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Fakten und Hintergründe zum Film "Alles, was wir geben mussten"

Fakten und Hintergründe zum Film "Alles, was wir geben mussten"

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Über die Produktion

Können wir unser Schicksal bestimmen? Leben wir für uns oder für andere Menschen?  Was macht uns zum Menschen?

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Diese aufschreckenden und fesselnden Fragen stehen im Zentrum von ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN, der Leinwandadaption von Kazuo Ishiguros international gepriesenem Meisterwerk, das in einem einsam gelegenen englischen Internat seinen Anfang nimmt. Nichts deutet zunächst darauf hin, dass hier eine zutiefst emotionale Geschichte ihren Anfang nimmt, in der es um Liebe und Betrug, Hoffnung und Verzicht, Sterblichkeit und Schicksal geht.

Als Ishiguros dichter und unvergesslicher Roman 2005 erstmals erschien, wurde er von vielen Kritikern als einer der besten des Jahrzehnts gepriesen. Auf der einen Seite handelt das Werk von einer Gesellschaft, die gelernt hat, sich selbst zu klonen, auf der anderen vom Liebesdreieck dreier Freunde, die sich seit frühester Kindheit kennen.

Das Buch hinterließ auf Anhieb einen derart nachhaltigen Eindruck, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es verfilmt werden würde. Dazu kam es, als der literarisch versierte britische Drehbuchautor und Romancier Alex Garland und der aufstrebende, visionäre amerikanische Regisseur Mark Romanek zusammen fanden. Sie näherten sich ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN wie dies schon Ishiguro getan hatte, sahen die Geschichte weniger als Science Fiction, sondern als Mär über menschliche Zerbrechlichkeit.

Romanek dazu: „In vielen Science-Fiction-Filmen geht es darum, dass jemand versucht, einem restriktiven System zu entfliehen. In unserem Film ist das Gegenteil der Fall. Unsere Protagonisten versuchen nicht, zu fliehen, denn ihnen wurde seit ihrer Geburt beigebracht, stolz auf ihren Platz in ihrer alternativen Gesellschaft zu sein. Sie haben eine Pflicht zu erfüllen – und mag sie noch so schrecklich sein. Und dann laufen sie natürlich auch deshalb nicht weg, weil es keinen Platz gibt, wohin sie fliehen könnten. In unserem Film geht es darum, dass man es zeigen muss, wenn man jemanden liebt – sofort, denn unsere Zeit ist insgesamt höchst begrenzt. Mit ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN wollte ich einfach nur einen schönen, alles andere als ironischen Film machen. Wir wollten die Zuschauer in die Welt entführen, die Ishiguro geschaffen hat. Besonderen Wert habe ich auf Romantik und Ästhetik gelegt, denn unser Film erforscht eine Wahrheit, die bittersüß ist.“

Produktion: Das Drehbuch

Kazuo Ishiguro ist seit Langem von den miteinander verwobenen Themen Liebe, Verlust, Würde, Pflicht, Aufopferung, Erinnerung und der Art, wie wir uns selbst in der Welt präsentieren, fasziniert – und die Welt wiederum ist von Ishiguros Erzählstil begeistert. Er wurde bereits vier Mal für den Man Booker Prize nominiert, die angesehene The Times hat ihn als einen der 50 größten britischen Romanciers aller Zeiten bezeichnet, mit zahllosen Auszeichnungen und Preisen wurde er schon bedacht – und das bei einer Karriere, die ihren Höhepunkt wohl erst zusteuert.

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Zu seinen Romanen zählen der Booker-Prize-Gewinner Was vom Tage übrigblieb, eine Geschichte über einen perfekten britischen Butler, dessen Welt sich im Nachkriegs-England langsam auflöst, und die als Merchant-Ivory-Verfilmung mit Anthony Hopkins und Emma Thompson in den Hauptrollen für acht Oscars nominiert wurde. Darüber hinaus schrieb Ishiguro Damals in Nagasaki, Der Maler der fließenden Welt, Die Ungetrösteten und Als wir Waisen waren.

Es war aber Ishiguros sechster und aktuellster Roman, Alles, was wir geben mussten, der seine Erforschung des Menschen und dessen Seele in neue Gefilde brachte. Zur Überraschung seiner Fans und seiner Kritiker schuf er eine literarische Science-Fiction-Fabel, die in einer alternativen englischen Welt der 1990er Jahre angesiedelt ist. Der Wissenschaft ist ein entscheidender Durchbruch geglückt, Jugendliche werden in einem entlegenen Internat auf ihr qualvolles Schicksal vorbereitet, dem sie sich als junge Erwachsene stellen müssen. Erzählt wird die Geschichte von der scheinbar ganz normalen Kathy, wobei Schritt für Schritt, Szene für Szene die ganze schreckliche Wahrheit ans Licht kommt. Von ihrer Herkunft wird berichtet, von ihrem Schicksal, dem sich sie und ihre Freunde sich viel zu früh werden stellen müssen. Angst haben sie alle vor der Zukunft, aber sie wissen auch um ihre Aufgabe, ein Umstand, der sie nur noch enger zusammen schweißt.

Andrew Barrow schrieb in The Independent über Alles, was wir geben mussten: „Er benutzt die Science-Fiction-Parameter dazu, um vom ganz normalen menschlichen Leben zu erzählen, von der menschlichen Seele, der menschlichen Sexualität, von Liebe Kreativität und kindlicher Unschuld“. Jonathan Yardley merkte in The Washington Post an: „Es ist buchstäblich ein Roman über das Menschsein, worin es besteht, was es bedeutet, wie es geehrt oder abgelehnt wird.“

Der Roman wurde 2005 für den Booker Prize, den Arthur C. Clark Award und den National Book Critics Circle Award nominiert, tauchte in zahllosen Jahresbestenlisten auf und wurde vom Time Magazine zum Roman der Dekade gekürt – und von derselben Zeitschrift zu den besten 100 modernen Romanen gezählt, die je geschrieben wurden.

Ishiguro ließ sich für seinen Roman nicht von der Wissenschaft inspirieren, sondern von der Notwendigkeit, dass er eine Gruppe Leute brauchte, deren Lebenszeit sehr begrenzt war. Diese Prämisse brachte ihn in biotechnologische Gefilde, hier konnte er seine „Spender“ und „Betreuer“ zum Einsatz bringen. Diese Leute haben nur kurz zu leben, müssen ihr Leben „spenden“ – und mittels ihres Schicksals lassen sich die fundamentalen Fragen von uns „richtigen“ Menschen ideal diskutieren.

