FBW-Pressetext:
Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer entschließt sich Ludger Fuchs im Beisein seiner Familie, Einsicht in seine Stasi-Akte aus DDR-Zeiten zu nehmen. Die minutiösen Dokumente der Staatssicherheit bringen allerdings Vergangenes über den gefeierten Romanautoren zutage, das die Familienidylle ins Wanken bringt. Der krönende Abschluss der DDR-Trilogie von Kultregisseur Leander Haußmann schöpft aus den Vollen eines detailverliebten Unterhaltungskinos.
Ostberlin, und trotzdem scheint die Sonne - Leander Haußmanns STASIKOMÖDIE erzählt als detailverliebte, durchweg stark besetzte Agentenkomödie von den Subkulturen im Ostberlin der Achtzigerjahre, dass es Spaß macht, sich zu erinnern und in diese Vergangenheit einzutauchen. Regisseur Leander Haußmann stellt gleich zu Beginn des letzten Teils seiner DDR-Trilogie (nach SONNENALLEE und NVA) klar, dass im Spannungsfeld von Staatssicherheit und Widerstand jede Seite ihr Fett wegbekommt. Dabei gelingt die Gradwanderung, dass selbst über einen perfiden Ausspitzelungsapparat wie die Stasi gelacht werden kann, wenn sich dessen Oberhaupt Erich Mielke als Sonnenkönig inszeniert. Im Widerstand zerbrechen sich die Nicht-Konformen (Nikos) derweil nächtelang die Köpfe über die Redewendung „Perlen vor die Säue“. Das Ensemble lebt von einem Gewebe grandioser darstellerischer Leistungen von David Kross als Spitzel im Untergrund („Auftrag: Eintauchen, Auskundschaften, Zersetzen“) sowie Jörg Schüttauf als sein älteres Ich, einem Romanautor, der sich mit seiner Vergangenheit konfrontieren muss, von Henry Hübchen als verrauchte Stasi-Vaterfigur, Detlev Buck als Straßenpolizist oder Deleila Piasko als Hippie-Amazone. Und auch mit großartigen Ideen wie etwa einer ferngesteuerten Ampelschaltung, die zur ultimativen moralischen Prüfung wird, bietet Leander Haußmanns STASIKOMÖDIE an allen Ecken und Enden Unterhaltung. Wie schon in den beiden vorhergehenden Filmen begeistert auch dieser mit überraschenden Wendungen, versteckten Anspielungen und einem fulminanten Finale zum Mitsingen.
FBW-Jury-Begründung:
Komödien gehören so ziemlich zum schwierigsten Genre, an das sich ein Filmemacher wagen kann. Schon deswegen war es ein ziemliches Päckchen, das Leander Haußmann mit sich herumgetragen haben muss. Eine Komödie über die Arbeit der Stasi zu machen, ist allerdings noch eine Nummer härter. Dementsprechend gespannt zeigte sich die Jury bei der Sichtung seiner STASIKOMÖDIE.
Haußmann hat gut daran getan, sich nicht auf die Stasi selbst zu konzentrieren. Stattdessen hat er das Beziehungsgeflecht seines Protagonisten Ludger Fuchs thematisiert. Der ist zwar von der Stasi rekrutiert, führt aber, kaum in die aufmüpfige Künstlerclique des Prenzlauer Bergs eingeführt, ein genauso amouröses wie renitentes Doppelleben. Mit STASIKOMÖDIE lässt Haußmann Stimmung und Charme von SONNENALLEE wieder aufleben, ohne zu sehr in die Ostalgie-Falle zu stolpern. Liebevoll und von Pathos befreit erzählt er vom Leben auf dem Prenzlauer Berg, wo, wie sich erst Jahre nach der Wende herausgestellt hat, die Stasi so viele IMs hatte, dass sie quasi immer mit zu Gast am Biertresen war. Dass sein Ludger Fuchs schließlich als alternativer Schriftsteller gerade in der Künstlerszene groß herauskommt, ist zum einen ein genialer Schachzug, zum anderen aber auch nicht ganz vorbildfrei. Denkt man z.B. an den Fall von Sascha Anderson, könnte man meinen, dass dieser hier Pate gestanden hat.
Aber natürlich bekommt in STASIKOMÖDIE fast jeder sein Fett ab. Angefangen von der Kunstszene, die alles goutiert, solange es sich anarchisch interpretieren lässt, bis hin zu Mielke, der sich auf einer Rokoko-Party zunächst als feudal-absolutistischer Fürst feiern lässt, nur um kurz darauf „Der kleine Trompeter“ anstimmen zu lassen. Den ernsten Hintergrund der DDR-Zeit stellt Haußmann dabei nie in Frage. STASIKOMÖDIE ist keine brachiale Abrechnung mit der DDR-Vergangenheit. Schenkelklopfende Kalauer und abgedroschene Scherze sucht man vergebens. Stattdessen bietet Haußmanns Film toll getimte, manchmal auch überdrehte kleine Feuerwerke tiefgründiger humoriger Szenen und reichlich Wortwitz. STASIKOMÖDIE ist großartig erzählt und gut beobachtet, versprüht mindestens genauso viel Leidenschaft wie Humor und überzeugt mit brillanten Schauspielern.
Bei der Sichtung meinte die Jury nachgerade zu spüren, wie viel Spaß Haußmanns Cast bei den Dreharbeiten gehabt haben muss. Jörg Schüttauf und David Kross, als älterer und jüngerer Ludger Fuchs, ergänzen sich prima, und auch Antonia Bill und Deleila Piasko als DIE Frauen in dessen Leben leisten Großartiges. Die eigentliche Sensation aber ist Henry Hübchen in der Rolle des vorgesetzten Stasi-Offiziers. Genauso mächtig wie wissend und vermutlich deshalb auch desillusioniert, versucht er seinen Laden irgendwie zusammen zu halten, auch wenn das vor der Vielzahl möglicher subversiver Bedrohungen kaum möglich scheint.
STASIKOMÖDIE ist gut gespielte, hervorragend getaktete und daher beste Unterhaltung, genauso feinsinnig wie intelligent erzählt, wirklich witzig und bis zum wahrlich grandiosen Finale eine echte Überraschung für die Leinwand. STASIKOMÖDIE zeigt, dass es tatsächlich Hoffnung für die deutsche Komödie gibt. Die Jury freut sich daher besonders, dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“ verleihen zu dürfen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)