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Am Ende kommen Touristen: Zivildienst in einer Begegnungsstätte in Polen? Das stand auf Svens Wunschliste nicht ganz oben - war aber die einzig freie Stelle, die er noch bekommen konnte. In Oswiecim, dem Ort, der unter seinem deutschen Namen Auschwitz traurige Berühmtheit erlangte, soll sich Sven um den eigenwilligen KZÜberlebenden Krzeminski kümmern und wird nicht nur mit neuen Aufgaben, fremder Sprache und der historischen Bedeutung des...

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Handlung und Hintergrund

Der 19-jährige Wehrdienstverweigerer Sven (Alexander Fehling) wollte eigentlich seinen Zivildienst in Amsterdam ableisten, findet aber nur im polnischen Städtchen Oswiecim eine Stelle. Unter dem Namen Auschwitz wurde es als größtes deutsches Vernichtungslager zum Symbol für den Holocaust. Neben seiner Arbeit an der Gedenkstätte soll sich Sven um den KZ-Überlebenden Krzeminski (Ryszard Ronczewski) kümmern, der ihn aus purem Deutschenhass schikaniert. Verständnis findet er zunächst nur bei der jungen Ania (Barbara Wysocka).

Ein leises, aber wirkungsvolles Drama von „Netto“-Regisseur Robert Thalheim, der die schwierige Vergangenheitsbewältigung ohne Pathos, aber mit vielen kleinen, bewegenden Momenten leistet und von einem erstklassigen deutsch-polnischen Ensemble lebt.

Eigentlich wollte der 19-jährige Berliner Sven in Amsterdam seinen Zivildienst ableisten, aber dann verschlägt es ihn ins polnische Oswiecim, das unter dem Namen Auschwitz traurige Berühmtheit erlangte als größtes Vernichtungslager der Nazis. U.a. muss er sich um den alten KZ-Überlebenden Krzeminski kümmern, der dem Deutschen seine Abneigung spüren lässt, ihn herumkommandiert und schikaniert.

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Eigentlich wollte der 19-jährige Berliner Sven in Amsterdam seinen Zivildienst ableisten, aber dann verschlägt es ihn ins polnische Oswiecim, das unter dem Namen Auschwitz weltweit traurige Berühmtheit erlangte als größtes Vernichtungslager der Nazis. Unter anderem kümmert er sich um den alten KZ-Überlebenden Krzeminski, der dem Deutschen seine Abneigung spüren lässt, ihn herumkommandiert und schikaniert. Erst nach und nach kommt Sven mit dem über 80-jährigen klar.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Robert Thalheim
Produzent
  • Hans-Christian Schmid,
  • Britta Knöller
Darsteller
  • Alexander Fehling,
  • Ryszard Ronczewski,
  • Barbara Wysocka,
  • Piotr Rogucki,
  • Rainer Sellien,
  • Lena Stolze,
  • Lutz Blochberger,
  • Willy Rachow,
  • Roman Gancarczyk,
  • Adam Nawojczyk,
  • Halina Kwiatkowska,
  • Joachim Lätsch
Drehbuch
  • Robert Thalheim,
  • Hans-Christian Schmid,
  • Alexander Buresch,
  • Bernd Lange
Musik
  • Anton Feist,
  • Uwe Bossenz
Kamera
  • Yoliswa Gärtig
Schnitt
  • Stefan Kobe
Casting
  • Simone Bär
Ton
  • Anton Feist,
  • Uwe Bossenz

Kritikerrezensionen

    1. Über Auschwitz weiß man alles: KZ, Vernichtungslager, Holocaust. Über Oswiecim weiß man wenig, über den heutigen Ort, der ganz normale Menschen beherbergt und der zufällig der Schauplatz eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte war. In dieser Stadt der Gegenwart mit seiner schlimmen Vergangenheit spielt der neue Film von Robert Thalheim, der mit „Netto“ einen beachtenswerten Debütfilm hingelegt hatte. Ein Film nicht über das Lager, sondern über dessen symbolische Ausstrahlung in die Gegenwart, über die Aura der Geschichtlichkeit, die ständig präsent ist, über den Umgang mit diesen Auswirkungen.