„Ich dachte mir, dass ich mittels dieser eher künstlichen Situation einen frischen, unverbrauchten Blick auf unsere Sterblichkeit würde werfen können“, erklärt Ishiguro. „Mich interessierte nicht so sehr der Umstand des Klonens an sich, sondern vielmehr, was einem als Klon wohl wichtig wäre. Was berührt, was interessiert einen da wirklich? Und so handelt meine Geschichte eher von Freundschaft, von Liebe und davon, was man mit der Zeit anfängt, die einem gegeben wurde.“

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Am Anfang seines Romans sind Kathy, Tommy und Ruth noch Kinder. Sie wissen noch nichts über sich und ihre erschreckende Lage. Das heißt, sie wissen etwas, aber sie wissen nicht wirklich etwas. Man hat ihnen Dinge erzählt, aber man hat ihnen nichts Genaues erzählt. Und dann wird ihnen – wie dem Leser auch – plötzlich mit größter Wucht klar, zu welchem Zweck sie auf der Welt sind. „Die Spannung in meinem Roman baut sich genauso auf, wie wir uns im richtigen Leben erst allmählich unseres Daseins bewusst werden. Schritt für Schritt lernen wir wie unsere Welt und damit unser Leben funktioniert“, führt Ishiguro aus. „Neugierig und zugleich widerwillig erfahren wir die Wahrheit über unser Leben. Die Hauptfiguren meiner Geschichte eint, dass sie von frühester Jugend an beginnen, Fragen zu stellen: Wer sind wir? Warum passieren diese Dinge? Warum sind die Dinge so wie sie sind? Diese Fragen schweißen sie letztendlich auch zusammen.“

Obwohl die Kinder Fragen stellen und durchaus immer wieder auf ihre eigene Weise rebellieren, versuchen sie nie, das System in Frage zu stellen oder ihrem Schicksal zu entkommen. Ihnen wird immer wieder erklärt, dass sie etwas Besonderes sind, ein notwendiger Teil der Menschheit und dass sie ihrer Zukunft, ihrem Schicksal nicht entrinnen können. Also finden sie sich mit ihrem brutalen Schicksal ab, arrangieren sich und versuchen glücklich zu werden – genauso wie wir es auch versuchen würden.

„Die Kinder werden sehr sorgfältig auf ihr Schicksal vorbereitet. Stück für Stück wird ihnen erklärt, was auf sie zukommt. Systematisch werden sie auf ihre Zukunft eingestellt, so dass sie sich nicht allzu sehr aufregen müssen“, erklärt er. „Sie fügen sich, spüren eigentlich keinen echten Schmerz. Wie Kinder dies im Allgemeinen auch tun. Wir leben als Kinder in einer Blase und lernen erst allmählich, was Leben bedeutet.“

Und als diese Blase für Kathy, Tommy und Ruth platzt, gerät ihre Welt ins Wanken. Aber sie klammern sich an die Dinge, die sie haben, vor allem ihre Freundschaft zueinander, deren Wurzeln in Hailsham liegen, wo sie zusammen aufgewachsen sind. Sie sind bereit, ihre Pflicht zu erfüllen, trotz all des Schmerzes, den das Wissen um ihren frühen Tod ihnen bereitet. Ihr Erwachsenwerden wird von der Erwartung eines frühen Todes begleitet.

Schon bald nachdem das Manuskript von Alles, was wir geben mussten fertig war, landete es in den Händen von Ishiguros Freund, dem Drehbuchautor Alex Garland. Garland selbst ist ein renommierter britischer Romancier (Der Strand, Das Koma), der die hoch gelobten Skripts zu 28 DAYS LATER und SUNSHINE verfasst hat, beides Filme, die auch ins Science-Fiction-Genre hineinspielen. Nachdem er Alles, was wir geben mussten gelesen hatte, träumte er sofort davon, den Roman in einen Film umzuarbeiten.

„Das Buch, seine Figuren und Themen sprachen mich so unmittelbar an, dass ich Ishiguro fast schon nach der Hälfte des Buches angerufen und nach den Filmrechten gefragt hätte. Ich musste mich sehr beherrschen, bis zum Ende des Buches zu warten“, erinnert sich Garland.

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Bald darauf entschied sich Ishiguro, der in der Zwischenzeit schon von zahlreichen Filmemachern kontaktiert worden war, Garland sein Vertrauen auszusprechen. „Ich bewundere Alex als Drehbuchautor und als Romancier und hielt ihn sofort für den richtigen Mann für diesen Stoff“, erklärt der Autor.

Von diesem Moment an war Ishiguro integraler Teil des Entwicklungsprozesses. Er gab Garland in Sachen Kreativität zwar carte blanche, aber Garland wollte auf den Input des Autors auf keinen Fall verzichten. „Ishiguro war im kreativen Prozess voll eingebunden, er las alle Fassungen des Skripts und machte dazu seine Anmerkungen“, erinnert sich Garland. „Er half uns dabei, zu entscheiden, wo wir bei der Story kürzen konnten und sagte uns auch, auf was wir keinesfalls verzichten durften. Sogar wenn er nicht direkt in unsere Arbeit involviert war, spürte ich seine Präsenz, weil ich seiner Vorlage so getreu wie nur möglich folgen wollte. Ich sah meine Aufgabe primär darin, Ishiguros Ideen so filmisch wie möglich umzusetzen.“

So gut und differenziert Ishiguros Input auch war, blieb für Garland reichlich Arbeit. Wie im Roman teilte auch Garland die Story in drei Teile. Der erste spielt in Hailsham, wo wir Kathy, Tommy und Ruth kennen lernen, auf den ersten Blick ganz normale englische Schulkinder – und doch stimmt etwas mit ihnen nicht. Man sieht nie ihre Eltern, sie dürfen das Schulgelände nicht verlassen und sie wissen nicht, was in der Welt draußen vor sich geht. Bis Miss Lucy ihnen schließlich eröffnet, dass sie nur dazu da sind, sich für andere Menschen zu opfern.

Im zweiten Teil verlassen Kathy, Ruth und Tommy das Internat und kommen in einem Gehöft namens The Cottages unter. Hier bekommen sie erste Einblicke davon wie die Welt aussieht und wo sie eigentlich herkommen.

Im dritten und letzten Teil des Films – das Kapitel heißt „Erfüllung“ – kommen Kathy, Ruth und Tommy mit sich ins Reine. Sie lernen aus den Fehlern der Vergangenheit, ordnen ihre Hoffnungen und Wünsche richtig ein und fügen sich ihrem Schicksal.

„Zuerst sieht der Handlungsort, die Welt geradezu magisch aus, dann bekommt man das Gefühl als würde man sich im Purgatorium befinden und schließlich steckt man mitten in einem Alptraum, dessen einziger Trost darin besteht, dass man einander liebt,“ fasst Garland zusammen.

