angedeutet als dargestellt.
"Die Tribute von Panem - The Hunger Games" ist keinesfalls eine einfache Jugendgeschichte und schon gar keine Love Story. Hier geht es um wesentlich mehr, um die Ehre und die Würde des Menschen und um eine Welt, die diese untergräbt und in der nur noch die Hoffnung stärker ist als die Angst.
Fazit: "Die Tribute von Panem - The Hunger Games" ist eine durchaus gelungene Adaption der Buchvorlage von Suzanne Collins, die schon bald Kultstatus erreicht haben dürfte.