Dass Halle Bailey die Disney-Ikone Arielle verkörpert, missfällt vielen Internet-Trollen. Ihre Begründung ist genau so lächerlich, wie sie rassistisch ist.
Dieser Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht notwendigerweise die aller kino.de-Redakteur*innen.
Aktuell zeigen sich die Internet-Trolle mal wieder von ihrer absolut schlimmsten Seite, denn der erste Teaser von „Arielle, die Meerjungfrau“ wurde von Disney veröffentlicht. Da die kleine Meernixe anders als im Animationsfilm von der afroamerikanischen Schauspielerin und Sängerin Halle Bailey und nicht von einer weißen Darstellerin verkörpert wird, geht für manche Menschen derzeit die Welt unter. Dabei verspricht der erste Teaser schon einen fantastischen Film:
Zahlreiche Internet-Trolle, die ihren Rassismus mit Pseudo-Wissenschaften verstecken wollen – Unterwasserwesen können nicht Schwarz sein, da dort keine Sonne scheint –, sind über die Casting-Entscheidung empört und möchten den Film schon jetzt boykottieren. „Warum muss plötzlich alles divers sein?“, beschweren sich einige laute Stimmen über Twitter, Instagram und Co. Disney versuche krampfhaft, eine „woke Agenda“ zu fördern und zerstöre dabei kostbare Kindheitserinnerungen.
Für alle Menschen, die dieses Gedankengut teilen, habe ich einen kleinen Denkanstoß verfasst.
Wozu der ganze Hass?
Obwohl für mich bis heute „König der Löwen“ und „Mulan“ als zwei der besten Disney-Filme gelten und ich nie verstanden habe, warum ein junges Mädchen ihre Stimme aufgibt, nur weil sie sich in einen Jungen – den sie nicht mal kennt – verguckt hat, war „Arielle, die Meerjungfrau“ mitsamt der weißen Hauptfigur ein wichtiger Bestandteil meiner Kindheit. Wie viele Disney-Fans war ich wenig überzeugt, als die ersten Nachrichten kursierten, dass das erfolgreiche Unternehmen eine Realverfilmung dieses Klassikers plant. Als die ersten Casting-News veröffentlicht wurden, war meine Neugier jedoch geweckt.
Wie man unschwer an meinem wunderschönen Teint und meinem Nachnamen erkennen kann, habe ich selbst afrikanische Wurzeln und auch wenn ich es im ersten Moment nicht zugeben wollte, ging bei der Vorstellung, dass die neue Arielle so aussehen würde wie ich, mein Herz auf. Ähnlich, beziehungsweise noch viel schöner, haben diese jungen Mädchen die Nachricht aufgefasst:
Weiße Menschen wurden schon immer in der Welt von Disney repräsentiert und konnten sich egal in welchem Alter und welcher Disney-Epoche in die Haut von Aschenputtel, Schneewittchen, Belle und zahlreichen anderen Figuren versetzen. Ich habe mich derweil als Kind mit Mulan, Jasmin und Pocahontas identifiziert. Sie waren vielleicht nicht Schwarz, aber bei der geringen Auswahl durfte man nicht wählerisch sein. Umso schöner ist die Tatsache, dass jüngere Generationen nicht nur mit Tiana aus „Küss den Frosch“ und einer Schwarzen Arielle, sondern mit einem kulturell diverseren Disney aufwachsen werden und ihnen beim nächsten Kostümfest nicht vorgegaukelt wird, dass sie sich nicht als Meerjungfrauen verkleiden dürfen, da diese nicht dieselbe Hautfarbe haben.
Die emotionalen Reaktionen der Mädchen sollten eigentlich ausreichen, um allen rassistischen Kritiker*innen zu zeigen, welche Auswirkungen Repräsentation hat und dass sie durchaus wichtig ist, und dennoch wird weiterhin Hass gestreut. Dabei ist dieser – wie in den meisten Fällen – völlig unbegründet. Wer sich überhaupt nicht auf die neue Arielle einlassen will, kann nach wie vor den Animationsfilm bei Disney+ streamen und sich an der weißen Meerjungfrau erfreuen. Denn mit der Version von Halle Bailey verschwindet das Original nicht plötzlich. Warum also können die negativen Stimmen ihre verachtenden Kommentare nicht für sich behalten?
Die Gründe der Hater
Da wissenschaftliche Argumente bei einem Fabelwesen völlig absurd sind, möchte ich auf dieses Argument gar nicht weiter eingehen. Fans des Originals – oder Menschen, die sich einfach nur aufregen möchten – bringen noch mehr Punkte, wie die Treue zum Original, den dänischen Schauplatz und das Zerstören ihres Kindheitsidols, als Gegenargument für die Neuverfilmung ins Spiel.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und gehe davon aus, dass die wenigsten der lauten Stimmen sich mit dem Originalmärchen von Hans Christian Andersen beschäftigt haben. Schließlich entfernte sich Disney bereits beim Animationsfilm von der ursprünglichen Geschichte. Viele vermuten, dass der Autor des Märchens die Liebe zu einem Mann, die er zu seinen Lebzeiten nicht ausleben konnte, verarbeitet. Im Original wird die Meerjungfrau zu Schaum und stirbt. Der erste Film hielt sich also schon nicht an das Original. Die Neuverfilmung sollte es sich also ebenfalls frei erfinden, um etwas anderes zu schaffen.
Dass die Geschichte vom dänischen Autoren Hans Christian Andersen stammt, bedeutet noch lange nicht, dass sie in Dänemark spielt. Die Landschaft mit den Palmen und das Meeresleben lässt vielmehr auf einen tropischen Ort schließen, man müsste also noch mehr nicht-weiße-Menschen sehen, aber hier wundert sich seltsamerweise niemand darüber…
Und zum letzten Punkt: dem Zerstören des Kindheitsidols. Hardcore-Fans sollten die Neuverfilmung nicht als eine Auslöschung des Originals, sondern viel mehr als einen Zusatz sehen, der noch mehr Zuschauer*innen glücklich macht.
Ich hatte bei der diesjährigen D23 Expo das Glück, schon mehr von Halle Bailey als Arielle sehen zu können und bin wirklich voll und ganz begeistert. Wer sich also wirklich als Arielle-Fan bezeichnet und nicht einfach nur mithilfe von idiotischen Argumenten versucht, rassistische Gedanken zu verstecken, wird sich an dem neuen Film genau so erfreuen wie ich. Denn Bailey ist mit ihrem unschuldigen und neugierigen Blick und ihrem fantastischen Gesangstalent die perfekte Besetzung. Wer nur anhand des Teasers vom Gegenteil überzeugt ist, sollte besser noch die Beine – und die Tastatur – stillhalten.