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„Und ganz zum Schluss“, führt Garland aus, „kommt man darauf, dass Ishiguro im Prinzip über unser aller Leben schreibt.“

Garland hielt sich für sein Skript sehr nahe an die Dialoge des Romans und versuchte auch, Ishiguros typische Art, seine Geschichte zu erzählen, auf die Leinwand zu übertragen. Die Spannung wird langsam aufgebaut, viele Dinge werden verbal nicht erklärt und erst allmählich erschließt sich einem die Handlung und das Schicksal der Kinder.

„Ishiguro vermittelt einem laufend das Gefühl, dass er gleich eine ganz wichtige Information preisgeben wird – und dann tut er es doch nicht“, sagt Garland. „Und so folgt man der Geschichte stets gespannt und will wissen, welches Geheimnis sie birgt.“

Wie Ishiguro betrachtete auch Garland den Aspekt des Klonens als sekundär. Ihm ging es, wie in der Vorlage, um die elementaren Dinge des Daseins. „Es ist höchst faszinierend wie sich in dieser Story, die vor einem Science-Fiction-Hintergrund spielt, alles um die essenziellen Dinge des Lebens dreht – es geht um Leben und Tod“, schließt Garland.

Mit Ishiguros Segen brachte Garland die Fahnen des Romans zu Andrew Macdonald und Allon Reich, Produzenten der renommierten britischen DNA Films. Dort hatte man schon seinen Roman THE BEACH für die Leinwand bearbeitet und auch seine Skripts zu 28 DAYS LATER und SUNSHINE. Als Regisseur hatte bei all diesen Filmen Danny Boyle verantwortlich gezeichnet.

Macdonald und Reich waren augenblicklich Feuer und Flamme. „Die Story von ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN ist höchst bewegend“, sagt Macdonald. „Sie ist ganz anders als alles, was wir bislang gemacht haben. Im Prinzip ist das Ganze eine tragische Liebesgeschichte. Man hat überhaupt keine Ahnung, wohin sich die Story entwickeln wird – und wenn man es dann herausfindet, wird einem das Schicksal der Kinder nicht mehr aus dem Kopf gehen.“

Reich fügt hinzu: „Ishiguro schafft in seinen Romanen ganz eigene, ganz ungewöhnliche Welten. Die Art wie er erzählt, ist sehr kontrolliert, seine Stimme, sein Tonfall in ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN sind sehr ungewöhnlich. Als Alex zu uns kam und uns sagte, dass er wusste, wie er den Roman adaptieren wollte, war das für uns Grund genug, in das Projekt einzusteigen.“

Das Gefühl, zugreifen zu müssen, erwies sich als richtig. „Alex hat eine hervorragende, feinsinnige Drehbuchfassung des Romans abgeliefert“, so Reich weiter. „Einen Roman wie diesen auf 100 Skriptseiten zu komprimieren und dennoch der Vorlage dabei treu zu bleiben, das ist unglaublich schwierig. Aber Alex hat es geschafft.“

Produktion: Der Regisseur

Nun standen die Produzenten vor einer neuen Herausforderung: Sie brauchten einen Regisseur, der Ishiguros gruselige, melancholische und durchaus auch schöne Welt angemessen für die Leinwand umsetzen konnte. Sie suchten nach einem Mann mit einer eigenen Handschrift, mit einem guten Auge, der die Poesie und den Subtext der Vorlage verstand. Es galt, die Worte in die richtigen Bilder umzusetzen. Dann wurden sie, ganz unerwartet, vom amerikanischen Regisseur Mark Romanek kontaktiert, einem Fan von Ishiguro, der sich schon in den Roman verliebt hatte.

Romanek überraschte die Produzenten. Er hat seine künstlerische Laufbahn als Regisseur von Musikvideos und Werbefilmen begonnen und seinen Durchbruch als Spielfilmregisseur mit dem hoch gelobten ONE HOUR PHOTO geschafft, einem Psychothriller mit Robin Williams als obsessivem Fotoentwickler. Romanek hatte schon jede Menge Ideen wie er Alles, was wir geben mussten umsetzen wollte.

„Mark ist ein unglaublich talentierter Filmemacher, der ausgeprägten visuellen Stilwillen besitzt und viel Herzblut in seine Arbeit mit einbringt. Es war einfach logisch, ihn hier als Regisseur zu verpflichten “, sagt Andrew Macdonald.

Ishiguro war mit der Wahl einverstanden. „Mark kann Bilder erschaffen, die oberflächlich betrachtet ganz normal aussehen, aber wenn man dann genau hinschaut, erkennt man hinter dem glatten Äußeren Unheil und Horror“, weiß der Autor. „Er arbeitet mit seinen Bildern ganz ähnlich wie ich mit meinen Worten, er filmt scheinbar ganz normale Dinge, die sich dann als überhaupt nicht normal entpuppen. Es ist immer etwas Gruseliges da, etwas was einen nervös macht.“

Romanek sagt, dass er sich zu Ishiguros Roman gerade deshalb hingezogen fühlte, weil er wusste, dass dies kein Stoff für einen „normalen“ Film war. Er wusste, dass er auf der Leinwand eine Welt kreieren musste, die nicht die unsere war, die aber trotzdem vertraut und bekannt auszusehen hatte. Dunkel und düster sollte die Stimmung sein, dennoch sollte man Leben und Freude spüren, eine gewisse Trostlosigkeit musste vermittelt werden, aber auch belebende Schönheit – und dieser schwierigen Herausforderung stellte er sich gerne.

„Ich reagierte auf diese Geschichte wirklich heftig, ich fand sie gleichermaßen gewagt und schön. Ich konnte nicht aufhören, an den Roman zu denken, und träumte davon, aus diesem Buch einen Film zu machen“, erzählt Romanek.

Romanek war außerdem von Garlands Adaptation begeistert. „Die Umarbeitung der Vorlage war gewandt und stimmig, eine präzise, kluge Destillation der komplexen Ideen und Emotionen“, erinnert er sich. „Genauso wie ich am Ende des Buches geweint habe, tat ich es auch, nachdem ich das Skript aus der Hand gelegt hatte. Alex hat sein Drehbuch sehr minimalistisch gehalten. Es war knapp und direkt. Das hat mir als Filmemacher besonders gefallen. Das Skript wartete geradezu darauf, auf der Leinwand zum Leben erweckt zu werden.“

 

Und so wurden Romaneks Träume letztendlich zur Leinwandwahrheit. Er fasst abschließend zusammen: „Ganz besonders hat mich gefreut, dass es im Film nicht eine einzige Szene gibt, die ich genauso schon im Kino gesehen habe. Die Natur der Geschichte bedingt, dass jede menschliche Interaktion, die man zu sehen bekommt, bei uns etwas anders aussehen musste. Alles musste sich etwas merkwürdig anfühlen, es musste immer eine gewisse Spannung und auch Pathos da sein. Der Science-Fiction-Aspekt der Story wird sicherlich diskutiert werden, ebenso die Problembereiche Ethos und Moral. Aber für mich ist der Film in erster Linie eine Liebesgeschichte, eine Liebesgeschichte, die umso heftiger berührt, weil ihr nicht viel Zeit gewährt wird. „

Produktion: Die Besetzung

Die Geschichte von ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN mit Leben zu füllen, hieß in erster Linie, die richtigen Schauspieler für die drei ungewöhnlichen Hauptrollen zu finden. Obwohl sie künstlich für inhumane Zwecke geschaffen wurden, gilt es, sie als „echte“ Menschen zu zeichnen, die sich nach gemeinsam verbrachter Kindheit als Erwachsene plötzlich in einem Liebesdreieck wiederfinden und mit ihrem grausamen Schicksal fertig werden müssen.

