1001 Gram: Tragikomödie um das exakte Gewicht mit trockenem Humor, skurrilen Figuren und ästhetischer Strenge umgesetzt.
Handlung und Hintergrund
Im Auftrag des norwegischen Eichamts kontrolliert Wissenschaftlerin Marie die Messgeräte des Landes. Als ihr Vater einen Herzinfarkt erleidet, fährt sie an seiner Stelle nach Paris, um das norwegische Referenzkilogramm anhand des französischen Urkilos überprüfen zu lassen. Dabei lernt sie einen charmanten Franzosen kennen, der seine akademische Karriere an den Nagel gehängt hat. Bei einem neuerlichen Besuch trifft sie ihn wieder und plötzlich kommt ihr das eigene bis ins Detail geregelte Leben ziemlich klein vor.
Besetzung und Crew
Regisseur
Produzent
Darsteller
- Per Christian Ellefsen,
- Louis-Do de Lencquesaing,
- Ane Dahl Torp,
- Laurent Stocker,
- Stein Winge,
- Hildegunn Riise,
- Didier Flamand,
- Dinara Drukarowa,
- Daniel Drewes,
- Peter Hudson,
- Christian Erickson,
- Magne Havard Brekke,
- Dominique Pinon,
- Valérie Trajanovski
Drehbuch
Musik
Kamera
Schnitt
Casting
- Ellen Michelsen,
- Sabine Schwedhelm
Kritikerrezensionen
Cinefacts.de
Wie das Referenzkilogramm des Landes muss auch das Leben der Norwegerin Marie neu justiert werden: Diese skurril anmutende Verbindung lotet die nachdenkliche Komödie "1001 Gramm" mit viel trockenem Humor aus. Regisseur und Drehbuchautor Bent Hamer ("Factotum", "O´Horten") verknüpft seine Geschichte über eine einsame Frau, die ihre Gefühle vernachlässigt hat, mit einem Problem aus der Welt der Maßeinheiten. Das französische Urkilogramm von 1889 dient der Gewichtsbestimmung immer noch als unersetzlicher Referenzgegenstand. Die Physik sucht aber nach einer Formel, um das Gewicht künftig auch ohne dieses Objekt definieren zu können, weil es sich im Laufe der Jahre minimal verändert. Alle anderen Maßeinheiten, etwa für die Länge oder die Zeit, werden inzwischen ebenfalls viel genauer bestimmt, als es ein von Menschen gefertigter Gegenstand vermag.
Maries Leben ist ganz von der im Eichamt herrschenden Genauigkeit geprägt. Abweichungen im Gefühlshaushalt und innere Unruhe haben in dieser Welt keinen Platz. Der Film stellt zunächst genüsslich den steril anmutenden Alltag Maries dar, als handele es sich um eine dystopische Science-Fiction-Welt. Sie parkt ihr winziges E-Mobil vor ihrer Wohnung in einer Siedlung gleichförmiger Würfelhäuser, liegt brav auf ihrer Seite des halb verwaisten Ehebetts. Ihre Kollegin gibt ihr zwar auf den Weg nach Paris den Rat mit, sich zu amüsieren, aber schon ihr einsamer Mittagssalat im Maß- und Gewichtsbüro spricht eine andere Sprache. Dort ist Marie unter ihresgleichen, Eichamts-Delegierte aus aller Welt bringen ihre Referenzkilogramme im feierlichen Gänsemarsch zur Begutachtung.
Der freundliche Franzose Pi hellt diese skurril unterkühlte Szenerie wie ein Sonnenstrahl auf, obwohl auch er zumindest zeitweise als leicht verschrobener Forschergeist daherkommt. Ihm obliegt es, Marie mit den traurigen philosophischen Erkenntnissen über den Lauf der Dinge zu versöhnen: Perfektion und Veränderung widersprechen sich, und solange man im Leben steht, beherrscht man es nicht wirklich. Mit seinem trockenen Humor und der schönen Bildkomposition wird der Film zum aparten kleinen Kinovergnügen.
Fazit: Das bittersüße Drama "1001 Gramm" stemmt philosophisch Gewichtiges mit trockenem Humor und skurriler Eleganz.
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1001 Gramm Kritik
1001 Gramm: Tragikomödie um das exakte Gewicht mit trockenem Humor, skurrilen Figuren und ästhetischer Strenge umgesetzt.
Komödie mit super-trockenem Humor über eine kontrollierte Wissenschaftlerin, die bei einem Parisbesuch Lust am Leben entdeckt.
Schon in „Kitchen Stories“ oder „Faktotum“ zeigte sich Bent Hamer als Regisseur, der mit wenig Worten viel sagen kann. Auch in seiner neuen Komödie ist die Protagonistin das Gegenteil einer fröhlichen Plaudertasche. Ernst geht sie durchs Leben, das es gerade nicht gut mit ihr meint. Die Ehe ist gescheitert, der Exmann holt nach und nach die Möbel aus der Wohnung, was sie in stoischer Ruhe vom kleinen Elektroauto aus beobachtet. Ihr Vater erleidet einen Herzinfarkt und sie fährt an seiner Stelle nach Paris, um das norwegische Referenzkilogramm anhand des französischen Urkilos überprüfen zu lassen. Dabei trifft sie auf einen spontanen Franzosen und ahnt, dass es mehr geben muss als dröge Wissenschaft. Bei einem weiteren Besuch in der Seinestadt begegnen sie sich wieder und die akribische Überprüferin von Messgeräten für das norwegische Eichamt versteht plötzlich, warum der Mann seine akademische Karriere an den Nagel gehängt hat und lieber gärtnert.
Liebevoll zeichnet Hamer, wie ein sehr kontrollierter Mensch sich vom Alten löst und Neuem öffnet. Ane Dahl Torp spielt diese Frau in berührender Kühle, Verletzbarkeit und freundlicher Distanz, die nichts und niemanden an sich herankommen lässt. Hamers ausgeprägtes Faible für skurrile und originelle Figuren schlägt voll durch. Wenn klugen Köpfe aus aller Herren Länder mit Regenschirmen und ihren Kilobehältern im Gänsemarsch durch den Park marschieren, „die Mutter aller Kilos“ ehrfürchtig bestaunen wie das siebte Weltwunder oder engagiert diskutieren, ob man das Referenzkilo vor dem Wiegen reinigen soll oder nicht, ist das nicht nur absurd, sondern äußerst komisch. Komisch ist auch der Blick auf lächerliche Zollrituale am Flughafen. Die Beantwortung der Frage „wie viel wiegt ein Kilo genau?“ spielt mit neuen Ungewissheiten und Unsicherheiten und entwirft damit auch das Kaleidoskop einer aus den Fugen geratenen Zeit. Genau kadrierte und in strenger Ästhetik gehaltene Bilder weisen allein durch die Farbgebung auf die gegensätzlichen Universen hin - hier das kühle Blau der Welt der Maßeinheiten und einer von Einsamkeit und Ordnung geprägten Existenz, da die warmen Farben von Paris, die Dynamik, liebenswertes Chaos und Emotion signalisieren. Das unaufgeregte Geschehen ist eine Herausforderung an die Geduld, die Warmherzigkeit, Poesie und Hamers tiefer Humanismus die große Belohnung dafür. mk.
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