Lange dauerte es, bis mit "John Carter" die legendäre Romanreihe von "Tarzan"-Schöpfer Edgar Rice Burroughs die Leinwand erblickte. Ins Weltall übertragen, wiederholt sich hier dessen Leitmotiv - der Aufeinanderprall unterschiedlicher Kulturen und Lebensräume, woraus sowohl Konflikte als auch Freundschaftsbünde erwachsen. Über Jahrzehnte hinweg kursierten immer wieder Pläne einer möglichen Verfilmung der Barsoon-Chroniken, doch schon eine geplante Trickfilm-Adaption durch "Popeye"-Regisseur Bob Clampett in den Dreißigern kam nicht über Probeaufnahmen hinaus. Zwar überflügelte die Trash-Schmiede "The Asylum" Disney 2009 durch ihre Verfilmung des ersten Romans "Princess of Mars" mit Antonio Sabàto jr. und Traci Lords als Prinzessin Dejah Thoris, doch das billige Ergebnis erweckt einen eher unfreiwillig komischen Eindruck.
Im Comicsektor konnte sich "John Cater" trotz zahlreicher Versuche nie ganz durchsetzen. Unter den Versionen als Zeitungsstrip, bei Dell, DC oder Dark Horse zählt die Marvel-Serie während des "Heroic Fantasy"/"Sword & Sorcery"-Booms Ende der Siebziger mit "Tarzan"-Zeichner Gil Kane zur populärsten Adaption. Weitaus langlebiger entwickeln sich die beiden aktuellen Publikationen "Warlord of Mars" und "WoM: Dejah Thoris" bei Dynamite Entertainment, doch die Handlung konzentriert sich zu sehr auf ausgewalzte Mutantenkämpfe mit leicht bekleideten Amazonen als Blickfang.
Ursprünglich sollte "John Carter of Mars" - der Zusatz entfiel aufgrund des Disney-Flops "Milo und Mars" - der erste Pixar-Spielfilm werden, weshalb hinter der Kamera zahlreiche Mitarbeiter des 3D-Animationsstudios mitwirkten. Allen voran legt "Findet Nemo"- und "WALL-E"-Regisseur Andrew Stanton hier seinen ersten (3D-)Realfilm vor, wobei ihm der Wechsel besser gelang als anderen Animationsspezialisten zuvor. Dennoch konnte man die Pixar-typische Mischung aus Humor, Sentiment, Spannung und Emotion nicht völlig ins andere Medium retten. Am ehesten erinnert noch der zutrauliche, pfeilschnelle Echsenhund Woola an die drolligen Pixar-Charaktere.
Wenn manche Kritiker Stanton mangelnde Originalität vorwerfen, ist dies zum einen nicht von der Hand zu weisen, doch andererseits bedienten sich zuvor schon zahlreiche Space Operas beim "John Carter"-Mythos: Ein Erdenmensch, der sich in die Prinzessin eines anderen Planeten verliebt und ihr Volk gegen kriegerische Aggressoren anführt, findet sich gleichfalls bei "Flash Gordon", "Star Wars" oder "Avatar", selbst in Ansätzen beim satirischen "Planet der Affen". Daher verwundert der Umstand kaum, dass sich Regisseure wie George Lucas oder James Cameron als Burroughs-Fans outeten.
Stanton und sein Co-Autor, der Schriftsteller und Comicexperte Michael Chabon ("Die Geheimnisse von Pittsburgh", "Wonder Boys"), hielten sich wesentlich enger an die Vorlagen als viele Comicversionen, wobei sie sich bei Motiven aus mehreren Büchern der elfteiligen Reihe bedienen. Ihr Epos, das Science Fiction-, Fantasy-, Western- und Rittermotive verknüpft, beginnt mit einer doppelten Rückblende, nachdem der Prolog mitten in die Kämpfe auf Mars-/Barsoon führt. Auch der junge Edgar Rice Burroughs (Daryl Sabara), verfolgt von einem Unbekannten, tritt als Carters Neffe auf, wobei er mittels der Aufzeichnungen des angeblich Verstorbenen ins Geschehen gezogen wird. Daher dauert es einige Momente, bis man sich unter den konkurrierenden Charakteren im Machtkampf um den sterbenden Planeten orientiert hat.
Im Fokus steht die Gewissensentscheidung der Protagonisten John Carter, Dejah Thoris und Tars Tarkas, die sich, wie der deutsche Untertitel "zwischen zwei Welten" andeutet, zwischen ihrem vertrauten Kosmos und der unbekannten Fremde entscheiden müssen. Neben den derzeit überpräsenten Mark Strong und Ciaran Hinds als Gegenspieler setzt das aufwändige Spektakel mit Taylor Kitsch und Lynn Collins, beide aus "X-Men Origins: Wolverine", auf eher unverbrauchte Gesichter. Zahlreiche Stars wie Willem Dafoe, Samantha Morton oder Thomas Haden Church kann man in der Originalversion höchstens an der Stimme erkennen, da sie per Motion Capture-Verfahren die vierarmigen, grünen Krieger des Thark-Volks mit eigener Sprache verkörpern.
Überzeugen können die in der zerklüfteten Felslandschaft von Utah gedrehten Actionsequenzen, sieht man von wenigen offensichtlichen Blue-Screen-Aufnahmen ab, das prunkvolle Set Design und die fantastischen Modellbauten. Dagegen erscheint das Stereoskopieverfahren wenig zwingend und dient eher als Verkaufsmittel: Auch ohne 3D-Gläser ändert sich über Strecken kaum etwas an der Bildkomposition.
Zwischen Palastintrigen, Gladiatorenkämpfen und Raumschiffschlachten entstand somit ein unterhaltsames Science Fiction-Märchen, wobei im letzten Drittel leider das Pathos überhand nimmt. Ebenso wirkt das auf Fortsetzung angelegte Ende wenig glücklich gewählt, denn zuletzt ließ der finanzielle Misserfolg vieler als Serienkonzept angelegter Big Budget-Produktionen die Zuschauer im Ungewissen über den weiteren Handlungsfortgang.
Fazit: Die aufwändige Verfilmung des ersten "John Carter"-Romans durch das Pixar-Team erweist sich als weitgehend fesselnde Adaption, bei der Ansätze von Humor durch Pathos verdrängt werden.