„Es war von größter Wichtigkeit, Schauspieler auszuwählen, die eine Verbindung zu den Charakteren, die sie spielen sollten, aufbauen konnten, und die auch das Buch mochten“, sagt Romanek. „Um die zu finden, sprachen wir mit vielen der talentiertesten Schauspieler Englands.“

Die Geschichte wird von Kathy erzählt, die sich selbst als „Betreuerin“ beschreibt, eine mysteriöse Figur, deren Bedeutung sich erst im Verlauf der Geschichte erschließt. Die Wahl für diesen Part fiel auf eines der vielversprechendsten Nachwuchstalente des britischen und amerikanischen Kinos, auf Carey Mulligan, die für überzeugendes, naturalistisches Spiel in AN EDUCATION – als Teenager, der einem älteren Hochstapler verfällt – 2009 für einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin nominiert wurde.

„Ich hoffe, dass die Wärme, die Tiefe dieser Charaktere und ihre Liebe zueinander auf der Leinwand rüberkommt“, sagt sie. „Da ist zunächst Kathy, die sich trotz allem, was sie gesehen und erlebt hat, nicht unterkriegen lässt. Des Weiteren Tommy, der als einziger der Drei eigentlich logisch auf die schreckliche Situation, in der sie sich wiederfinden, reagiert und schließlich Ruth, die so menschlich und verletzlich ist, dass man eigentlich gar nicht anders kann als mit ihr zu sympathisieren.“

„Carey ist die ideale Besetzung für eine Story von Ishiguro“, sagt Regisseur Mark Romanek. „Sie ist eine dieser Künstlerinnen, die geradezu allergisch auf jede Art von Klischee reagieren. Nach außen hin agiert sie überaus minimalistisch, innerlich brodelt es aber in ihr. Sie trifft genau den gewünschten Ton. Sie kommuniziert geradezu mit der Kamera, sie weiß genau, was sie geben und wie sie sich verhalten muss, um glaubhaft zu wirken. Um ehrlich zu sein, ihr unglaubliches Talent flößte mir anfangs fast Angst ein, denn es ist schwierig, Wege zu finden, wie man ihr als Regisseur helfen kann. Was ich aber leisten konnte, war ihr zumindest einen ’sicheren‘ Arbeitsplatz zu schaffen, ihr ästhetisch in punkto Kameraarbeit und Produktionsdesign jene Umgebung zu kreieren, in der sie als Kathy lebt. Sie sollte diese andere, fremde Welt richtig spüren können. Careys Spielstil beeinflusste Struktur und Gefühl des Films, er entsprach meiner Vorstellung von Ishiguros Stil. Mit ihrer Hilfe fand ich exakt die Bildsprache, die mit Ishiguros Prosa korrespondiert.

Mulligan hatte den Roman bereits gelesen, als sie sich zum ersten Mal mit den Filmemachern traf. Sie beeindruckte sie mit der Leidenschaft, die sie dem Roman entgegenbrachte und auch durch ihr Mitempfinden für Kathy. Mulligan dazu: „Bei der ersten Leseprobe beschlich mich die Angst, dass Kathy als Charakter vielleicht zu passiv erscheinen würde, weil sie von den Dreien alles am ehesten in sich hineinfrisst. Sie gibt ihre Gefühle nie Preis. Aber andererseits spielt sich bei Kathy ja auch alles unter der Oberfläche ab – und das macht sie zu so einer interessanten Figur.“

Mulligan sprach bei dem Projekt auch an, dass der Film sich klassischer Genre-Kategorisierungen entzog: „Mir gefällt besonders gut, dass der Film nach außen hin gar nicht wie Science-Fiction aussieht. Erst allmählich merkt man, dass man sich in einer Alternativwelt bewegt, die den Hintergrund für diese Liebesgeschichte bildet, in der die Liebenden nicht zueinander kommen können – ganz einfach, weil sie das sind, was sie sind.

Die Romanze zwischen Tommy und Kathy, die nicht nur aus Zeitgründen fast nicht zustande kommt, rührte Mulligan besonders. „Wir legten größten Wert darauf, die Story zwischen Kathy und Tommy richtig zu erzählen“, erklärt sie. „Wir wollten klar stellen, dass zwischen den beiden immer schon eine starke Verbindung bestand. So können sie sich, als sie sich in ihren 20ern wieder treffen, ihrem Glück und ihrer Liebe hingeben – nur dass sie dafür nun fast keine Zeit mehr haben. Es ist tragisch und wunderbar. Und außerdem war es großartig, mit Andrew Garfield zu arbeiten, der Tommy spielt. Er ist ein brillanter Schauspieler, der nicht zweimal das Gleiche macht.“

Kathys Beziehung zu ihrer besten Freundin Ruth ist wesentlich komplexer und schwieriger. Das liegt darin begründet, dass diese sie in der Jugend hintergeht und Kathys einzige Chance auf Liebe sabotiert. Ruth wird von einer der begehrtesten englischen leading ladies Keira Knightley gespielt, die sich besonders in Literaturverfilmungen hervorgetan hat. So war sie unter anderem – Oscar- und Golden-Globe-nominiert – als Elizabeth Bennett in Joe Wrights Jane-Austen-Adaption PRIDE AND PREJUDICE sowie – ebenfalls Golden-Globe-nominiert – in dessen Ian-McEwan-Umsetzung ATONEMENT zu sehen. Weltweite Berühmtheit erlangte sie als Säbel-schwingende Elizabeth Swann in der Box-Office-Hit-Serie PIRATES OF THE CARIBBEAN („Fluch der Karibik“, 2002, 2006, 2007).

Die Filmemacher waren von ihrem überragenden Spiel begeistert. „Ruth ist temperamentvoll und manipulativ. Obwohl sie und Kathy im Grunde Busenfreundinnen sind, ist sie eigentlich der Bösewicht der Geschichte. Es war toll anzusehen, wie sie hier mal eine ganz andere Art von Figur verkörpert“, sagt Andrew Macdonald.

