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Agnes: Obsessive Liebesgeschichte zwischen einem Autor und einer Studentin nach dem gleichnamigen Roman von Peter Stamm.

Handlung und Hintergrund

Walter (Stephan Kampwirth) ist Sachbuchautor und recherchiert in der Unibibliothek für sein neuestes Werk über deutsches Unternehmertum. Dort, in der nordrhein-westfälischen Hauptstadt Düsseldorf lernt der 41-Jährige die Physikstudentin Agnes (Odine Johne) kennen. Vom ersten Moment an ist er von ihr fasziniert und ihre unterschiedlichen Lebensauffassungen verstärken dieses Gefühl nur noch. Tatsächlich fühlt sich Walter von der jüngeren Agnes herausgefordert, vertritt diese doch nicht nur in der Dissertation, an der sie schreibt, sondern auch im Leben selbst radikale Ansichten. Davon angezogen, entflammt zwischen den beiden bald eine Liebe von solcher Intensität, wie Walter sie nie zuvor verspürt hat. Agnes bringt Walter ständig dazu, Dinge aus einer neuen Perspektive zu betrachten, und als sie einen von Walter verfassten Band von Kurzgeschichten entdeckt, kommt ihr eine Idee. Sie überredet Walter, über ihre Liebesgeschichte zu schreiben. Allerdings gestaltet sich diese Idee in der Umsetzung weitaus folgenreicher, als zunächst vermutet. Zu Agnes‘ Erstaunen verklärt Walter die Realität und sieht ihr glückliches Liebesleben gefiltert durch die rosarote Brille. Fiktion und Realität verschwimmen zunehmend, als Agnes eine Faszination für das Geschriebene Walters entwickelt. Tatsächlich beginnt sie offenbar, der Handlung aus dem Buch ihres Liebhabers zu folgen und den Sinn für die Realität zu verlieren. Agnes verschreibt sich voll und ganz dem Credo, dass eine Geschichte ohne Drama nicht für ein gutes Buch taugt. “Agnes“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des Schriftstellers Peter Stamm. Das von Johannes Schmid (“Wintertochter“) inszenierte Drama feierte im Januar 2016 auf dem “Palm Springs International Film Festival“ in den USA Weltpremiere und wurde wenige Wochen später auch auf der Berlinale in der Rubrik “LOLA at Berlinale“ gezeigt.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Johannes Schmid
Produzent
  • Philipp Budweg,
  • Thomas Blieninger
Darsteller
  • Odine Johne,
  • Stephan Kampwirth,
  • Sonja Baum,
  • Walter Hess,
  • Berit Karla Menze,
  • Oliver Bürgin,
  • Maximilian Scheidt
Drehbuch
  • Johannes Schmid,
  • Nora Lämmermann
Musik
  • Michael Heilrath
Kamera
  • Michael Bertl
Schnitt
  • Henk Drees
Casting
  • Daniela Tolkien

