Der Film geht vor, immer. Und: Der Aufstand wird vergessen werden. Der Film bleibt ewig. Sebastian ist besessen von seinem Film über Christoph Columbus, über Geldgier, über die Unterdrückung der Indios nach der Landung der Spanier, über die Grausamkeiten, mit denen die Einwohner Amerikas unter Krone und Kirche geworfen wurden. Sein Film ist großes Kino, emotional und anklagend, und er ist nicht sehr teuer: Denn Statisten und Handwerker findet man zu Hunderten in der armen Bevölkerung von Bolivien, dort wird gedreht, Costa, der Produzent, hat Sebastian, den Regisseur, überzeugt, dass hohe production values bei kleinem Budget die Kleinigkeit vergessen lassen, dass das beurwaldete Hochland Südamerikas mit den bolivianischen Indios die Karibik ersetzen müssen.
Es gibt wichtigeres als diesen Film, wirft Daniel seinem Regisseur vor; der Hauptdarsteller, Laie mit gedungenem Körper, Hakennase, durchdringendem Blick, ist perfekt für den indianischen Gegenspieler Columbus und er wird Ärger machen, Costa ahnt das gleich. Denn: Für Daniel gibt es ein Leben außerhalb des Films, neben dem Dreh; womit er im Gegensatz zu den Filmprofis steht, zu Costa, der mit wenig finanziellem Aufwand alles organisiert, zu Sebastian, der seine Vision auf Zelluloid bannen will, für die Profischauspieler, die bei einer ersten Leseprobe ganz in ihren Rollen versinken und in einem profanen Garten die magische Landung im gelobten Land von 1492 zum Leben erwecken.
Cochabamba, Bolivien, im Jahr 2000: Wegen Geldnot (und auf Druck des Internationalen Währungsfonds) hat die Regierung die Wasserversorgung privatisiert. Brunnen werden versiegelt, Zisternen geschlossen: Sogar den Regen aufzufangen ist jetzt illegal, jeder muss sein Wasser bei Aguas de Tunari kaufen, der profitorientierten Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns Wasser für 350 Dollar im Jahr. Die Folge ist ein Volksaufstand, eine massive Reaktion von Polizei und Militär, eine Eskalation von Gewalt, ein Bürgerkrieg in der Stadt. Die tatsächlichen Ereignisse vom April 2000, in denen die Bevölkerung in existenzieller Not sich gegen Regierung und Konzern stellten, gegen Unterdrückung von oben, integriert Regisseurin Iciar Bollain mit größter Raffinesse in ihr Film im Film-Spiel: Sebastian und Costa, die froh sind, dass ihre einheimischen Filmmitarbeiter mit zwei Dollar am Tag glücklich sind, der Wasserkonzern, der den Leute, die 40 Dollar im Monat haben, eine 300%ige Wasserverteuerung aufdrückt, Columbus und seine Mannen, die den Indios eine willkürliche Steuer in Goldstaub zahlen lassen: Drei Ebenen, drei Geschichten, die miteinander vernetzt werden, die sich spiegeln. Und Daniel, der Hauptdarsteller und Führer der Indios gegen die Spanier, ist auch der Wortführer der Aufständischen im Wasserkrieg.
Ausgefeilte Charaktere mit je eigener Dynamik werden von ausgezeichneten Darstellern verkörpert. Gael Garcia Bernal als kunstwollender, visionärer Regisseur, Luis Tosar als kostenbewusster Produktionsorganisator, Juan Carlos Aduviri als kämpferischer Aufständischer und charismatischer Laienschauspieler sind zusammen mit dem restlichen Ensemble jede Figur mit ihrem Eigenleben das Rückgrat des Films, in dem ein intensives Historiendrama gedreht wird.
Herzzerreißend sind die Szenen, die wir von diesem Film im Film sehen, in denen gewissenlose spanische Conquistadores die hilflose Indiobevölkerung demütigen, verstümmeln, killen, massakrieren, im Namen der christlichen Kirche und des spanischen Königshauses. Während die Filmproduktion die Arbeitskraft armer Bolivianer ausnutzt, während die Regierung ihnen die Existenzgrundlage nimmt
Eine Anklage in dreifacher Form ist das, und zugleich eine Reflexion anklagender Fiktion, wie sie Sebastian mit seinem Film im Film produziert: Und deshalb kein trockener Thesenfilm, sondern ein lebendiges Spiel der Charaktere, die sich unterschiedlich positionieren, denen man stets Verständnis entgegenbringt, die einem nie fremd sind, die auch nie fremdbestimmt von Regie und Drehbuch geführt wirken. Realität und Fiktion, Kunst und Verantwortung, Unterdrückung, Geld und Macht werden in vielschichtiger Weise diskutiert, und in einer komplexen emotionalen Geschichte miteinander verknüpft.
Am Ende dann, leider, schlägt die Konstruktion filmischer Fiktion auf die Rahmenhandlung, die unsere Realität in Und dann der Regen ist, durch. Melodramatik durch Personalisierung, Emotionalisierung und Läuterung findet nicht mehr nur in Sebastians Film statt, sondern auch auf der Ebene, die wir als wirklich begreifen müssen. Und Bollain lässt zu viele Bilder verstreichen, die Schlussbilder sein könnten.
Fazit: Ein ergreifendes Film im Film-Spiel, das ein reales Ereignis die skandalösen Vorgänge um den Wasserkrieg von Cochabamba im Jahr 2000, bei dem um des Profits willen die arme Bevölkerung ausgebeutet wird in die Dreharbeiten zu einem kritischen Columbusfilm integriert. Vielschichtige Geschichte, ausgezeichnete Darsteller, ausgefeilte Charaktere, wohldosierte Emotionen leider aber ein zu pathetisches Filmende.