Knightley gibt unumwunden zu, dass es einige Zeit brauchte, bis sie sich in Ruths komplexen Charakter einfand. „Als ich das Skript zum ersten Mal las, ging ich mit Ruth sehr streng ins Gericht. Sie versucht, das Glück zweier Menschen zu zerstören – und ich musste herausfinden, warum jemand so etwas tut“, erklärt sie. „Aber genau das machte meine Aufgabe so interessant. Ich verstand, dass Ruths Taten daher rühren, dass sie ohne Eltern aufgewachsen ist und nie Liebe erfahren hat. Als sie erkennt, dass ihre beiden besten Freunde sich ineinander verlieben, weckt das ihren Neid. Als ich das begriffen hatte, empfand ich größte Sympathie für Ruth. Es gibt keine Entschuldigung dafür, was sie getan hat, aber ich verstehe ihre Beweggründe und fühle mit ihr.“

Ein weiterer Grund für Knightley an diesem Film mitzuwirken war, dass sie wieder mit Carey Mulligan zusammen spielen konnte, die in PRIDE AND PREJUDICE ihre Schwester verkörpert hatte. „Carey ist eine phänomenal begabte Schauspielerin und es war mir eine Freude, wieder neben ihr aufzutreten“, sagt Knightley. „Sie versieht den Part der Kathy mit dem gewissen Etwas. Es ist wirklich faszinierend anzusehen. Es ist ein wahrlich schwieriger Part und es war toll, ihr dabei zuzuschauen, wie sie ihn zum Leben erweckt.“

Dass die beiden auch im wirklichen Leben miteinander befreundet sind, hat ihrem Spiel zusätzlich geholfen. „Es ist viel einfacher, in schwierige Bereiche vorzustoßen, wenn man einen Partner hat, den man kennt“, kommentiert Mulligan. „Unser Spiel hat sich geradezu instinktiv ergeben und das sieht man auf der Leinwand. Und was Keira im ‘Vollendungsstadium‘ geleistet hat, war wirklich herzzerreißend.“

Romanek ergänzt: „Dass Carey und Keira auch im richtigen Leben Freunde sind, hat ihr Spiel noch glaubwürdiger gemacht. Man scheint ihre Nähe förmlich zu spüren. Ich glaube nicht, dass das zwei noch so gute Schauspielerinnen, die sich im Vorfeld nicht kannten bzw. befreundet waren, so gut hinbekommen hätten.“

Der Dritte im Bunde ist Tommy. Auch er besucht das Internat in Hailsham und wird vom Strudel der Ereignisse mitgerissen. Er ist ein sensibler Kerl, der zu emotionalen Ausbrüchen neigt– und er ist der einzige des Trios, der einen Moment lang glaubt, seinem bzw. ihrem vorbestimmten Schicksal entfliehen zu können. Er hofft, nicht das tun zu müssen, wofür er und seine Mitschüler in Hailsham ausgebildet wurden. Bei der Besetzung dieser Rolle gingen die Filmemacher ein gewisses Wagnis ein und übertrugen sie einem jungen Schauspieler, der erst am Anfang seiner Karriere steht: Andrew Garfield. Er bekam für seinen Part in BOY A – da ist er ein ehemaliger Häftling, der als Kind ein schreckliches Verbrechen begangen hat – hervorragende Kritiken und wurde vor Kurzem der Öffentlichkeit als neuer Spiderman vorgestellt.

„Andrew war einer der ersten, der für den Part des Tommy vorsprach. Und als wir ihn sahen und hörten, war uns eigentlich klar, dass wir ihn besetzen mussten,“ erinnert sich Allon Reich.

Dem pflichtet Romanek bei: „Ich war sofort von ihm angetan, nachdem ich ihn in LIONS FOR LAMBS („Von Löwen und Lämmern“, 2007) und BOY A gesehen hatte. Er ist bezüglich der Annäherung an seine Rollen einfühlsam und originell. Das heißt, man sieht ihm gerne dabei zu und wird auch immer wieder überrascht.“

Für Garfield, der den Roman sehr mag, bedeutete es eine große Ehre, den Tommy zu spielen. „Es war für mich eine große Verantwortung, den Tommy so zu verkörpern, wie Ishiguro ihn angelegt hat“, gesteht er.

„Tommy wird von den Wächtern als jemand beschrieben, der ein großes Herz besitzt, aber auch zu schrecklichen Wutausbrüchen neigt. Ich glaube, das trifft den Kern der Figur gut“, erläutert Garfield. „Er ist eine sehr intuitive und instinktive Person, er spürt alles mit jeder einzelnen Pore seines Körpers. Er weiß zunächst vielleicht nicht bewusst, was so alles um ihn herum vorgeht, aber unbewusst spürt er all die Dinge, die passieren werden. Ich habe es wirklich genossen, ihn zu spielen, weil er eine dieser seltenen Personen ist, die die Welt eher gefühlsmäßig als analytisch und logisch deuten.“

Garfield gefiel obendrein die Liebesgeschichte zwischen Tommy und Kathy. „Es ist fast so als wären sie zwei Magnete, die einander anziehen, aber irgendetwas weiß das immer zu vereiteln“, sagt er. „Es ist für sie toll und verändert ihr Leben, aber es liegt auch ein Fluch auf ihrer Beziehung – denn sie haben so viel von ihrer kostspieligen Zeit einfach verschwendet.“

„Mit Carey und Keira zu arbeiten, war das pure Vergnügen“, fügt Garfield hinzu. „Es war, als würde man jeden Tag zum Spielplatz gehen, eine wunderschöne Erfahrung. Wir wollten alle dasselbe – die Geschichte in Ehren halten, ihre Stimmung und unsere Figuren richtig rüberbringen. In diesem Punkt stimmten wir vollkommen überein und vertrauten einander.“

Romanek war vom Trio Mulligan, Knightley und Garfield mehr als begeistert, von ihren Einzelleistungen, aber auch von ihrer Arbeit als Team. „Sie haben mich mit ihrer emotionalen Intelligenz immer wieder überrascht. Sie haben die Tiefen ihrer Parts ausgelotet und dies mit Freude und Leichtigkeit getan. Alle drei haben eine ganz eigene Art zu spielen. Andrew arbeitet sehr direkt und überraschend, Keira ist, glaube ich, eher kopfgesteuert und Carey experimentiert – und zusammen füllten sie die Geschichte mit Seele und Geist, gaben ihr Tiefe und Sinn. Sie sprechen nicht einfach nur ihre Dialogzeilen, sie kreieren im Wortsinn Kunst – und das ist angesichts ihres Alters wirklich erstaunlich.“

 

Als nächstes machten sich die Filmemacher daran, die Schauspieler zu finden, die Kathy, Ruth und Tommy als Kinder spielen sollten, zu der Zeit also, in der sie sich im Internat Hailsham kennen lernen. Dieses Trio zu finden, erwies sich als noch kniffeliger als die Besetzung der erwachsenen Freunde – vor allem, weil sie im Zentrum des ersten Kapitels stehen, in dem die Tonalität des Films vorgegeben wird.