      Sven, der neue Zivi in der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz, wollte eigentlich nach Amsterdam in eine Jugendherberge, aber zufällig ist er hierher geraten. Und er ist zunächst wenig beeindruckt, denn all dies kennt er zur Genüge aus dem Schulunterricht. Hier ist ein Zwang zur Betroffenheit fühlbar, eine obligatorische Demutsgestik, die sich bei Sven aber kaum aus der unmittelbaren Anschauung ergeben will; schließlich muss er hier arbeiten, muss Jugendgruppen betreuen und Stanislaw Krzeminski, einen alten ehemaligen Insassen, der störrisch und herrisch Svens Dienste in Anspruch nimmt. Eher gelangweilt sitzt Sven in den pädagogischen Workshops, wo Jugendliche versuchen, ihre Gefühle von Bestürzung und Hilflosigkeit zu beschreiben, die Sven, für den dies schon der Zwangsalltag des Zivis ist, fremd bleiben.

      Alles über den Ort weiß man, auf eine abstrakte Art, die auch mit einem eintägigen Touristenbesuch im Lager nicht konkret werden kann. Thalheim gelingt es, in der Beschreibung der Unmöglichkeit der Vergegenwärtigung der Vergangenheit nie auf eine revanchistische Schiene zu gelangen, nie diese Beschäftigung mit Auschwitz als Überdruss zu beschreiben – sondern als eine besondere historische Schrecklichkeit, die der Normalität von heute dennoch Raum geben muss. Sven ist dabei das Medium zwischen Zuschauer und symbolischen Ort, zunächst ein unbeschriebenes Blatt, der dann aber, in seinen Monaten als Zivi, immer mehr versteht, immer mehr verinnerlicht, was diesen Ort wirklich ausmacht.

      Diese innere Entwicklung darzulegen, das gelingt Thalheim, indem er über die ständig präsente Last der Vergangenheit eine kleine, leichte Liebesgeschichte legt, indem er Sven eingespannt zwischen zwei Polen zeigt (im doppelten Wortsinn). Vor allem aber dank seiner hervorragenden Darsteller, mit Alexander Fehling, der seinen Sven als ganz unbedarften Jüngling anlegt, der erst später im Film seine wirkliche Mitgenommenheit empfindet: In Auschwitz-Birkenheide, dem Lager der Zwangsarbeiter der damaligen IG-Farben-Fabrik, das heute ein Dorf ist, wo nur noch wenige, aber gerade deshalb umso treffendere Artefakte des Leides stehen. Mit Barbara Wysocka, die die Fremdenführerin Ania spielt, eine Polin, bei der Sven wohnt, die ihr ganz normales Leben führen will. Mit Ryszard Ronczewski, der den Ex-Häftling Krzeminski spielt als einen alten Mann, dem nur noch der Umgang mit der Vergangenheit Halt gibt. Er wohnt immer noch im Lager, hält Zeitzeugenvorträge, repariert fürs Museum die Koffer, die damals den zur Austilgung bestimmten Juden abgenommen wurden – das ist sein Leben, hier findet er Sinn und eine Art von Gleichgewicht.

      Ihm ist ein ganz eigenes Drama gewidmet, eine doppelte Verständnislosigkeit einmal von Seiten des Auschwitz-Museums, das die Koffer eigentlich in ihrer Versehrtheit erhalten will, als originalgetreue Zeugen des Leides – während Krzeminski sie liebevoll in Handarbeit in den Neuzustand versetzt. Und von Seiten desinteressierter Zuhörer, die ihm bei Vorträgen das Wort abschneiden, „weil die Rede an innerer Spannung verloren hat“, die bestenfalls noch seine eintätowierte Gefangenennummer sehen wollen und enttäuscht sind, dass die Ziffern im Lauf der Jahre verblasst sind.

      Thalheim erzählt auch von der Arroganz der Deutschen – „Unglaublich, wie die Polen das hier haben verlottern lassen“. Dies geschieht ohne Anklage, wie auch ohne Spott die Konstruktion einer Betroffenheits-Metaebene im Innenleben der Auschwitz-Touristen gezeigt wird: „Wie wir mit der Vergangenheit umgehen, bestimmt unsere heutige Kultur“: Das ist halt ein Kopfsatz, der aber kaum der tiefsten Seele entstammt. Und mit einer gewissen Leichtigkeit, auch mit Humor, kann Thalheim mit seinem Film eine wirkliche Begegnung schaffen mit dem, was Auschwitz ausmacht – ohne Lagerklischees und tausendmal gehörte Phrasen, und ohne Vereinfachung oder Beschönigung.

