Kurztext:
Willi Heckmann war Musiker. Er spielte Akkordeon, sang und war bei allen beliebt. Klaus Stanjek erinnert sich gern an seinen Onkel, an die Geschichten, die er erzählte, die gute Stimmung, die er verbreitete. Erst spät im Leben erfährt Stanjek, dass Willi acht Jahre seines Lebens im KZ verbracht hat. Der Grund: Willi Heckmann war homosexuell, soll sich an kleinen Kindern vergangen haben. Als „entartet“ wurde er bezeichnet. Auch nach 1945 musste Willi daher seine Sexualität, sein wahres Ich immer verbergen. Die Gerüchte der Pädophilie hielten sich, das Gefühl des Nicht-Akzeptiertwerdens ebenfalls. Für Klaus Stanjek, der seinen Onkel immer verehrte und liebte, sind all die lückenhaften und widersprüchlichen Erinnerungen der Familie Grund genug, sich selbst auf Spurensuche zu begeben. Und so recherchiert Stanjek über das Leben von Willi Heckmann. Er bedient sich alter Fotos, die Willi in jungen Jahren zeigen, hübsch frisiert, weiche sensible Gesichtszüge. Aber er montiert auch andere Aufnahmen in den Film hinein. Willi im KZ, kahl rasiert, das Gesicht leer und ohne Leben, in den Armen ein Akkordeon. Denn es war die Musik, die Willi nie aufgeben ließ. Neben der persönlichen Geschichte seines Onkels reflektiert der Film aber auch die Geschichte der Homosexualität in den Zeiten des Dritten Reichs, die Verfolgung der unschuldigen Menschen, die Ausgrenzung Andersartiger, die, laut Gesetz, in Westdeutschland bis in die 1990er Jahre durch den Paragraph 175 fortgeführt wurde. Prominente Sprecher wie Hannelore Hoger und Ulrich Noethen lassen die Erinnerungen, die Reflektionen und die Auszüge aus verschiedenen Gerichtsakten lebendig werden. Stanjek selbst bezeichnet seinen Film als „detektivischen Musikfilm“. Und genau dies gelingt ihm. Der Film ist unterlegt mit stimmungsvoller Musik, die je nach Sequenz mal wehmütig nachklingt und an anderer Stelle sarkastisch kommentiert. Bei seiner Suche nach Wahrheit geht Stanjek detektivisch präzise und genau vor, geht jeder Spur nach, befragt Experten und reist durch das ganze Land. Am Ende wird nicht jede Frage beantwortet, nicht jeder Verdacht aus dem Weg geräumt sein. Doch Stanjek schließt mit einer persönlichen Erinnerung an seinen geliebten Onkel und einem Lied. KLÄNGE DES VERSCHWEIGENS ist ein unmessbar wichtiger Film gegen das Vergessen der Verbrechen an Menschen, die nicht der Norm entsprachen. Eine filmische Mahnung gegen das Vergessen und für die Menschlichkeit.
Gutachten:
Es war der geliebte Onkel, dessen Leben einen geheimnisvollen dunklen Fleck hatte. Willi Heckmann war Unterhaltungsmusiker - ein Stimmungsmacher, der in Bars und bei Feiern auftrat und leicht obszöne Lieder zum Besten gab. Aber über vieles in seinem Leben wurde in der Familie einfach nicht geredet, bis ein paar unabsichtlich herausgerutschte Sätze seinen Neffen Klaus Stanjek neugierig machten. So begab dieser sich auf Spurensuche und fand heraus, dass sein Onkel acht Jahres seines Lebens im KZ verbracht hatte. Als Homosexueller war er in Dachau und Mauthausen eingesperrt. Angeblich soll er ein Verhältnis zu einem Hitlerjungen gehabt haben, aber darüber gibt es nur Gerüchte und keine Belege. Stanjek hat eine Dokumentation über seinen Onkel gemacht. Erst viele Jahre nach dessen Tod, denn Willi Heckmann wollte nicht, dass seine Geschichte zu seinen Lebzeiten erzählt wird. Denn er wollte all das lieber verschweigen. Auch davon erzählt Klaus Stanjek nun in diesem sehr persönlichen Film, in dem er in der Ichform seine Recherchen beschreibt und ihre Ergebnisse vorstellt. Er nennt KLÄNGE DES VERSCHWEIGENS einen „detektivischen Musikfilm“, weil darin viele Musikaufnahmen seines Onkels und andere Stücke aus seiner Zeit und seinem Milieu gespielt werden. Diese heute etwas antiquiert und mit ihren harmlos anzüglichen Texten recht verklemmt wirkenden Lieder lassen in ihrer bemühten Harmlosigkeit frösteln, wenn mehr über das Schicksal des Sängers erfährt. Stanjek hat einige offene Gespräche mit seinem Onkel über dessen Vergangenheit geführt, und von diesen berichtet er auch, aber ansonsten basiert der Film vor allem auf sekundären Quellen. So hat er Zeitzeugen befragt, die seinen Onkel noch gekannt haben. Darunter auch seine Mutter in einem Interview, bei dem man merkt, welche Überwindung es sowohl der Befragten wie auch dem Fragenden abverlangte. Stanjek hat Überlebende des KZ Mauthausen gefragt, ob sie sich an seinen Onkel erinnern, und dabei erstaunlich weise und unverbitterte Antworten bekommen. Er arbeitet viel mit Fotos und Dokumenten, die er nach intensiven Recherchen gefunden hat. So war sein Fundus an Bildern und Filmaufnahmen eher begrenzt, aber aus dieser Not hat er eine Tugend gemacht, indem er viele der Fotos animiert hat. Dies ist besonders effektiv bei einem Bild aus dem KZ mit einer Gefangenenkapelle, auf dem Stanjek seinen Onkel mit glattrasiertem Haar, einem starren Gesichtsausdruck und toten Augen entdeckte. Im KZ gehörte Willi Heckmann zu den Musikern des Lagers, die vor allem für die SS spielen mussten. Wahrscheinlich hat er nur deshalb überlebt, denn die Arbeit war nicht so schwer wie bei den anderen Lagerinsassen und es gab auch mehr zu essen. Wie sein Onkel diese schreckliche Zeit verarbeitet hat und welche inneren und äußeren Narben sie bei ihm hinterließen, konnte Klaus Stanjek nicht mehr herausfinden, und auch sonst bleibt vieles im Dunkeln. Aber das macht seinen Film nur umso berührender und gewichtiger. Denn so wird klar, wie nah diese Lebensgeschichte daran war, zusammen mit der Musik von Willi Heckmann vergessen zu werden.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)