„Ein Umstand, der mich beim erstmaligen Lesen des Skripts wirklich eingeschüchtert hat, war, dass der komplette erste Akt von Zwölfjährigen getragen werden musste“, gesteht Romanek. „Hierfür die richtigen Kinder, die richtigen Schauspieler zu finden, war eine echte Herausforderung.“

Man suchte nach Kindern, die nicht nur schon sehr reife und gute Schauspieler waren, sondern zudem auch noch nach solchen, die in Aussehen und Gebaren Carey, Andrew und Keira ähnelten. Um dies zu gewährleisten, bat Romanek seine „alten“ Schauspieler, ihm Jugendfotos zu bringen, die er beim Casting immer wieder zu Rate zog.

Und schließlich war es soweit, man hatte drei bemerkenswerte Nachwuchstalente gefunden: Die 13-jährige Isobel Meikle-Small aus Brighton wurde als junge Kathy besetzt, die zwölfjährige Ella Purnell aus London als Ruth sowie der 13-jährige Charlie Rowe, bekannt aus THE GOLDEN COMPASS („Der goldene Kompass“, 2007), als Tommy. Reich dazu: „Es war ein langwieriger Prozess, aber wir fanden für die Parts drei außergewöhnlich begabte Kinder. Sie sahen nicht nur genauso aus, wie wir uns das gewünscht hatten, nein, Isobel, Ella und Charlie sind obendrein vorzügliche Schauspieler und überhaupt nicht gehemmt. Die drei verstanden sich hervorragend.“

Um den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenalter noch glatter und glaubwürdiger vollziehen zu können, bat Romanek seine drei Paare – Carey und Isobel, Keira und Ella sowie Andrew und Charlie – so viel Zeit wie nur möglich miteinander zu verbringen, sowohl vor wie auch während des Drehs. „Sie hingen sehr viel miteinander ab und lernten sich so sehr gut kennen“, erinnert er sich. „So eigneten sich die jungen Schauspieler die Manierismen der älteren an und umgekehrt. Sie unterhielten sich über das Leben als solches und über die Schauspielerei. Ich glaube, sie haben viel voneinander gelernt.“

Im Internat Hailsham werden Kathy, Ruth und Tommy von so genannten „Wächtern“ und Lehrern betreut, deren Aufgabe darin besteht, die Kinder auf ihre zukünftigen Aufgaben vorzubereiten. Ein schwieriges, unerfreuliches Unterfangen, sind sie doch selbst von ihrer unheimlichen Mission eigentlich überfordert. Diese Erwachsenen sind für die Kinder einziger Elternersatz und – obwohl so nicht vorgesehen – üben sie auf ihre Schützlinge einen ungeheuren Einfluss aus, wecken deren Hoffnungen und stärken deren Glauben.

Die Schlüsselfigur der Schule ist die Direktorin Miss Emily, gespielt von der englischen Schauspielikone Charlotte Rampling. Zu den Filmen, in denen sie mitgewirkt hat, zählen Klassiker wie STARDUST MEMORIES („Stardust Memories“, 1980), THE VERDICT („The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“. 1983) oder, aus jüngerer Vergangenheit, Francois Ozons THE SWIMMING POOL („Swimming Pool“, 2003). „Ich bin seit Teenager-Tagen ein Riesen-Fan von Charlotte und mit ihr zu arbeiten, war ein Traum“, sagt Romanek. „Für die Kinder ist Miss Emily eine Gott-gleiche Figur und Charlottes Autorität und Charisma waren genau das, was wir für diesen Part brauchten.“

Rampling erzählt, dass die Rolle ihr Interesse geweckt hatte, nachdem sie das Drehbuch gelesen hatte. Ihr gefiel, dass das Skript so nahe am Roman blieb, den sie mit Begeisterung gelesen hatte. „Natürlich kann man den Roman nicht hundertprozentig in ein Drehbuch verwandeln, aber was Alex Garland geleistet hat, ist wirklich bemerkenswert“, kommentiert sie.

Miss Emily, die sich strikt an den Status Quo hält und keine Veränderungen wünscht, kommt mit einer jungen Lehrerin in Konflikt. Miss Lucy lehnt sich gegen die herrschende Politik des Schweigens auf, die an der Schule gepflegt wird, und beschließt, den Kindern zu sagen, welcher Zukunft sie entgegenblicken. In die Rolle der Miss Lucy schlüpft Sally Hawkins, die als etwas andere Pädagogin in Mike Leighs HAPPY-GO-LUCKY („Happy-Go-Lucky“, 2008), einer Ode an die Kraft des ungebrochenen Optimismus, einen Golden Globe gewann.

„Als Sally in die engere Auswahl kam, wusste ich gleich, dass sie spektakulär sein würde“, sagt Romanek. „Sie besitzt diese Sensibilität und Verletzlichkeit, die perfekt zum Part der Miss Lucy passen. Wenn Sally als Miss Lucy den Kindern erzählt, welch grausames Schicksal auf sie wartet, dann bricht einem das das Herz.“

Für der Rolle der mysteriösen Fremden schließlich, die in Hailsham alle nur Madame nennen und die die Kunstwerke der Kinder für eine unbekannte „Galerie“ auswählt, griffen die Filmemacher auf die bekannte französische Schauspielerin Nathalie Richard zurück. Sie war unter anderem in Michael Hanekes CACHÉ („Caché“, 2005), Olivier Assayas‘ IRMA VEP („Irma Vep“, 1996) oder James Ivorys LE DIVORCE („Eine Affäre in Paris“, 2003) zu bewundern.

Produktion: Das Design

Kazuo Ishiguros Roman bezieht seine Kraft nicht nur aus dem kurzen Leben seiner Charaktere, sondern auch aus seiner Atmosphäre. Alle Beteiligen von ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN – angefangen von Regisseur Mark Romanek bis hin zum letzten Mitarbeiter des Teams – wollten die Stimmung der Vorlage in jedem Bild des Filmes sichtbar werden lassen.