      Fazit: Robert Thalheim schafft es, einen Film über Auschwitz zu drehen, der nicht einfach nur Oftgehörtes wiederkäut, der sich nicht in falsche Betroffenheit flüchtet, sondern der durch die hervorragenden Darsteller und durch die Leichtigkeit der Inszenierung einen ganz neuen Blick auf das damalige Auschwitz und das heutige Oswiecim wirft.
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      1. Filmemachen nach Auschwitz? Dies ist kein weiterer politisch-korrekter Film im Gestus offizieller Gedenktage, sondern eine wunderbar persönliche und sensible Annäherung an das heikle Thema Auschwitz im Erlebnisfeld einer jüngeren Generation. Eine sehr gute Filmgeschichte mit innerer Spannung, genauen Alltagsbeobachtungen, ganz ohne Effekthascherei und Betroffenheitsduktus. Ein Film der Beunruhigung, ungemein beeindruckend, offen, niemals belehrend. Zu Recht auch dieses Jahr in Cannes international aufgefallen und gewürdigt.

        Jurybegründung:

        Ein wunderbar persönlicher und sensibler Film. Bekanntlich mit autobiografischen Bezügen. Auch Robert Thalheim arbeitete als Zivildienstleistender in der Gedenkstätte von Auschwitz/Oswiecim. Doch „Am Ende kommen Touristen“ ist mehr, weit mehr als eine schlichte Erinnerungsarbeit.

        Thalheim nutzte die eigenen Erlebnisse, um nun eine fiktive Figur in diesen Ort zu entsenden. Er lässt sein junges Alter Ego als eine Art Parzival oder Simplicius Simplicissimus in das heutige Auschwitz kommen und Erfahrungen der „denkwürdigen Art“ machen. Denkwürdig vor dem Hintergrund der historischen Dimension des Holocaust.

        Der neue Simplicius trifft auf Menschen unterschiedlicher Generationen und Betroffenheit. Die Hauptkonstellation des Films führt ihn mit Krzeminski, einem überlebenden KZ-Insassen, zusammen. Krzeminski, gespielt von der polnischen Schauspiel-Legende Ryszard Ronczewski, restauriert Häftlingskoffer, ist im Lager wohnen geblieben und wird nach und nach von dem „neuen Erinnerungsbetrieb“ ausgesondert, wird „überflüssig“.

        Autor und Regisseur Robert Thalheim ging es nicht darum, einen weiteren „politisch-korrekten“ Film zu drehen im Gestus offizieller Gedenktage und Jubiläumsreden, der im Grunde niemanden mehr aufregt und beunruhigt. Für ihn gehört zum Nachdenken über das Jahrhundertverbrechen die Irritation, das Setzen von Nadelstichen. Nadelstiche durch besondere Erzähldetails, zum Beispiel wenn Krzeminski in einem sogenannten Zeitzeugengespräch von deutschen Jugendlichen nach seiner Häftlings-Tättowierung gefragt wird. Er zeigt sie - Dialog: „Sieht man ja kaum noch“ - „Ich habe sie nicht erneuern lassen.“ Nadelstiche für das öffentliche Bewusstsein auch, wenn der Zivildienstleistende mit einem polnischen Kommentar konfrontiert wird „Die deutsche Armee ist wieder in Auschwitz.“ Mehrfach und nicht nur durch das „Aussortieren“ des einstigen Häftlings macht Thalheim Fragwürdigkeiten der „Erinnerungskultur“ schmerzhaft bewusst.

        Geschichte und Geschichtsverständnis ist für den Film nicht ein linearer Prozess, vor allem nicht in den heiklen Zwischenräumen deutsch-polnischer Begegnungen und Beziehungen.

        Doch bei allen aufklärerischen Tugenden „Am Ende kommen Touristen“ gerät nie zum Thesenfilm. Er bleibt eine gute, sehr gute Filmgeschichte, mit innerer Spannung, genauen Alltagsbeobachtungen, ein Film der Beunruhigung, ohne Effekthascherei - gleich welcher Art.

        Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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