Mai 1945. Der Zweite Weltkrieg ist fast vorbei, die Soldaten auf allen Seiten sind kampfesmüde. Zusammen mit seinem kleinen Spähtrupp besetzt in diesen Tagen ein sowjetischer Hauptmann ein Kinderheim an der deutschen Ostseeküste. Dabei arrangieren sich die Russen und die Bewohner des Kinderheims so gut es geht miteinander. Nur der 13jährige Peter glaubt noch an den Sieg der Deutschen und will die letzten verbliebenen Truppen am Strand zum Kämpfen gegen die russischen Besatzer bewegen. Doch nach und nach muss auch er einsehen, dass die Welt, die er kannte, so nie mehr existieren wird. Ein Film über und gegen den Krieg ist 4 TAGE IM MAI, der auf einer wahren Geschichte basiert. Dabei steht das Kämpfen nie wirklich im Fokus der sensibel erzählten dramatischen Geschichte. Vielmehr geht es um das Schicksal des Einzelnen nach Jahren des Krieges und des Leidens über alle nationalen Grenzen hinweg. Pavel Wenzel als junger Peter verkörpert die Zerrissenheit einer Generation zwischen der Suche nach Vorbildern und der Hinterfragung alter Werte mit unglaublicher Intensität. Durch seine kindliche Perspektive erscheint die unfassbare Sinnlosigkeit des Krieges noch deutlicher. Achim von Borries ist ein authentisches Portrait einer grausamen Zeit gelungen, das tief bewegt, ohne pathetisch zu wirken.
Jurybegründung:
In den erst vor einigen Jahren geöffneten Archiven in Russland fand sich diese wahre Geschichte von einer russischen Aufklärereinheit, die gegen die eigenen Truppen kämpfte, um deutsche Frauen und Kinder zu beschützen. Ein wunderbarer Stoff: Eine Geschichte, die ein Autor wohl kaum zu Papier bringen würde, aus Angst, sie würde als zu unwahrscheinlich abgetan. Hier wurde dagegen aus der kleinen, gefundenen Notiz ein großes Drama fabuliert, mit dem Achim von Borries davon erzählt, wie im Krieg (der hier auch exemplarisch für andere Konflikte steht) die Fronten nicht immer zwischen den offiziellen Gegnern verlaufen und dass Mitgefühl eine subversive Kraft entwickeln kann.
Dabei war es klug, aus der Perspektive des 13jährigen Peter zu erzählen. Als Waisenkind, das in zwei Kulturen und zweisprachig aufwuchs, ist er der Mittler zwischen den beiden Seiten der Front. Und als Junge, der noch nicht eingezogen wurde, ist er als einziger begierig darauf, weiter für die Deutschen zu kämpfen. Sowohl den russischen wie auch den deutschen Soldaten ist dagegen klar, dass dies die letzten Tage des Krieges sind und es sinnlos wäre, jetzt noch weiter zu kämpfen. So befinden sich die beiden Truppenteile in einer Pattsituation, die Borries gut in jener Szene betont, in der sich deutsche und russische Soldaten im Wald begegnen. Die Waffen werden gehoben, jeder ist bereit für den entsprechenden Befehl und den ersten Schuss, aber nichts passiert und die Männer ziehen aneinander vorbei. Auch sonst hat Borries gut die seltsame Stimmung in dieser ‚Niemandszeit‘ zwischen Krieg und Frieden eingefangen. Entscheidend für die Wirkung des Films ist, dass er sowohl zweisprachig wie auch mit Darstellern aus Deutschland und Russland produziert wurde. Nur so kann er beiden Seiten gerecht werden, nur so werden Klischees vermieden und nur dadurch bekommt der Film seine dramatische Tiefe. Natürlich will Achim von Borries auch unterhaltsam erzählen, und so hat er die Liebesgeschichte, die nicht zwingend auch erzählt werden muss, in die Geschichte mit einbezogen. Besonders beeindruckt haben außerdem die Schauspielerführung (immerhin ja auch zweisprachig), die Arbeit an der Kamera und die Ausstattung, durch die die Epoche nie pittoresk oder nostalgisch heraufbeschworen wird. Die Zeitlupensequenz nach dem finalen Gefecht ist als filmästhetisches Klischee und Stilbruch die einzige Ungeschicklichkeit, an der sich einige Mitglieder der Jury gestoßen haben. Davon abgesehen ist dies ein atmosphärisch reich erzählter Film über die Absurdität von Kriegen. Und dies ist leider ein immer noch aktuelles Thema.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)