Hochspannender Thriller mit Rosamund Pike und Daniel Brühl rund um die Flugzeugentführung durch deutsche und palästinensische Terroristen im Jahr 1976.
Es ist der 27. Juni 1976. Auf ihrem Weg von Paris nach Tel-Aviv kapern Terroristen eine Maschine der Air France. An Bord sind über 250 Menschen. Die deutschen und palästinensischen Geiselnehmer, die von Israel die Freilassung politischer Gefangener erpressen wollen, lassen die Maschine zum Flughafen Entebbe in Uganda umleiten. Dort überlässt ihnen Staatsführer Idi Amin eine leerstehende Wartehalle. Und während sich die Regierung in Israel überlegen muss, ob sie sich auf Verhandlungen mit Terroristen jemals einlassen können und dürfen, sind die Geiseln hilflos der Willkür der Entführer ausgesetzt. Denn auch deren Nerven sind durch Hitze und Angst immer stärker angespannt. José Padilhas Politthriller 7 TAGE IN ENTEBBE erzählt eine wahre Geschichte, deren Ausgang man kennt und doch gebannt und gespannt bis zum Ende folgt. Seine bedrückende Atmosphäre zieht der Film auch durch seine geschickte Montage, die alle Handlungsorte klug miteinander in Beziehung setzt. Sei es die Anspannung innerhalb der Terroristen, die Angst unter den Geiseln oder die von Machtspielen durchzogenen Verhandlungen der israelischen Politiker: Alles spielt ineinander, ist in Bewegung, nimmt aufeinander Bezug, was in einer fesselnden und sorgfältig komponierten Parallelmontage zwischen der Erstürmung der Wartehalle und einer Tanztheateraufführung gipfelt. Padilha gelingt das Kunststück, mit einer unaufgeregten und ruhigen Inszenierung extreme Spannung aufzubauen, auch dank einer exzellenten Kamera und großartigen Darstellern, die die Konflikte der Figuren oftmals nur mit Blicken begreifbar machen. Daniel Brühl als RAF-Mitglied Wilfried Böse, der an der Radikalität und Grausamkeit scheitert, die von ihm gefordert wird; Rosamund Pike als Brigitte Kuhlmann, hinter deren eiskalter Mimik und Gestik die doch sehr fragile Psyche einer verunsicherten Frau erkennbar ist; oder Eddie Marsan, dessen kontrolliert reduziertes Spiel die wahren Beweggründe des Politikers Shimon Peres immer ein Stück weit im Verborgenen lässt. Nach sieben Tagen wurde der Flughafen in Entebbe von einer Einsatztruppe des israelischen Militärs gestürmt. Alle Geiselnehmer, drei Geiseln, viele ugandische Soldaten und ein israelischer Offizier wurden getötet. Ein Ende des Terrorismus war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Ein Beginn des Friedensprozesses ebenso wenig. Doch José Padilhas 7 TAGE IN ENTEBBE ist ein klares Plädoyer für das Verhandeln, das Reden und das Miteinander - und damit neben spannender Geschichtsaufarbeitung auch ein hochaktueller Film.
Jurybegründung:
Hunderte Israelis verdanken Wilfried Böse ihr Leben. Der Deutsche gehörte zu einer Gruppe von sieben Terroristen, die 1976 eine Air France-Maschine auf dem Flug von Athen nach Tel Aviv kidnappten. Mit mehr als 200 Passagieren an Bord landete das Flugzeug in Entebbe, wo Diktator Idi Amin ihnen die Infrastruktur des Airports und Soldaten zur Verfügung stellte.
Als die palästinensischen Terroristen beginnen, die Passagiere nach ihrer Nationalität zu separieren und die Israelis in einen Extraraum bringen, bricht der Streit zwischen den Palästinensern und den beiden Deutschen einerseits als auch unter den beiden Mitgliedern der RAF offen aus. Brigitte Kuhlmann, von Schuldgefühlen für die Verhaftung Ulrike Meinhofs geplagt, billigt diese Schritte, während Böse auf Grund der deutschen Geschichte opponiert. Seine Gewissensbisse führen schließlich dazu, dass er die Geiseln bei der Erstürmung des Flughafens durch israelische Truppen verschont.
Die Diskussionen innerhalb Israels Regierung um die richtige Reaktion auf die Entführung bilden den zweiten Erzählstrang des Films. Beide sind eng miteinander verwoben. Yitzchak Rabin und Schimon Peres liefern sich erbitterte verbale Duelle um die Frage, wie die Sicherheit des Staates kurz- und langfristig erreicht werden kann. Die Israelis stehen real und sinnbildlich mit dem Rücken zur Wand. Nicht nur mit diesen Disputen weist der Film bis in die Gegenwart. Der einzige Tote auf israelischer Seite bei der Befreiungsaktion war der Bruder des heutigen Ministerpräsidenten Netanjahu.
Trotz des bekannten Endes ist dem brasilianischen Regisseur José Padilha ein bis zur letzten Minute spannender Politthriller gelungen, dessen Fakten auf umfangreichen Recherchen und Gesprächen mit Zeitzeugen beruhen. Er erzählt völlig unaufgeregt von den dramatischen Ereignissen und der Angst der Passagiere und Besatzungsmitglieder. Die französischen Piloten und Bordingenieure werden dabei zu Helden und Sympathieträgern. Doch der Film erzählt auch von der Motivation der Palästinenser und der RAF-Mitglieder, ebenso wie von den Beweggründen der Israelis. Und letzten Endes von einem durchgeknallten Diktator, der gerne Weltpolitik machen will.
Niemals ergreift Padilha in seinem handwerklich exzellent umgesetzten Film Partei. Er verdichtet den Konflikt auf den inhaltlichen Kern und schafft es, das auf den ersten Blick didaktisch anmutende Konstrukt zu einem kraftvollen, lebendigen Gesamtwerk zu machen. So könnte es gewesen sein.
Ein besonders eindrucksvoller Kunstgriff gelingt ihm mit dem Einbau einer von donnernden Beats unterlegten Tanzperformance eines israelischen Ensembles, die in den Film einführt und später den Rhythmus der Szenen beim Einsatz zur Befreiung der Geiseln bestimmt. Der für die Tanzperformance verantwortliche Choreograph Ohad Naharin gilt als kritischer Beobachter seines Landes und seiner zunehmend radikalen Politik und setzt dies in seinen Werken um. Und der Film gibt der Performance den absolut passenden Rahmen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)