Der Film beginnt wie sein eigener Trailer, so gedrängt, so konzentriert präsentiert er in den ersten Minuten die tragische Geschichte einer 20jährigen, die Babydoll genannt wird: Trauer, Geld, Gier, Waffen, Tod, Lüge, Intrige, Wahnsinn: Zack Snyder reduziert seinen Film aufs Elementare, was sonst einen ganzen Film benötigt, erzählt er in fünf Minuten. Um dann so richtig loszulegen, im Irrenhaus, wo Babydoll grausam mit einer Nadel durchs Auge lobotomisiert, ruhig- und kaltgestellt werden soll. Wobei sich rasch Realität und Fantasie mischen, und in der Fantasie weitere Fantasien, bis man schließlich bei gefühlten zehn Filmen ist, die alle ineinander gepackt, in diesen einen Filme eingebaut sind, in dieses Narren-Welttheater im Irrenhaus. Und da sind die vielen offensichtlichen Vorbilder, bei denen sich Snyder bedient, noch nicht mal eingerechnet.
Was wir hier haben, ist eine schamlose Mischung aus Brazil, Kill Bill Filme, die ohnehin Konglomerate aus Zitaten und Anspielungen sind zudem ist dies das erste inoffizielle Black Swan-Remake, angereichert mit Musicalnummern und erzählt als Alice im Wunderland-Variante. Inszeniert im typische Snyder-Stil, mit ostentativer, oder sagen wir: angestrengt durchgezogener Coolness, auf Überwältigung angelegt und zugleich entrückt, ein Bilderrausch, der stets künstlich, unecht, steril bleibt. Und das ist im Übrigen nur die Rahmenhandlung
Das Irrenhaus, vorgestellt als Theater/Club/Bordell mit leichtem 60er-Jahre-Touch, dient als Bühne für Fantasie-Film-Einschübe, wenn Babydoll in Tanz versinkt. Dann kämpft sie mit Schwert und Pistole gegen Samurai-Riesen nochmal ein Brazil-Moment! -, mit ihren Gefährtinnen, die wie sie Tarantino-Spitznamen tragen, kämpft sie als amazonenhafte Kriegerin im 1. Weltkrieg, inklusive Manga-Kampfroboter und feindlichen Zombiesoldaten. Sie erobern eine Drachen- und Ritterburg, in der Unholde hausen, von einem B52-Bomber aus, ein Fantasy-Schlachtengemälde ohne Grenzen. Und in Science-Fiction-Ambiente müssen sie in einem dahinrasenden Zug eine Bombe entschärfen, dabei eine Menge Alien-Klonkrieger killen und schnell sein, bevor der Zug eine Metropolis-hafte Stadt erreicht. Zwischendurch taucht ein weiser Mann auf mit Ratschlägen und klugen Sprüchen: Macht nie einen auf dicke Hose, wenn ihr euch nicht traut sie auch runterzulassen.
Episoden sind das, die voll auf CGI-Action ausgelegt sind, sichtlich auch an Computerspiel-Ästhetik angelehnt, Gefangene werden nicht gemacht. Obwohl, eigentlich doch: denn die deutschen WK I-Soldaten sind per Dampfkraft angetriebene Untote: Macht euch keinen Kopf, ihr könnt sie ruhig niedermähen, sie sind schon tot. Und wenn der dicke Bürgermeister im Club seine dicken El Jefe-Zigarren raucht, dann weiß die Schwarzhaarige namens Blondie: Die stinken so. Und sie hüstelt, weil Tabak bah ist. Soviel zum Jugendschutz, der sich auch ausdrückt in den erschreckend unsexy inszenierten fünf Kämpferinnen. Wenn man denkt, was Rodriguez daraus gemacht hätte! Auch da zeigt sich: Snyders Kopie ist unschärfer als die Originale. Und weit weniger radikal, weit weniger konsequent. Es ist kaum Blut zu sehen, auch nicht, wenn sich der Film seinem Lieblingsfetisch, dem Kämpfen, hingibt. Was drastisch sein sollte, ist mundgerecht aufbereitet.
Die Kämpfe, diese Fantasie-in-Fantasie-in-Film-Sequenzen, sind recht munter und unterhaltsam und schön musikalisch inszeniert es sind schließlich Imaginationen einer Tanzenden. Dazu laufen laut Popsongs der letzten 45 Jahre, die auf modern-hipp neu gemischt und neu eingespielt wurden, als harte Dance-Nummern. Wenn Jefferson Airplane wüssten, wie hier White Rabbit zwischen den Schützengräben vergewaltigt wird! Mit Emotionen, mit Einfühlung in die Charaktere hat das nichts zu tun, obwohl sich Snyder so anstrengt, sich so darum bemüht. Weshalb die Rahmenhandlung sprich: die Szenen im Club/Irrenhaus, wo es um die menschliche Tragik um Babydoll und die anderen Insassen geht immer lahmer wird, je länger der Film dauert. Am Ende gibt es kein wirkliches Finale; vielleicht hat Snyder den Schluss als Überraschungsmoment geplant: diese Strategie wäre dann aber auf voller Linie missglückt.
Richtig lächerlich wird es, wenn der Film sich bemüht, philosophisch zu werden. Engel werden beschworen, auch die Macht des inneren Selbst: das ist reiner Quatsch, aber Snyder meint es wohl ernst. Wie der ganze Film spürbar so was wie ein persönliches Manifest sein will, schließlich hat Snyder hier auch die Originalidee gehabt und das Drehbuch mitverfasst. Im Grunde ist der ganze Film die Simulation von Fantasie in einer Imaginationswelt tatsächlich die Essenz des snyderschen Kinos: hohle Performances ohne Rückhalt in Realität oder Logik, ohne klare Linie, reines Oberflächenkino, im Strudel durcheinanderwirbelt, in dem mal dies, mal das hochgeschwemmt wird. Und dargeboten mit eitler, selbstbewusster Effekthascherei, deren Selbstzweckhaftigkeit ihre Bedeutung ausmachen soll. Nur: Da ist keine Bedeutung, kein tieferer Sinn, keine Substanz, auch wenn das noch so sehr behauptet wird im ganzen Film liegt kein Funken von Verstand. Im Grunde ist dies ein kranker, ein kaputter Film durchaus im psychopathologischen Sinn und bezogen auf den Filmemacher Zack Snyder. Aber auch Psycho-Krankengeschichten können ihre unterhaltsamen Momente haben.
Fazit: Nach diesem Film fühlt man sich wie von einem Verrückten durch die Mangel gedreht: wahnsinnig, verdreht, verwirrend und voller gewalttätiger Fantasien. Aber dennoch ist Sucker Punch streckenweise unterhaltsam, und eigentlich wohl Snyders bisher bester Film - gerade weil er so tief im Trash steckt.