Benjamin Ferencz war 1945 bis 1949 Chefankläger beim sogenannten „Einsatzgruppenprozess“, einem Folgeprozess der Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Ferencz war damals erst Ende 20, ein junger Anwalt aus den USA, der noch nicht viele Erfahrungen hatte sammeln können. Sämtliche Angeklagte plädierten auf „Nicht-Schuldig“, doch Ferencz kämpfte unbeirrt um Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Gräuel. Die Verurteilung der Verantwortlichen war für ihn eine erste Etappe bei seinem unbeirrbaren Einsatz für die Opfer von Kriegsverbrechen auf der ganzen Welt. Bevor im Jahr 2002 der Internationale Gerichtshof in Den Haag seine Arbeit aufnehmen konnte, war es Ferencz, der eine solche Institution stetig forderte. Denn der Krieg ist, so Ferencz, das größte Verbrechen gegen die Menschheit überhaupt. Zusammen mit der Filmemacherin Ullabritt Horn geht Benjamin Ferencz im Alter von 93 Jahren zurück nach Nürnberg, in den Prozesssaal, in dem alles angefangen hat. Von der ersten Minute an lauscht der Zuschauer wie gebannt diesem charismatischen Mann, der sich erinnert. An seine Kindheit innerhalb einer armen Einwandererfamilie in New York, an das große Glück, einer Lehrerin zu begegnen, die die Begabung des kleinen Benjamin erkannte und ihn förderte, an seine Ausbildung und seine Ehe mit Gertrude, mit der er nun schon fast 70 Jahre verheiratet ist. Und er erzählt von den Erlebnissen direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, als Ferencz deutschen Boden betrat und konfrontiert wurde mit den Gräueltaten der NS. Der Film unterlegt die Erinnerungen mit Fotografien und Aufnahmen, die neuen Erkenntnisgewinn bringen. Das sorgsam aufbereitete und gut recherchierte Bildmaterial lässt jedoch immer Raum für Benjamin Ferencz selbst, der klug und reflektiert mit bewundernswerter Haltung mit seinen Erinnerungen einen Bogen schlägt, von der Vergangenheit hin zu aktuellen politischen Entwicklungen. Auch andere Persönlichkeiten kommen zu Wort, wie etwa Fatou Bom Bensouda, seit 2012 Chefanklägerin beim ICC, die stolz darauf ist, die Tradition eines Benjamin Ferencz als Verteidigerin von Kriegsopfern fortzuführen. Oder auch Don Ferencz, Benjamins Sohn, der seine Karriere als Lizenzanwalt aufgab, um dem Vorbild seines Vaters zu folgen. A MAN CAN MAKE A DIFFERENCE ist ein wichtiger und informativer Dokumentarfilm über die Geschichte der internationalen Strafverfolgung. Doch vielmehr noch ist er auch ein beeindruckendes und tief berührendes Porträt über einen faszinierenden und wegweisenden Menschen, der unbeirrt an das Gute in der Welt und an Gerechtigkeit glaubt. Und der zeigt, wieviel ein einzelner Mensch für alle bewirken kann.
Jurybegründung:
Die Regisseurin Ullabritt Horn richtet den Focus des Films auf den nunmehr 95jährigen Benjamin Ferencz, den letzten noch lebenden Chefankläger des Nürnberger Tribunals. Sie lässt diesen kleinen und doch so großen Mann nahezu ohne Unterbrechung zu Wort kommen. Dies geschieht besonders ausführlich und gründlich in Nürnberg an der Stätte, an der damals 27-Jährige eine begrenzte Zahl Verantwortlicher der SS-Einsatzgruppen in der Sowjetunion anklagte. Kein Wort, kein Dokument ist überflüssig. Mehrfach äußert er sich auch in seiner heutigen häuslichen Umgebung, vor einer Bücherwand und einem Globus, der nicht nur der Dekoration dient. Die Kamera folgt ihm an weitere, geographisch sehr unterschiedliche Orte und Plätze, wo er dann immer wieder selbst das Wort ergreift. So wird eine beeindruckende Besonderheit dieses Films sicht- und hörbar: Er bietet dem Zuschauenden eine Fülle von Material an, fordert ihn heraus mit den eingeblendeten Fotos, Dokumenten, Film- und Zeitungsausschnitten, nimmt ihn mit in die Zeit und das Geschehen aus der damaligen und heutigen Sicht des Benjamin Ferencz. Die Jury beeindruckte, wie es Ullabritt Horn gelingt, zum Teil durchaus bekannten Materialien neues Leben zu ermöglichen, im Zusammenhang mit dem Leben des Mannes, dem sie zugeordnet werden.
Eine zweite Besonderheit, die diesen Film auszeichnet, besteht darin, wie die Regisseurin die ungewöhnliche Lebens- und Familiengeschichte des überhaupt nicht alt wirkenden Mannes mit dem jeweiligen Zeitgeschehen verknüpft. Da kommen Weggefährten zu Wort, da begleitet ihn einer seiner Söhne in Archive und Memorials, dort trifft er sich mit der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Überall strahlt er physische und psychische Stärke aus, kann über sich selbst schmunzeln, hat er andere ermutigt: Gib niemals auf. Wenn du nicht durch die Tür kommen kannst, dann versuche es durch ein Fenster. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch den Film, bildet eine zentrale Botschaft. „Never give up!“ Dabei wird aber nicht verschwiegen, dass zuweilen auch Glück und Zufall vonnöten sind.
Eine dritte Besonderheit dieses Filmes ist eine weitgehend inhaltlich nicht so bekannte, auf die der Titel des Filmes hinweist. Benjamin Ferencz entscheidet sich in der Mitte seines Lebens, all seine Kraft und Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass in der Gegenwart und Zukunft Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben. Die Filmemacher lassen ihm ausgiebig Zeit, diesen steinigen, langwierigen Weg zu erläutern. Eine filmische Chronologie visualisiert, wie viele Kriege und Genozide seit dem Nürnberger Tribunal sich ereignet haben und wie lange es gedauert hat, bis endlich der Internationale Strafgerichtshof gegründet wurde. Der Film verdeutlicht mit dieser dramaturgischen Klammer, dass seine Entstehung solchen Menschen wie Benjamin Ferencz zu verdanken ist, nicht den politischen Mächten, deren eigentliche Aufgabe es gewesen wäre.
In der Diskussion zu diesem Film wurde noch viel Lobendes gesagt, aber eines soll unbedingt noch erwähnt werden: Dem Team um Ullabritt Horn ist mit einem bewundernswerten Engagement und einer nur kleinen lokalen Unterstützung ein aufwändiger, wundervoller Film gelungen. A Woman Can Make a Difference.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)