Kalifornien, 1986. Auf den Straßen ist die Stimmung aufgeladen. Polizeiliche Gewalt wendet sich willkürlich gegen Schwarze, die Bandenkriminalität steigt an, Drogen und Waffen erobern nicht nur die Metropolen, sondern auch Kleinstädte wie Compton in der Nähe von L.A.. Zu diesem Zeitpunkt beschließen drei Jungs, mit ihrer Musik ein Statement zu setzen. Sie heißen Eazy-E, Ice-Cube und Dr. Dre und formieren sich mit Freunden zum Kollektiv N.W.A („Niggaz Wit Attitudes“). Ihre aggressive Form des Gangsta-Rap wendet sich mit ihren Texten gegen die Polizeigewalt, das Versagen der Justiz und verfolgt ein klares Ziel: die schwarze Bevölkerung soll eine Stimme bekommen, sich auflehnen gegen die Unterdrückung. Mit dem Album startet die Band voll durch. Es folgen Plattenverträge, Drogen, Frauen, und jede Menge Partys. Aber auch Streit, Neid und Misstrauen. Denn in einem Kollektiv von Alpha-Tieren können aus Freunden schnell Feinde werden. Mit dem Künstlerporträt STRAIGHT OUTTA COMPTON gelingt Regisseur F. Gary Gray ein authentischer und realistischer Sprung zurück in das Amerika von vor 30 Jahren. In fast dokumentarischem Stil wird der Zuschauer in die Welt der Gangs hineingeworfen, die mit Drogen dealen, während unschuldige Mitbürger willkürlich von Polizisten schikaniert werden. Mit diesem Hintergrund gelingt es dem Film, eine Brücke ins Hier und Jetzt zu schlagen, denn an den Umständen hat sich bis heute nicht viel geändert. Es ist eine Welt ohne Gerechtigkeit, in die N.W.A. hinein geboren werden. Und es ist diese Welt, die die Band den ganzen Film über begleitet. Denn selbst wenn die gut ausgestatteten Szenerien wechseln und kalifornische Villen mit Pool die schmutzigen Straßen der Vorstadt ersetzen, so bleibt Compton doch stets präsent. Auch durch die Musik und den harten unerbittlichen Gangsta-Rap, der sich wie ein rhythmisch peitschendes und antreibendes Ausrufezeichen über den Film legt. Die Auftritte von N.W.A. sind atmosphärisch dicht inszeniert, die Dialoge der Jungs wirken authentisch und ungekünstelt. Jeder der einzelnen Schauspieler, ob Haupt- oder Nebenrolle, verkörpert seinen Part nicht nur als Huldigung an das Original, sondern glänzt mit darstellerischer Tiefe und Wahrhaftigkeit. Eine grandiose Kamera folgt den Protagonisten auf Schritt und Tritt und lässt den Zuschauer zum Teil des Kollektivs werden. STRAIGHT OUTTA COMPTON ist ein ehrliches Künstlerporträt und eine authentische Milieustudie einer Zeit, in der sich drei stolze schwarze Musiker erlaubten, eine Meinung zu haben. Und sie der Welt zu verkünden. Ein außergewöhnlich starker Film über ein starkes Stück Musik- und Zeitgeschichte. Nicht nur für Fans ein Muss.
Jurybegründung:
Sie haben Musikgeschichte geschrieben und den Hip Hop revolutioniert. Ice Cube, Dr. Dre, Eazy-E, DJ Yella und Mc Ren stürmten unter dem Namen N.W.A. - „Niggaz wit Attitude“ - mit ihrem Album „Straight Outta Compton“ die Hitparaden und eroberten Ende der 80er Jahre mit ihrem Gangsta-Rap die Arenen. Mit ihren rauen, ungeschliffenen Texten waren sie das Gesicht des Gangsta Rap, des Hip Hops von der Westküste, mit nihilistisch angehauchten Songs wie „Fuck the Police“ oder „Gangsta, Gangsta“ über Diskriminierung und Polizeigewalt gaben sie ehrlich und ungeschminkt den Erfahrungen der benachteiligten Schwarzen und Latinos aus den „Hoods“ Ausdruck.
Der schnelle Reichtum und der Ruhm verdrehten ihnen den Kopf. Raus aus Compton und fern ihrer Familien, führen sie ein Leben mit Sex, Drogen und wilden Parties. Zum Zerwürfnis kommt es schnell durch den Streit ums Geld. Die Verhandlungen mit ihrem betrügerischen Manager um Rechte und Tantiemen bestimmen das Schicksal von N.W.A. und den Fortgang der Handlung. Bald geht jeder seinen eigenen Weg, die Schwüre von der „Brotherhood“ sind perdu. Eine geplante Reunion scheitert am frühen AIDS-Tod von Eazy E.
Das musikalische Biopic ist ein Film eines Fans für Fans, er beschwört die Atmosphäre der wildesten Epoche des Gangsta Rap. Die Story folgt dem verklärenden Blick der drei Koproduzenten auf die eigene Vergangenheit. Doch der Film ist weit davon entfernt, einen Heldenmythos zu schaffen. Das liegt vor allem an der Kamera, die stets eine distanziert-skeptische Distanz wahrt.
Und es ist ein handwerklich großartiger Film, der den Mythos beschwört und nicht nur mit der Musik auch Nicht-Hip-Hop-Begeisterte in seinen Bann zieht. Die jungen, noch unbekannten Schauspieler, darunter der Sohn von Ice Cube, spielen sich die Seele aus dem Leib und haben die Sympathien jederzeit auf ihrer Seite. Und es ist leider auch ein höchst aktueller Film. Die Polizeigewalt, die die vier in ihrer Jugend erlebten, beherrscht auch in diesem Jahr die Schlagzeilen aus amerikanischen Städten. Die Gefühle, die diese Übergriffe auslösten, haben N.W.A. in den Lyrics ihrer Gangsta-Raps authentisch beschrieben. Sie haben sich bis heute nicht verändert.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)