Im Sean Bakers Kinofilm "Starlet" flossen zwei Projekte zusammen, die der Independent-Regisseur schon länger verfolgt. Zunächst wollte Baker im Stil von "Harold & Maude" von der Freundschaft eines Mädchens zu einer älteren Dame erzählen, die beiden ungleichen Frauen neue Lebensenergie spendet. Da Baker für die MTV-Comedy-Serie "Warren the Ape" mit Pornosternchen zusammenarbeitete, erhielt er Einblick in deren im Grunde banalen Alltag jenseits des Drehs. Das weckte sein Interesse an einem Charakterporträt. In "Starlet" verband Baker diese Storyelemente zu einer intensiven Studie um Freundschaft, Vertrauten, Verrat und Einsamkeit, ohne dabei auf humorvolle Szenen zu verzichten.
Mit einer Handkamera hautnah am Geschehen und steten Jump Cuts verlieh Baker seinem Film einen ungeschliffenen, spontanen Anstrich. Man merkt es "Starlet" an, dass Baker in früheren Arbeiten selbst die Kamera im Stil des "Cinema Vérité" führte. Stets picken sich Kamera und Schnitt bestimmte Details und Alltagsaspekte heraus, um die Verlorenheit der Charaktere und schöne Nutzlosigkeit des Seins im sonnigen San Fernando Valley zu unterstreichen. Sentimentalitäten kommen dabei nie auf, wofür schon der lakonische Humor sorgt.
Dass Jane und ihre Mitbewohner in der Pornobranche tätig sind, spielt in der ersten Hälfte fast keine Rolle, zumal nicht exakt thematisiert wird, womit das WG-Trio den Unterhalt für seine sorgenfreie Zeit aus Pot-Rauchen und Videospiel-Wettkämpfen finanziert. Erst später kommen Rivalitäten, Konflikte und finanzielle Abhängigkeiten innerhalb der Branche zur Sprache, da Baker nebenbei noch von der (recht oberflächlichen) Freundschaft zwischen der unbekümmerten Jane und ihrer Mitbewohnerin, der von Geldnöten geplagten Melissa erzählt. Als Melissa per Zufall die versteckten 10.000 Dollar in Janes Zimmer findet, fühlt sie sich hintergangen. Es verwundert, dass sich Jane keine Gedanken darüber macht, warum ihre Freundin plötzlich keine finanziellen Engpässe mehr hat. Vielleicht liegt es aber einfach in der Natur dieses Charakters, darüber schlicht hinweg zu sehen. Mit der Solidarität der jungen Frauen untereinander ist es jedoch nicht weit bestellt.
Die anfangs wenig liebenswerten Figuren Jane und Sadie gewinnen durch das einnehmende Spiel des Models Dree Hemingway, Urenkelin des berühmen Schriftstellers, und der 86-jährigen Newcomerin Besedka Johnson an Profil. Dass sie keine durchweg sympathische Rentnerin, sondern eine anfangs verbitterte, abweisende Einzelgängerin und Witwe verkörpert, lässt die Figur nur glaubwürdiger erscheinen. Stets schwebt in der Beziehung von Sadie und Jane der Mutter-Tochter-Aspekt im Raum, was aber abgesehen von der (ebenfalls offenen) finalen Sequenz nie wirklich angeschnitten wird.
In Kurzauftritten erscheinen Pornostars wie Manuel Ferrera, Asa Akira, Kristina Rose oder Zoe Voss, welche die realistisch eingefangene Atmosphäre unterstützen. Voss war nicht nur Beraterin, sondern doubelte Dree Hemingway zudem in einer Pornodreh-Sequenz, bei der Janes Labelchef, desinteressiert vom freizügigen Geschehen, eifrig seinen nächsten Geschäften nachgeht auch dies ein höchstwahrscheinlich der Realität abgeschautes, beiläufiges Detail.
Fazit: Zwischen Bingo und Porno erzählt "Starlet" die warmherzige, glaubwürdige Chronik einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft in direkten, natürlichen Bildern.