In ADAM UND EVELYN erzählt Regisseur Andreas Goldstein, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Ingo Schulze, von einer Beziehung zweier Menschen im Sommer 1989 in Ostdeutschland. Lakonisch, berührend und sommerlich warm.
Ostdeutschland, Sommer 1989. Die Strukturen der DDR beginnen sich aufzulösen, ein Umbruch, das ist spürbar, steht bevor. Die rebellische und lebenslustige Evelyn will verreisen, nach Ungarn, will etwas vom Leben haben. Ihr Freund Adam, Fotograf und Damenschneider, will das nicht. Er ist zufrieden, dort, wo sie wohnen, wo der Garten ist, wo es unaufgeregt zugeht. Also reist Evelyn allein. Und Adam hinterher. Am Ende der Reise werden Grenzen geöffnet. Und Beziehungen hinterfragt. ADAM UND EVELYN, nach dem gleichnamigen Roman von Ingo Schulze, erzählt die Geschichte einer Liebe vor dem Hintergrund eines politischen Umbruchs. Regisseur Andreas Goldstein und seine Co-Autorin und Kamerafrau Jakobine Motz lassen dem Zuschauer Zeit, sich auf diese Geschichte einzulassen. Die Einstellungen sind lang, der Erzählfluss ist ruhig und lakonisch. Doch genau dies ist das richtige erzählerischere Mittel, um all die Kraft der verborgenen Gefühle, der eingesperrten Wünsche und dem aufgestauten Frust deutlich zu machen. Die Bilder schwelgen in ihrer Komposition und Lichtgestaltung, die Farben sind warm und hell, was die Inszenierung auf gelungene Weise von der sonst üblichen Visualisierung der DDR abhebt. Als Paar agieren Anne Kanis und Florian Teichtmeister in ihren Rollen äußerst glaubwürdig. ADAM UND EVELYN ist ein künstlerisch konsequenter Film, der nicht nur von der Veränderung in einer Beziehung erzählt, sondern auch bittersüß, melancholisch und leise vom Umbruch eines Staates berichtet.
Jurybegründung:
30 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die Geschichten des Falls der Mauer, der Wiedervereinigung und des Zusammenwachsens ebenso wenig auserzählt wie das gesellschaftliche Mammutprojekt abgeschlossen. Andreas Goldsteins sehenswertes Langfilmdebüt macht dies auf leise, aber überaus eindrückliche Art und Weise und mit ganz eigenen Erzähltempo deutlich.
Der Film spielt im Sommer 1989, als sich bereits deutlich abzeichnet, dass die Tage der DDR gezählt sind. Zunächst Hunderte, dann Tausende der Einwohner des Arbeiter- und Bauernstaates haben den Sommerurlaub in Ungarn genutzt, um dort in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu beantragen. In dieser Situation wollen auch Evelyn und Adam, der eigentlich Lutz heißt, den Weg nach Ungarn antreten. Doch ihre Beziehung steckt in einer Krise - und das liegt nur zu einem geringen Teil daran, dass Evelyn ihren Adam dabei ertappt hat, wie er, der als Damenschneider arbeitet, einer Kundin ein klein wenig zu nahe kam. Viel eher geht es darum, dass Adam mit seinem Leben in der DDR ganz zufrieden ist, während Evelyn sich mehr von Leben erwartet als das, was der Staat und ihre Beziehung für sie bereithält. Und so fährt sie ohne Adam, aber mit ihrer Freundin und deren Liebhaber aus dem Westen allein nach Ungarn, um auch die Gunst der Stunde zu nutzen. Und Adam? Der reist in seinem himmelblauen Wartburg, Baujahr 1961 hinterher, gabelt aber unterwegs noch die attraktive Anhalterin Katja auf. Und so entspinnen sich vor dem Hintergrund der politischen Veränderungen auch beziehungstechnische Standortbestimmungen und Grenzauflösungen, die kaum weniger schwerwiegend sind als die große Weltpolitik.
Andreas Goldsteins Herangehensweise erinnert teilweise an die Werke der Berliner Schule: Sorgsam komponierte und wundervoll inszenierte Einstellungen ohne allzu viel Kamerabewegung sowie ein ganz eigener Rhythmus lassen die Hitze und Trägheit des Sommers sinnlich erlebbar werden. Dazu das ebenso distanzierte wie differenzierte Spiel der Schauspieler, deren nur scheinbar einfache Dialogzeilen - wie überhaupt der ganze Film - voller Andeutungen und Subtexten stecken, die sich vor allem (aber nicht nur) jenen Zuschauern erschließen dürfte, die die beschriebene Zeit und die DDR selbst erfahren haben. Selten gelang die Vermischung und Verknüpfung des Privaten und des Politischen so punktgenau wie hier, selten spürte man die klischeefreie Schilderung der unterschiedlichen „Betriebstemperatur“ zwischen Ost und West so augenfällig wie in den vielen kleinen Szenen, die die Film immer wieder meisterlich auffächert.
Anders als andere Filme über die DDR verlässt sich Adam und Evelyn nicht (allein) auf die Ausstattung und Retro-Chic, sondern schafft das Kunstwerk, sich vor allem über Atmosphäre und die fein ziselierten Dialoge zu transportieren.
ADAM UND EVELYN ist ein Film mit einer klaren künstlerischen Handschrift, die mit bemerkenswerter Konsequenz durchgehalten wird. Ein Werk, das auf den ersten Blick vielleicht ein wenig spröde erscheinen mag, das einem Publikum aber unendlich viel geben kann. Und damit zu einer Ausnahmeerscheinung im heutigen deutschen Film wird.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)