Ab dem 29. Juni könnt ihr im Kino ein ausgezeichnetes Coming-of-Age-Drama sehen, das sich auf einfühlsame Weise mit der Identitätssuche eines Kindes beschäftigt. Wir haben den Film vorab gesehen.
Mit „20.000 Arten von Bienen“ legt die baskische Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren ein starkes Spielfilm-Debüt vor. Es beleuchtet die Beziehungen in einer Familie, die an ihre Grenzen gerät, als ein Kind seine Geschlechtsidentität auszuloten beginnt.
Mit dem Trailer könnt ihr euch schon mal auf den Film einstimmen:
Aitor, Cocó, Lucia… oder lieber gar kein Name?
Im Familienurlaub im Baskenland stellt sich Aitor (Sofiá Otero) als Cocó vor, eigentlich ein leicht spöttischer Spitzname der Geschwister, doch fühlt sich dieser Name deutlich besser an als der Geburtsname. Kleider, Schmuck, Meerjungfrauflossen und weitere weibliche konnotierte Dinge faszinieren das Kind, doch beim größten Teil seiner Familie stößt es damit auf Unverständnis. Im Laufe des Films möchte das Kind zwischenzeitlich am liebsten gar keinen Namen mehr haben. Am Ende wählt es für sich den Namen Lucía, daher verwenden auch wir diesen im Folgenden.
Die Verunsicherung des Kindes trifft auf die Überforderung der Erwachsenen
„Warum bin ich so?“, fragt Lucía tief verunsichert die Großmutter Lita (Itziar Lazkano), und „Glaubst du, dass was schief gegangen ist, als ich in Mamas Bauch war?“, den Bruder Eneko (Unax Hayden). Die gläubige Oma versichert ihr zwar, dass Gott alle Menschen als vollkommen geschaffen habe, übersetzt diese Erkenntnis aber nicht in ihre Behandlung von Lucía.
Die Mutter Ane (Patricia López Arnaiz) zeigt Verständnis, ist aber selbst zu sehr mit der Arbeit an ihrer Karriere und ihrem eigenen schwierigen Verhältnis zu ihrer Familie beschäftigt. Mit ihrer Laissez-faire-Attitüde überspielt sie ihre Überforderung und ihre Schwierigkeiten, Lucías Gefühle klar anzusprechen.
Auch die restlichen Erwachsenen um sie herum sind größtenteils zu sehr mit sich beschäftigt, um auf das sensible Kind einzugehen. Im Rahmen der schwelenden Familienkonflikte, die im Laufe des Films immer klarer zum Vorschein kommen, dient Lucías Verhalten oft als Entzündungspunkt.
Bei den Bienen fühlt Lucía sich frei
Bestätigung findet sie dafür bei ihrer Tante, der Imkerin Lourdes (Ane Gabarain), die empathisch und humorvoll mit ihren Fragen umgeht und als Erste weibliche Pronomen für sie verwendet. Bei den Bienenstöcken fühlt sich Lucía frei und unbeschwert. Auch von anderen Kindern erhält Cocó Unterstützung, zum Beispiel von Eneko, dem sie als Erstes ihren Wunschnamen offenbart, und von dem ortsansässigen Mädchen Niko (Julene Puente Nafarrate), mit dem sie sich anfreundet.
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Sofía Oteros subtiles Spiel beeindruckt
Als Lucía mit ihren langen Haaren beim Spazierengehen mit ihrer Mutter von ein paar Frauen als Mädchen angesprochen wird, beginnt sie zum ersten Mal wirklich zu strahlen – bis ihre Mutter die Frauen leise korrigiert, sprachlich aus dem „sie“ wieder ein „er“ macht. Sofía Otero braucht keine Worte, um die verhaltene Sehnsucht und Hoffnung ebenso wie die darauf folgende schmerzhafte Landung „zurück auf dem Boden der Tatsachen“ eindringlich und herzergreifend darzustellen.
Die neunjährige Otero wurde als jüngste Darstellerin in der Geschichte 2023 auf der 73. Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Manche halten die Entscheidung für politisch motiviert; doch selbst wenn da etwas dran sein sollte, ist die schauspielerische Leistung von Otero ergreifend und hat die Auszeichnung uneingeschränkt verdient.
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