„Ich wollte visualisieren, was ich empfand, als ich das Buch erstmals gelesen habe“, erklärt Romanek, „und ich hatte eine ganz bestimmte Idee, wie ich das realisieren wollte. Wir beschlossen, auf typische Science-Fiction-Bilder vollkommen zu verzichten. Stattdessen schwebte uns ein etwas schräger Look vor, einer, der schwer zu fassen ist, einem aber doch gestattet, zu glauben, dass das, was man sieht, was passiert, wirklich ‚wahr‘ ist.“

Im Gegensatz zu den meisten Geschichten, die mit der Biomedizin „spielen“, ist ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN nicht in der fernen Zukunft und auch nicht in der nahen angesiedelt. Die Geschichte spielt vielmehr in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts und postuliert, dass die Regeln menschlicher Sterblichkeit sich im Nachkriegs-Großbritannien verändert haben. „Eine unserer zentralen Ideen war, dass der Film in einer alternativen Realität spielt. Wir befinden uns nicht im Morgen, sondern im Gestern“, führt Produzent Allon Reich aus. „Das macht das Ganze irgendwie zeitlos.“

Von dieser Prämisse ausgehend, betraten die Filmemacher cineastisches Neuland. „Es gab keine Referenzpunkte, das war wirklich spannend“, führt Romanek aus. „Der einzige Film, der mir vergleichsweise einfiel – und der auch nur ganz vage ähnlich ist – ist FAHRENHEIT 451 („Fahrenheit 451“, 1966) nach Ray Bradburys Roman. Unsere Strategie bestand darin, uns zunächst einmal auf die drei wichtigsten Locations zu konzentrieren. Das sind eigentlich ganz normale, sattsam bekannte Institutionen: eine Schule, eine Farm oder ein Gut sowie ein Krankenhaus. Der elementare Trick unseres Films bestand nun darin, diese bestens bekannten Orte irgendwie merkwürdig erscheinen zu lassen – und zwar so, dass man nicht weiß, warum hier etwas komisch ist. Genau aus diesem Umstand bezieht Ishiguros Roman unter anderem seine Spannung.“

Um diese Welt zu kreieren, die irgendwie außerhalb ihrer Zeit existiert, engagierte man eine Gruppe kreativer Filmemacher, den Chefkameramann Adam Kimmel, den Produktionsdesigner Mark Digby, die Kostümbildner Rachael Fleming und Steven Noble sowie den Make-up-Designer Sian Grigg. „Es war eines der besten Teams, mit dem ich bislang kooperiert habe“, freut sich Andrew Macdonald. „Die Leidenschaft fürs Material, fürs Drehbuch und für den Roman einte alle.“

Visuell ließ sich Romanek von einem Lieblings-Regisseur Ishiguros inspirieren: dem Japaner Mikio Naruse. Der hatte in den 1950er und 1960er Jahren so genannte „shomin-geki“ in Szene gesetzt, elegant erzählte Arbeiterklasse-Dramen, die vor ganz einfach gehaltenem Hintergrund spielen. „Naruse beschränkt sich gern, hält alles simpel, aber erzählt auch mit tiefem Pathos. Darin gleicht er Ishiguro“, weiß der Regisseur. „Seinen Filmen wohnt diese Faszination für Vergänglichkeit inne, für den Wert von Zeit. Wir wollten seinen Stil nicht kopieren, aber nachdem wir seine und andere japanische Filme jener Zeit angesehen hatten, ließen wir uns von ihnen definitiv in der einen oder anderen Hinsicht beeinflussen.“

Die unterschiedlichen Drehorte des Films waren stets eng mit den Charakteren verknüpft. So war es wenig verwunderlich, dass Romanek das Produktionsteam bat, für seine Darsteller entsprechende Probenräume zu entwerfen. „Sehr zum Verdruss der Bauabteilung wollte ich meine Schauspieler so früh wie möglich an die spezielle Umgebung gewöhnen, in der sie agieren würden“, sagt er. „Ich wollte, dass sie früh die Tonalität begriffen, die ich für den Film wollte.“

Um den richtigen Look für den Film zu kreieren, kooperierte Romanek eng mit Kameramann Adam Kimmel, der die Herausforderung, das Schöne und Lyrische mit dem Hässlichen und Beunruhigenden zu vermengen, gerne annahm. „In vielerlei Hinsicht ergab sich der Stil unseres Films sowie dessen Tempo und Ästhetik aus der Kombination dessen, was Adam und ich als ideal für die Schauspieler erachteten“, erklärt der Regisseur. „Wir wollten eine visuelle Welt erschaffen, in der unsere Darsteller sich wohl fühlten und zu Recht fanden. Ich habe mit Adam schon mehrmals bei TV-Werbefilmen zusammengearbeitet, aber das hier war eine ganz andere, neue Erfahrung, hier mussten wir Ishiguros Roman in Bilder umsetzen.“

„Ein sehr interessanter Aspekt bei Ishiguro, besonders bei diesem Buch, ist, wie er japanische Sensibilitäten mit englischem Lokalkolorit und britischer Kultur synchronisiert. Deshalb habe ich sehr viel Zeit darauf verwandt herauszufinden, wie man japanische Ästhetikentwürfe in dieser sehr englischen Welt unterbringt. Die Idee von ‚Mono No Aware‘ (Empathie gegenüber Dingen) beispielsweise, von ‚Wabi Sabi‘ (Schönheit, die nicht perfekt, nicht von Dauer und nicht vollendet ist) und ‚Yugen‘ (perfekte Grazie und Feinheit), alles Konzepte und Motive, die viel von japanischer Kunst und Kultur verraten“, erläutert Romanek.

Für die Texturen und Konturen dieser ungewöhnlichen Welt war Produktionsdesigner Mark Digby zuständig, der für seine Arbeit zu SLUMDOG MILLIONAIRE („Slumdog Millionär“, 2008) eine BAFTA-Nominierung erhalten hat. Digby erkannte sogleich, dass er bei dieser Produktion mit seinen Designs Neuland betreten würde und eine ganz besondere Kreativität gefragt war.