Kritikerrezensionen

    1. Alles beginnt mit einem Blick, als Walter Agnes in der Bibliothek begegnet. Walter ist gescheiterter Romancier, der nun Sachbücher schreibt, Agnes ist Physikstudentin. Im Bus sehen sich beide wieder. Walter traut sich, spricht Agnes an. Eine Unterhaltung über den Sinn des Lebens entspinnt sich, aus einem Gespräch wird ein Kuss, eine Nacht, eine Beziehung. Agnes bedrängt Walter, doch wieder einen Roman zu schreiben. Am besten sollte es ein Roman über die Liebe sein. Über ihre Liebe. Über sie. Walter zögert zunächst, doch fühlt sich dann inspiriert und beginnt zu schreiben. Doch langsam verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. AGNES von Johannes Schmid ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Peter Stamm. Ganz genau und sorgfältig transportiert der Film die Tonlage des Romans auf die Leinwand, die Dialoge sind bewusst literarisch und dienen dazu, die Distanz zwischen Situation und Betrachter aufrechtzuerhalten. Aufgefächert wird die Faszination eines Beziehungsdramas, auch dank der hervorragenden darstellerischen Leistung von Odine Johne und Stephan Kampwirth. Kampwirth als Walter ist eine gebrochene und gequälte Künstlerseele par excellence. Stetig zweifelt er an sich selbst, an seinem Können, an seinen Wünschen. Erst Agnes scheint ihm einen neuen Lebenssinn zu geben, er verliert sich ganz in seiner Muse und der Besessenheit, ihre Geschichte als perfektes Liebesdrama zu erdenken und niederzuschreiben. Doch er ist sich stets im Unklaren, wie viel echte Gefühle hinter der Beziehung zu Agnes stehen. Die Person aus Fleisch und Blut wird zum Objekt, er benutzt sie und merkt es nicht einmal. Agnes wird zu einer Spiegelung der eigenen Wünsche. Es gelingt Odine Johne auf beeindruckende Weise, all diese Aspekte in ihrem Spiel zu vereinen. Elfengleich durchschreitet sie die Szenerie, scheint der realen Welt entrückt und lässt in ihrem Gesicht Unschuld, Entschlossenheit, Verliebtheit und Verzweiflung gleichermaßen durchscheinen. So wird sie auch zur Projektionsfläche für den Zuschauer, der verunsichert wird, was nun real und was ein Teil der von Walter erdachten Geschichte ist. Geschickt arbeiten Schmid und sein Kameramann Michael Bertl mit Licht und Farbe, um die perfekt arrangierten Sequenzen voneinander abzugrenzen. Auch werden Szenen in Rückblende wiederholt, aus anderen Blickwinkeln gefilmt, mit alternativen Enden erzählt. So entsteht ein den Zuschauer stetig herausforderndes Vexierspiel. Ein faszinierender und hochintelligenter Film über die Wahrheit in der Fiktion. Und die Wahrhaftigkeit der Liebe.

      Jurybegründung:

      Johannes Schmids Film ist eine Variation der selbstreflexiven Erzählung, d. h. es gibt mehrere Erzählebenen, mittels derer das Erzählen selbst thematisiert wird. Der Sachbuchautor Walter lernt die Physikstudentin Agnes kennen und beginnt danach eine Erzählung zu schreiben, in der es um seine Begegnung mit Agnes geht. Zunächst kommt es zu Abweichungen zwischen den als real erscheinenden Ereignissen und Walters Erzählung. Diese nehmen zu, bis der Film sogar klare metaleptische Züge annimmt, d. h. narrative Transgressionen vollführt, die im Zuschauer Ungewissheit über den Status der Erzählung erzeugen. Dieses Spiel mit Realität und Fiktion gelingt dem Film auf beeindruckende Weise, ohne dabei zu verkopft zu geraten. Natürlich könnte man einwenden, dass wieder einmal eine Frau das Mysterium ist, von dem der Mann fasziniert erzählt und es ließe sich auch durchaus einwenden, dass der von Stephan Kampwirth gespielte Schriftsteller nicht zwingend eine hochinteressante Figur ist, während Agnes facettenreich charakterisiert wird und von Odine Johne kongenial und furios verkörpert wird. Doch das tut dem Film nur bedingt einen Abbruch.
      Das liegt auch daran, dass AGNES insgesamt ein klar erkennbares ästhetisches Gesamtkonzept erkennen lässt. Die Großstadt wird durch die subtile Beleuchtung und die dichte Rauminszenierung zu einem urbanen Raum des Unbehaustseins, in dem sich die Liebesgeschichte abspielt wie in einer Parallelwelt. Diese Boy-Meets-Girl-Geschichte ist behutsam inszeniert, wie auch die Szenen körperlicher Liebe, in denen ästhetisch anspruchsvoll mit Kaschierungen gearbeitet wird, so dass sie nicht voyeuristisch geraten. Kamera und Montage sind trotz des klar erkennbaren Stilwillens unaufdringlich und weisen ein hervorragendes Timing auf, das stellenweise auch mit Überraschungen aufwarten kann, also von Konventionen gewinnbringend abzuweichen versteht. Solche Momente, in denen etwa die Montage gezielt auffällig eingesetzt wird, wirken aber ebenfalls nicht aufdringlich. AGNES ist ein ästhetisch homogenes und erzählerisch raffiniertes Verwirrspiel, das zum wiederholten Schauen einlädt.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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