Südengland, 1870: Bathsheba Everdene hat es geschafft, im viktorianischen England als alleinstehende junge Frau ein Gut zu leiten. Natürlich bleiben die Avancen männlicher Bewerber um ihre Gunst nicht aus. Doch Bathshebas Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit lassen sie sämtliche Anträge abweisen. Auch der stolze Schaffarmer Gabriel Oak, der nun auf ihrem Gut arbeitet, hielt bei Bathsheba einst erfolglos um ihre Hand an. Nach und nach wird Gabriel jedoch zu Bathshebas Vertrautem, der in unerwiderter Liebe mit ansehen muss, wie sich Bathsheba in Sergeant Troy verliebt. Und fast alles verliert. Der dänische Regisseur Thomas Vinterberg verfilmte den erfolgreichsten Roman des englischen Schriftstellers Thomas Hardy mit ungeheurer Werktreue und einem genauen Sinn für die historischen Umstände. Im Zentrum der Geschichte steht Bathsheba, hinreißend gespielt von Carey Mulligan, die eine selbständige und emanzipierte Heldin im viktorianischen England darstellt. Schon durch ihren ersten Auftritt, das Reiten im Männersitz, drückt sich ihre Unabhängigkeit und ihr ungebrochener Wille aus, in einer von Männern dominierten Welt ihre Frau zu stehen. Doch auch die Rollen der Männer sind glänzend besetzt. Matthias Schoenarts als Gabriel verkörpert glaubwürdig einen unglücklich verliebten und dennoch stolzen Mann, der seine Gefühle und Leidenschaften hinter Beherrschung und Ruhe versteckt. Michael Sheen als Verehrer Boldwood bedient gekonnt das klassische Bild des viktorianischen Ehrenmannes, der das Konzept der Treue und Ehre vor die Idee der leidenschaftlichen Liebe stellt. Vinterberg gelingt es, die Figuren in dem engen aufgezwungenen Korsett der damaligen Gesellschaft umeinander kreisen zu lassen. Die großartige Kamera von Charlotte Bruus Christensen fängt sowohl die Dramatik der Liebesgeschichte in umwerfenden Naturpanoramen als auch die Konflikte der Figuren untereinander in Nahaufnahmen ein. Kostüm und Ausstattung sind exquisit und David Nicholls‘ Drehbuch liefert pointierte und knappe Dialoge. Worte braucht es auch nicht viele, besser und prägnanter wird über Gesten, Blicke und Bewegungen vermittelt. Mit AM GRÜNEN RAND DER WELT gelingt Vinterberg nicht nur eine bewegende und werkgetreue Literaturverfilmung. Sondern auch ein überzeugendes und starkes Porträt einer ungewöhnlichen, modernen und ungebrochenen Heldin.
Jurybegründung:
„Far from the Madding Crowd“ (dt: „Am grünen Rand der Welt“) ist der vierte Roman des englischen Schriftstellers Thomas Hardy, mit dem die Reihe seiner berühmten „Wessex-Romane“ begann, benannt nach der Landschaft in Südengland, in der seine Bücher spielten und Thomas Hardy selbst auch lebte.
Thomas Vinterberg inszenierte die mittlerweile zweite Verfilmung des Romans aus dem Jahre 1874 stilistisch sehr werkgetreu und historisch genau als Reise in das Viktorianische Zeitalter. Im Mittelpunkt steht die junge und zunächst mittellose, aber gebildete Bathsheba Everdene, die durch eine Erbschaft zur Herrin eines großen Gutshofes wird. Eine Frau, für die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit alles bedeutet. In einer Zeit, als Väter und Vormünder die Heirat von Frauen wenn möglich immer unter finanziellen Aspekten arrangierten und Liebe dabei kein Rolle spielen durfte, ist Bathshebas Haltung anerkennenswert und verständlich zugleich, wenn sie die Anträge von Gabriel Oak und dem Gutsbesitzer Boldwood ablehnt. Ihre fehlende Lebenserfahrung treibt sie jedoch prompt in die Fänge des Soldaten Troy, der sie fast in den finanziellen Ruin treibt. Man kann es geradezu tragisch nennen, dass gerade die beiden Männer, die sie ablehnt, sie immer wieder im wahrsten Sinne des Wortes retten.
Das Spiel der Protagonisten und die Dialoge entsprechen dem Zeitgeist der Romanvorlage und wurden durch Drehbuch und Regie unter Verzicht auf übergroße Emotionen filmisch konsequent umgesetzt. Das baut aber auch gleichzeitig in den Augen einiger Jury-Mitglieder eine gewisse Distanz zum Zuschauer auf.
Die Kamera zaubert wunderschöne Landschaftsaufnahmen und wird den Gefühlsregungen der Protagonisten in perfekten Nahaufnahmen sehr gerecht. Sehr passend dazu gestaltet sich der wohltuend zurückgenommene und der Zeitepoche angemessene Soundtrack. Die Charaktere sind treffend besetzt und das Spiel vor allem von Carey Mulligan als Bathsheba, Michael Sheen als Boldwood und Matthias Schoenaerts als Oak ist eindrucksvoll.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)