Fürs Fußballspielen kann sich der neunjährige Finn nicht begeistern. Sein Vater aber ist überzeugt davon, genau das würde ihm gut tun. Und weil sein Vater sowieso immer schlecht gelaunt und sehr traurig ist, tut Finn ihm den Gefallen. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit ist es besonders schlimm mit Papas Stimmungen. Auch Finn ist oft traurig. Denn er vermisst seine Mutter, die schon früh gestorben ist und die er deswegen nie kennengelernt hat. Als er eines Tages an einem verlassenen Haus vorbeikommt, trifft er auf einen kauzigen alten Mann, der nicht wirklich viel redet, dafür aber wunderschön auf der Geige spielt. Und Finn entdeckt, dass auch in ihm dieses Talent schlummert. Heimlich beginnt er, mit dem alten Mann zu üben, auch weil er sich so seiner Mutter irgendwie näher fühlt. Bis sein Vater dahinter kommt und böse ist. Stück für Stück erfährt Finn letzten Endes auch, warum. Gekonnt vermischt Regisseur Frans Weisz in diesem Kinder- und Jugendfilm reale und märchenhafte Elemente. Die Momente, in denen Finn den Zauber des Geigespielens kennenlernt, wirken fast traumhaft und berühren durch das wundervolle Zusammenspiel der Bilder mit der Musik. Der kleine Hauptdarsteller Mels van der Hoeven überzeugt in seinem ganz natürlichen Spiel als Finn, der von vielen seiner Mitschüler als Schwächling angesehen wird, aber durch seine neu gewonnene Leidenschaft eine ganz große Stärke entwickelt. Auch der Rest des Ensembles überzeugt, ob Daan Schuurmans als alleinerziehender Vater oder der großartige Jan Decleir als geheimnisvoller Geigenlehrer. Dass die Musik eine Art magische Verbindung zur Mutter aufbauen kann, ist nur einer der sehr berührenden Aspekte dieses Films. Denn auch die Beziehung zum Vater ändert sich und die beiden gehen einen wichtigen Schritt aufeinander zu. Der Film nimmt seinen kindlichen Helden ernst, erzählt konsequent aus der Sicht des Jungen und kommt ohne Klischees oder Stereotypen aus. Dazu ist FINN UND DIE MAGIE DER MUSIK auch ein Film über Freundschaften und macht auf spannende und fantasievolle Weise die Kraft der Musik seh- und spürbar. Und zu guter Letzt ist der belgisch-niederländische Film auch ein Aufruf an Jung und Alt, sich die Fantasie und die Vorstellungskraft im Innern zu bewahren. Wunderschönes Familienkino - nicht nur zur Weihnachtszeit ein absoluter Geheimtipp, der schon auf mehreren Kinder- und Jugendfilmfestivals kleine und große Jurys überzeugt hat.
Jurybegründung:
Der neunjährige Finn wächst allein bei seinem als Schreiner arbeitenden Vater auf. Die Mutter ist bei seiner Geburt gestorben. Was genau passiert ist, bleibt lange Zeit unklar. Es ist ein Geheimnis, das der Film erst am Ende auflösen wird. Diese dramaturgische Konstruktion ist nicht neu, doch wie der Film damit umgeht, ist beeindruckend. Denn geschickt wird der Zuschauer immer wieder auf falsche Fährten gelockt. Warum hat Finn so wenig Spaß am Fußballspielen und spielt trotzdem in einer Mannschaft? Warum will der Vater so sehr, dass sein Sohn Fußball spielt, obwohl Finn so wenig Lust darauf hat? Denn der Vater liebt seinen Sohn ja ganz offensichtlich. Dass der geheimnisvolle alte Violinist, der in das leerstehende Bauernhaus zieht, Finns Großvater ist, und dass es zwischen ihm und seinem Sohn zur Entzweiung kam, wird vergleichsweise schnell aufgelöst. Dass dies mit dem Tod von Finns Mutter zu tun haben muss, liegt nahe, aber auf welche Weise, verrät der Film noch nicht. Dramaturgisch geschickt aufgebaut, wird immer deutlicher, wie sehr es hier um Schuld geht, welche die Figuren auf sich geladen und welche sie traumatisiert haben. Der Vater will, dass sein Sohn sich für Fußball begeistert, weil er verhindern will, dass ein anderes Talent zutage tritt. Doch warum will er, dass Finn nicht das Spielen der Geige erlernt?
FINN ist mit seiner Geschichte und seiner Botschaft bestens sowohl für Kinder als auch Erwachsene geeignet. Durch die aufwändige Erzählweise, nicht zuletzt die Verwendung einer Form des unzuverlässigen Erzählens, weist er eine an The Sixth Sense erinnernde Struktur auf. Auch die Kamera erfüllt die höchsten ästhetischen Ansprüche. Zugleich werden die Kinder und ihre Probleme immer ernst genommen. Dies liegt nicht zuletzt am sehr präzisen, reifen und ausdrucksstarken Spiel der Darsteller. Vielleicht ist der Auftritt des Vaters am Ende ein wenig zu kitschig geraten. Doch dies tut dem Gesamteindruck eines sehr gelungenen Familienfilms keinen Abbruch.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)