Ja, das Bollywood-Kino: Ob man es liebt oder hasst, ob es einen entsetzt, erstaunt, verwundert, verärgert oder begeistert kalt lässt es wohl niemanden, zumindest nicht. Außer man kann sich davor drücken. Und das wird immer schwerer. Denn das populäre Hindi-Kino aus Indien findet auch im Westen immer mehr Fans (und natürlich solche, die es ablehnen). Große Gefühle und Gesten, Kitsch, Drama, Action, Tanz und Gesang, alles in einer wilden, unbekümmerten Genre- und Stimmungsmischung, die oft so bunt daherkommen wie die Kulissen und Kostüme.
Und Om Shanti Om kommt mit aller Macht daher. Farah Khan hat schon im Westen mit Main Hoon Na einen Erfolg und eine Bresche fürs Bollywood geschlagen. Mit ihrem neuesten Streich ebenfalls mit Superstar Shahrukh Khan hat sie auf der Berlinale fasziniert und tatsächlich zeigt sich das Hochglanzprodukt Om Shanti Om nicht nur in vollem Selbstbewusstsein: Hier explodiert Bollywood geradezu vor Vertrauen in sich, was insofern ein großer Spaß ist, als die Glamourfabrik sich liebvoll selbst aufs Korn nimmt.
(Fast) Alles, was in Indien und weit darüber hinaus Rang und Namen hat, tritt auf, spielt sich selbst oder verulkt sich in Cameos. Und spätestens, wenn sich in einer Song-and-Dance-Nummer zur Feier des Stars Om Kapoor die Riesen des Geschäfts einlaufen, mag sich Robert Altmann vielleicht vor lauter Ehrehrbietung im Grab rumdrehen. Andererseits kann man nicht anders, als es sich ein wenig warm ums Herz werden zu lassen, weil hier wie auch in der erzählten Mär vom Starruhm und dem Wunder der Traumindustrie die naive Glamourwelt so zelebriert wird, wie man sie doch irgendwie haben will. Ohne die schmutzigen Stories von Hinter den Kulissen. Zumal eben Om Shanti Om auch die klassischen Klischees von den eitlen Großmaul-Stars, cholerischen Regisseuren und überdrehter Theatralik (gerade auch der des Bollywood-Films) entwaffnend unbekümmert aufs Tapet bringt. Allein wenn bei den Filmfare-Awards (dem indischen Oscar) Om für zwei Auftritte nominiert ist, deren Ausschnitte ihn in zwei identischen Kitschliebesszenen zeigt (natürlich vor einem Alpenpanorama), wird klar, wie selbstironische dieses Kino zu genießen ist und es dies gerade in seinem Kult selbst tut.
Selbst die Stilmittel werden auf der einen Seite genutzt wie immer und gleichzeitig gebrochen. Wenn der geknickte Om Prakash von der Liebe enttäuscht übers Studiogelände durch den Regen läuft, entpuppt sich diese Standard plötzlich als echter Fake er ist in eine Drehaufnahme geplatzt.
So entspinnt sich ein munterer Reigen der Selbstreflexion, der Verschränkungen von Schein und Sein, Traum und Realität, die im ersten Teil auch noch gemischt wird mit dem Stil der (wilden) 1970er, der mit seinem Koteletten, Interieurs, Gesten und Klamotten schlichtweg zum Schreien ist. Shahrukh Khan im roten Karojackett ist ein Augenschmaus der besonderen Art, und auch die Filme (im Film) feiern und zitieren die Klassiker der Zeit, gehen sogar soweit, per Computeranimation die Helden der Epoche wieder auferstehen zu lassen bzw. einzumontieren. Der Kitsch des vergangen Bollywoods wird im Spiegel seiner selbst soweit verdoppelt und potenziert, dass er einem um die Ohren fliegt.
Leider geht das im zweiten Teil verloren, wenn Om wiedergeboren und nun als echter Star das altbekannte Coolness-Indien der Bollywood-Gegenwart zeigt. Abgerissene Jeans und Motorradfahren, das braucht der echte Reißer-Typ (und von Schleichwerbung z.B. für Maybelline kann vor lauter Offenheit schon keine Rede mehr sein).
Hier, in der Gegenwart, zeigen sich wieder die Grenzen von Shahrukh Khan, der als reicher Macher nicht in seinem darstellerischen Element ist (oder der Witzfigur zuviel). Auch handlungsmäßig weiß Farah Khan nicht mehr wirklich was zu erzählen; alles läuft sich in der müden Story um eine inszenierte Gespenstergeschichte, mit der dünne Rache am fiesen Mukesh genommen werden soll und die schließlich zu einer echten wird, tot. Die große Melodramatik des ersten Lebens findet hier keine Entsprechung. Auch die Figur der Shanti (samt Oms Liebe zu ihr) geht verloren.
Dafür tritt Deepika Padukone als Sandy auf, spielt aber auch keine Rolle mehr. Und tatsächlich ist sie es, die Om Shanti Om bremst. Zwar ist sie wunderbar anzusehen, hat aber (hier in ihrem Debüt noch) keine Präsenz und Charisma. Man kann letztlich nicht wirklich nachvollziehen kann, was sie so zum Star auch von Oms Herzen jenseits der Billboards macht.
Immerhin darf kurz vor Schluss noch in einer Phantom der Opfer-artigen Maskenballnummer bei Andrew Lloyd Webber abgekupfert werden, womit nun vollends hin und zurück, kreuz und quer über den Showglobus geklaut worden wäre.
Fazit: Überdrehter, selbstbewusster und -ironischer Bollywood-Film, der die eigene Branche feiert, im zweiten Teil aber stark abfällt.