„Ishiguros Schreibstil ist knapp, kontrolliert und evokativ, ohne dabei aber übermäßig spezifisch zu sein“, merkt er an. „Er führt seine Leser an Orte, die dieser zu kennen meint, er ruft scheinbar bekannte Gefühle in einem wach, siedelt all dies aber in einer alternativen Welt an. Entsprechend gingen auch wir sehr kontrolliert vor, hielten uns mit unseren Designs zurück. Unsere Idee bestand im Wesentlichen darin, die Dinge so zu entwerfen und zeigen, dass sie einem bekannt vorkamen. Aber wir verzichteten auf detaillierte Ausarbeitungen und so bekommt man die Dinge nicht wirklich zu fassen.“

Die richtige Farbpalette war auch von entscheidender Bedeutung. „Wir ließen die Finger von den Primärfarben“, erzählt der Designer. „Wir nutzten gedeckte Farben, sogar verwaschene – dies verstärkt den merkwürdigen Look.“

Die drei Kapitel des Films haben jeweils auch ihre „eigenen“ Farben. „Im Internat Hailsham ist alles dunkel, sehr holzlastig, es dominieren Braun- und Grüntöne“, erläutert Digby. „Auf der Farm namens The Cottages benutzten wir im Prinzip dieselben Farben, aber alles ist hier heller, organischer, luftiger und heiterer. Im letzten Kapitel wird es dann medizinisch und wissenschaftlich, entsprechend haben wir viel Blau und Silber eingesetzt.“

Digbys Team suchte in ganz Großbritannien nach geeigneten Gebäuden, die sich nicht zwingend historischen Perioden zuordnen ließen. Als Hailsham hielten die Fassaden von Ham House her, ein Herrenhaus im Stuart-Stil des 17. Jahrhunderts, das am Ufer der Themse steht. Es besitzt pastorale Qualitäten, ausgedehnte Gärten mit Steinbänken. Ein idealer Ort für ein abgelegenes Internat – nicht zu vergessen, dass dieses Anwesen im Ruf steht, von besonders vielen Geistern heimgesucht zu werden. Perfekt in Sachen Beunruhigung und Grusel.

The Cottages, die ländliche Zwischenstation, auf der die drei Hailsham-Schüler leben, ehe sie ihrer Bestimmung zugeführt werden, war eine Farm in Hertfordshire. Weitere wichtige Drehs fanden außerdem am Clevedon Pier, im Seebad Bexhill – hier „entdeckte“ man das Haus von Madame – und am atmosphärischen Strand von Holkam in Norfolk statt, wo sich Kathy, Ruth und Tommy kurz vor dem Höhepunkt des Films in den ausladenden Dünen noch einmal treffen. Nicht zu vergessen ein altes Krankenhaus, das als das Kingsfield Erholungszentrum ausgestattet wurde.

Produktion: Die Kostüme

Dasselbe Prinzip, das für das Design angewendet wurde, galt natürlich auch für die Kostüme von Rachael Fleming (TRAINSPOTTING, BRIDGET JONES’S DIARY („Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück“, 2001), 28 DAYS LATER) und Steven Noble, der bei BRIDGET JONES’S DIARY und THE BEACH Flemings Assistent gewesen war.

„Der Film war in punkto Kostümdesign eine echte Herausforderung“, kommentiert Noble, „weil er in einem parallelen Universum spielt, das sowohl an unsere jüngere Vergangenheit, die 70er, 80er und 90er Jahre, erinnern soll, aber gleichzeitig auch zeitlos aussehen musste. Das war ein schmaler Grat, auf dem wir uns bewegen mussten.“

Das Duo brachte viel Second-Hand-Ware zum Einsatz, sichtbar getragene, recht exzentrische Stücke, die man gerne in versteckten Ecken von Gebrauchtwarenläden findet. Sie schrieben auch zahlreiche britische Internate an und baten sie, ihnen gebrauchte und ausgemusterte Schuluniformen zuzuschicken, die dann, wild miteinander kombiniert, als Hailsham-Outfits zum Einsatz kamen. „Die Kinder identifizieren sich mit nichts und niemandem – können dies ja auch gar nicht –, also haben wir ihre Uniformen sehr schlicht gehalten. Es gibt keine Streifen, Muster oder Wappen“, erklärt Fleming. „In Sachen Stil sind sie vollkommen unbedarft – bis auf die flüchtigen Eindrücke, die sie von der Welt außerhalb ihrer Schule erhaschen.“

Das Lehrpersonal ist, so Noble, „konservativ schick“ ausgestattet. „Wir haben 60er-Jahre-Schnitte verwendet und dazu Stoffe verarbeitet, die einen klassischen Touch besaßen, aber keiner spezifischen Epoche, keinem spezifischen Ort zugeordnet werden konnten“, führt er aus.

Wenn die Kinder dann erwachsen sind und nach The Cottages ziehen, tragen sie Kleidungsstücke, die ihnen in einer Art Altkleidersammlung gespendet werden, kurz bevor sie Hailsham verlassen. „Die Herausforderung bei den Cottage-Kostümen bestand darin, dass sie abgetragen und ausgemustert aussehen, aber auch die vorzüglichen Schauspieler bei ihrer Arbeit ‚unterstützen‘ mussten“, erklärt Fleming.

Und so schuf das Team im Endeffekt ein England, das ganz anders aussieht als all die anderen Darstellungen von England, die man aus dem Kino kennt. „Unser England ist alles andere denn ansprechend“, sagt Romanek. „Nichts leuchtet hier, nichts ist in unserem Film neu und frisch. Alles ist düster, gebraucht, abgelebt. Hier kommt die bereits erwähnte Idee von Wabi-Sabi ins Spiel. Die Zeit verrinnt bei uns sichtbar, nichts ist von Dauer. Tick, tack, tick, tack… In fast jeder Einstellung sind irgendwelche Arten von Uhren zu sehen, denn es geht ja primär darum, wie die Zeit vergeht und wie wertvoll diese ist. Das schlug sich sogar in unserem Sounddesign nieder – nicht nur die Uhren symbolisieren den Lauf der Zeit, sondern auch der Wind und der natürliche Rhythmus der Natur.“

Als der Film schließlich fertig war, unterzogen die Filmemacher ihn einem letzten, ultimativen Test: Sie zeigten ihn Ishiguro. Romanek erinnert sich: „Es herrschte eine nervöse Unruhe, in gewissem Sinn sogar Angst, als wir ihm unseren ersten Rohschnitt zeigten. Wir warteten alle draußen vor dem Vorführraum… und er schien den Film wirklich zu mögen. Er hatte einige konstruktive Kommentare, aber insgesamt schien er begeistert. Das war für uns alle eine Riesenerleichterung. Wir waren angetreten, diesen Film zu machen, weil wir den Roman so schätzten – und dabei wussten wir schon von Anfang an, dass der Film unabhängig vom Buch würde bestehen müssen. So war es ein höchst befriedigendes Gefühl zu wissen, dass wir – in seinen Augen – seinem Roman treu geblieben waren, dabei aber eine ganz eigene Version fürs Kinopublikum erstellt hatten.“

Ishiguro sagt abschließend: „Ich hoffe, dass das Publikum sich zunächst denken wird: ‘Was ist denn das für ein merkwürdiger, gruseliger Film über merkwürdige Menschen?‘ Aber dann, im weiteren Verlauf von ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN, wünsche ich mir, dass die Zuschauer erkennen, dass es eine Geschichte über uns ist. Immer mehr, immer stärker sollen sich die Zuseher mit Kathy, Tommy und Ruth identifizieren und erkennen, dass sie in ihrem Leben eigentlich dasselbe durchmachen wie wir in unserem.“

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