Der neue Film unter der Regie von Caroline Link bringt den Kinder- und Jugendbuchklassiker als berührende Familiengeschichte auf die Kinoleinwand.
Berlin, 1933: Anna Kemper ist neun Jahre alt und ein glückliches Kind, das seine Familie und sein Zuhause liebt. Bis auf einmal die Welt anfängt, sich zu ändern. Denn die Nationalsozialisten übernehmen das Land und als jüdische Familie sind die Kempers in Deutschland bald nicht mehr sicher. Und so entschließt sich Annas Vater, in die Schweiz zu fliehen, um seine Frau, Anna und ihren Bruder später nachzuholen. Als Anna ihr Zuhause verlässt, muss sie fast alles zurücklassen. Sogar ihr geliebtes rosa Stoffkaninchen, das sie ihrer Zugehfrau Hempi anvertraut. Hempi verspricht, auf das Kaninchen aufzupassen. Während Anna und ihre Familie immer wieder die Gefahr der Verfolgung durch die Nationalsozialisten spüren, die sie weiterziehen lässt. Auf der Suche nach einem neuen sicheren Zuhause. Judith Kerr veröffentlichte den autobiografischen Kinder- und Jugendbuchklassiker ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL im Jahr 1971. Das Buch gewann zahlreiche Preise und gehört bis heute zum festen Lesekanon in vielen Schulen. Nun haben die Regisseurin Caroline Link und die Drehbuchautorin Anna Brüggemann die Geschichte auf die große Kinoleinwand gebracht. Gelungen ist ihnen und dem gesamten Team eine liebevolle, berührende und mitreißende Verfilmung, die genau den Ton der Vorlage trifft und sowohl als Kinder- und Jugendfilm als auch als Familienfilm funktioniert. Die Hauptfigur Anna, die von der Neuentdeckung Riva Krymalowski mit hinreißend entwaffnender Offenheit verkörpert wird, schafft es, die kindliche Perspektive auf dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte konsequent durchzuhalten, ohne das Thema zu „verniedlichen“. Die konstante Bedrohung und Existenznot, die die Familie erfährt, wird aus der Sicht eines Kindes erzählt - und somit auch aus dessen Lebensrealität. Und so gibt es neben vielen emotionalen Sequenzen auch heitere Momente, wenn Anna und ihr Bruder Max versuchen müssen, sich in der jeweils neuen Heimat zurechtzufinden und regelrechte Rituale des Ankommens und des Abschieds entwickeln. Ausstattung, Kostüm und Maske sind exzellent, auch Kamera- und Tonarbeit stehen dem in nichts nach. Das Darstellerensemble, in dem Oliver Masucci, Carla Juri, Ursula Werner und Justus von Dohnanyi als Erwachsene ihre Rollen souverän spielen, überzeugt bis in die Nebenrollen, gerade auch im Zusammenspiel von Riva Krymalowki und Marinus Hohmann als ihr Bruder Max. ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL ist mehr als eine berührende persönliche Geschichte eines kleinen Mädchens. Es ist eine universelle Geschichte über Flucht und Verfolgung und der Suche nach einer Heimat und Sicherheit.
Jurybegründung:
Wenn die Verfilmung eines Flüchtlingsschicksal ganz im Stil gängiger Jugendfilme wie OSTWIND beginnt, dann können schon einmal die Alarmglocken klingen. Doch bei der Verfilmung des erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchklassikers „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ besteht dazu kein Anlass. Zwar ist Regisseurin Caroline Link mit der Anlehnung an populäre Kinder- und Jugendfilme ein Wagnis eingegangen, allerdings kann sie mit diesem Wagnis ihr Zielpublikum sicherlich schnell gewinnen. Gleich in der ersten Szene wohnen die Zuschauer einer Faschingsfeier bei. Begleitet von treibender Musik tollen verkleidete Kinder durch ein Zimmer und auch das Auftauchen deutschen Jungvolks vermag den Mummenschanz kaum zu stören. Ein Jahr vor Hitlers Machtergreifung scheint die Kinderwelt noch heil. Noch! Denn was kommen wird, ist den kleinen Akteuren nicht bewusst.
Auch 48 Jahre nach Erstveröffentlichung gehört Judith Kerrs 1971 zum ersten Mal erschienener Roman „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ noch immer zum Lesestoff in Deutschlands Schulen. Und tatsächlich ist die Geschichte der neunjährigen Anna, die mit ihrer Familie aus Nazi-Deutschland flieht, stets aktuell geblieben.
Caroline Links Neuverfilmung erzählt die Geschichte der Flucht aus Nazideutschland konsequent auf Augenhöhe ihrer kleinen Protagonistin. Dadurch ergibt sich eine äußerst interessante Perspektive. Da Anna selber nie direkten Kontakt mit Nationalsozialisten und ihren Gräueltaten hat, bleibt die Gefahr, die von ihnen ausgeht, sogar für die Zuschauer mit reichlich Kenntnis von Nazideutschland stets genauso imaginär wie auch deutlich latent spürbar. Insbesondere ihre Eltern werden für Anna zur Projektionsfläche des Geschehens in der großen, weiten Erwachsenenwelt. Eine Idee, die gut funktioniert und die die Jury absolut überzeugt hat.
Ein wenig krititscher wertet die Jury dagegen den insgesamt doch recht melodramatischen Charakter des Films. Jedes Gefühl, jede noch so kleine Regung dramatisiert Caroline Link mit entsprechender Musik. In der Diskussion zeigte sich, dass die Jury den Zuschauern hier gerne ein wenig mehr interpretatorischen Freiraum gegönnt hätte. Die Kamera erschien ihr, im Gegensatz dazu, hin und wieder zu wenig inspiriert und beliebig.
Als sehr überzeugend hat die Jury die schauspielerischen Leistungen gewertet. Insbesondere die Figur der Anna sieht sie mit Newcomerin Riva Krymalowski hervorragend besetzt. Gerade die kindliche Offenheit, die sie während des gesamten Films verkörpert, hat die Jury vollends überzeugt.
ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL ist ein insbesondere auf die Filmerfahrungen eines jüngeren Publikums zugeschnittener Film, der nicht nur die NS-Zeit und den Holocaust thematisiert, sondern vor allem auch Flucht, Vertreibung und Heimatlosigkeit. Themen, die heute mehr denn je zu zentralen Themen unsere Gesellschaft geworden sind. Und damit eben Themen, die auch filmisch weder früh, noch oft genug behandelt werden sollten.
FBW-Jugend-Filmjury:
(www.jugend-filmjury.com)
In der Verfilmung des Kinderbuches von Judith Kerr muss Anna mit ihrer jüdischen Familie 1933 vor der Verfolgung der Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen. Dort leben sie in einem idyllischen Alpendorf. Doch auch da finden sie kein neues Zuhause, denn hier findet der Vater, der mit Herzblut an seinem Beruf als Theaterkritiker hängt, keine neue Anstellung. Wegen Geldsorgen zieht die Familie weiter nach Paris. Die neunjährige Anna ist ein aufgewecktes und selbstbewusstes Mädchen, welches sich auf der Flucht genau wie ihr großer Bruder Max und ihre Eltern an neue Länder, Kulturen und Lebensverhältnisse gewöhnen muss. Es ist ein sehr lehrreicher Film, der einen anderen Blickwinkel auf das Thema Flucht gibt, sowohl damals, als auch heute, weil er auf sehr berührende Weise Antisemitismus und das Flüchten aus dem Heimatland behandelt. Dank diesem geschichtlichen Film können wir uns gut vorstellen, wie schwer es ist, von seiner Heimat Abschied nehmen zu müssen. Wir finden es ergreifend, wie sich Anna sehr traurig von den Sachen in ihrem Umfeld in der passenden Sprache verabschiedet. Daran haben wir gemerkt, wie schnell ihr die Sachen ans Herz gewachsen sind. Wir finden, dass es nicht viele, aber dafür gut gewählte Schnitte gibt. Die Kamera ist oft mitgelaufen und war nah an den Menschen. Dadurch haben wir das Gefühl, dass wir mitten im Geschehen sind. Altmodische Fahrzeuge und Outfits passen sehr gut zu der Zeit des Films. Die spannend erzählte Geschichte wird durch die herausragend besetzten Rollen gut interpretiert. Wenn zum Beispiel Max und Anna sich streiten, kann man sich in beide Personen hineinversetzen. Wie lange die Familie auf der Flucht ist, erkennt man auch daran, dass Anna mit der Zeit aus ihrer Kleidung wächst.Wir und bestimmt auch alle anderen ab 11 Jahren könnten Stunden über den Film reden und nachdenken. Er hat es auf jeden Fall geschafft, einen nachhaltigen Eindruck bei uns zu hinterlassen.
spannend: 4 Sterne
realistisch: 5 Sterne
traurig: 4 Sterne
tiefgründig: 4 Sterne
berührend: 5 Sterne
Gesamtwertung: 5 Sterne.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)