Neele Leana Vollmars Verfilmung des gleichnamigen Jugendbucherfolgs erzählt die Geschichte von vier jungen Menschen, die kurz vor dem Abi gemeinsam eine WG gründen. Und zum ersten Mal spüren, was es heißt, als Erwachsene Entscheidungen zu treffen - mit allen Konsequenzen.
Frieder hat versucht, sich umzubringen. Gelungen ist es ihm nicht, denn sein Vater hat ihn gefunden und nun ist Frieder in einer psychiatrischen Anstalt. Das ist schlimm, vor allem für Höppner, dem Frieder immer bei den Hausaufgaben geholfen hat. Als Höppner Frieder besucht, erzählt der ihm von einer Idee. Was wäre, wenn Frieder und Höppner zusammenziehen? So könnte Frieder die Psychiatrie verlassen und auch für Höppner, der sowieso etwas unabhängiger werden will, wäre es eine gute Lösung. Und so ziehen Höppner, Frieder, Höppners Freundin Vera und die Außenseiterin Cäcilia gemeinsam in ein Haus. Eigentlich eine gute Lösung für alle. Doch bald schon wird klar: So ganz einfach ist es nicht, dieses Erwachsensein. Und dazu ist Frieder eine tickende Zeitbombe, die nur darauf wartet, zu explodieren. Lange Zeit schien es unmöglich, den Ton und die Stimmung des Jugendbucherfolgs AUERHAUS - das in den 1980er Jahren in der deutschen Provinz spielt - von Bjov Berg filmisch zu übersetzen. Doch dank der einfühlsamen Regie von Neele Leana Vollmar und ihres pointiert geschriebenen Drehbuchs spürt man in jeder Minute des Films den lakonisch trockenen und doch anrührenden Ton der literarischen Vorlage. Die verschiedenen Charaktere des Buchs sind wunderbar herausgearbeitet und mit den Jungdarstellern Max von der Groeben als Frieder, Damian Hardung als Höppner, Luna Wedler als Vera und Devrim Lingnau als Cäcilia großartig besetzt. Vor allem Max von der Groeben, der die manisch depressiven Phasen von Frieder beeindruckend kraftvoll verkörpert, und Damian Hardung, der eine innere Ambivalenz zwischen Orientierungslosigkeit, Frust und Naivität auf der Schwelle zum Erwachsensein zeigt, passen hervorragend zusammen in ihrem Spiel. Dank seiner perfekten Ausstattung und der gut gewählten Location wird das Lebensgefühl der 1980er Jahre in der deutschen Provinz zwischen Rebellion und gähnender Langeweile ungemein authentisch wiedergegeben. Dazu passen auch die überzeugende Kameraarbeit von Frank Lamm und der stimmungsvolle Soundtrack. AUERHAUS ist ein mitreißender Film über das Loslassen und das Festhalten. Ein Film über Freundschaft. Und ein Film übers Erwachsenwerden, mit all seinen Chancen und Herausforderungen.
Jurybegründung:
„Dallas“, „Dirty Dancing“, der Mauerfall, die Zeit der Wende: die 1980er Jahre sind derzeit voll in den Fokus der Medien gerückt. Ob in, der Literatur oder in der Musik, überall tauchen die 80er auf, bisweilen als kitschig überhöhte Kult-Epoche, manchmal auch mit kritischer Konnotation. Und auch wenn nach neuesten Umfragen die meisten Deutschen am liebsten noch einmal in den 1980er Jahren leben würden, waren sie gewiss kein goldenes Zeitalter. Das zeigt auch Neele Leana Vollmars AUERHAUS.
Die Literaturverfilmung nach Bov Bjergs Bestseller folgt der Geschichte des 17jährigen Höppner. 1983 beschließt der, zusammen mit drei Freunden, in ein altes Haus in der Provinzheimat zu ziehen. Vier Oberstufenschüler, von denen jeder aus ganz eigenen Gründen glaubt seine Freiheit im heruntergekommenen „Auerhaus“ zu finden. Da ist Frieder, der versucht hat, sich das Leben zu nehmen und jetzt unter „Aufsicht“ seines Freundes Höppner wieder auf die Beine kommen soll. Höppner wiederum will eigentlich nur mit seiner Freundin Vera zusammen sein, die aber nicht als einziges weibliches Wesen mit den beiden Freunden dort wohnen will. Und deshalb wird kurzerhand Streberin Cäcilia mit ins Haus geholt, die aber klammheimlich in Höppner verliebt ist.
Das klingt, als könne sich nun ein Reigen aus Liebe, Freundschaft und Freiheit entfalten, doch die Realität im Auerhaus fällt ganz anders aus. Die neue Wohnumgebung und die unterschiedlichen Charaktere sorgen für immer neue Probleme. Zwar bietet Vollmars Film auch kleine Sehnsuchtsmomente, dennoch ist AUERHAUS meilenweit von romantisch-restaurativen Verklärungen entfernt. Nach einem etwas schleppenden Anfang erwartet die Kinobesucher die gut nachvollziehbare, ländliche Tristesse einer Jugend in vergangener Zeit - manchmal ein wenig traurig, manchmal ziemlich komisch, immer aber sehr authentisch.
Die Jury zeigte sich in der Diskussion von der Erzähllust des Films beeindruckt. Völlig linear berichtet Neele Leana Vollmar vom Zusammenleben im Auerhaus. Nach Ansicht der Jury eine weise Entscheidung, um den Spannungsbogen angesichts zahlreicher Nebenschauplätze der vier Hauptcharaktere zu erhalten. Im Auerhaus werden die Protagonisten zwar nicht die Freiheit finden, die sie sich ursprünglich erhofft haben, aber sie werden im Zeitraffertempo zu jungen Erwachsenen heranreifen. Und in der Tat kann AUERHAUS auch als ein brillanter Coming-of-Age-Film gelten, der trotz zeitgenössischer Bezüge auch für heutige Generationen Gültigkeit besitzt. Immerhin hat Neele Leana Vollmar den Film mit den Stars des gegenwärtigen Jugendkinos besetzt, die zum Erstaunen der Jury in keinster Weise abgenutzt wirken. Die Exaltiertheit jugendlicher Charaktere wird glaubhaft wiedergegeben. Damian Hardung, Luna Wedler und Devrim Lingnau gehen völlig in den Rollen auf. Ein besonderes Lob aber findet die Jury für die Leistung Max von der Groebens in der Rolle des suizidalen Frieder. Die kraftvolle Darstellung der vielen exzentrischen Wesenszüge lässt auch vergessen, dass der Film an manchen Stellen doch sehr in seiner Erzählung mäandert. Andererseits: Was genau bedeutet denn eine Jugend in der ländlichen Abgeschiedenheit der 80er Jahre? Keine Sensationen, sondern jede Menge Redundanz! Und die auf Film zu bannen, ohne aber das Publikum zu vergraulen, ist eine meisterliche Leistung.
Hoch angerechnet hat die Jury auch, dass Vollmar für den Soundtrack nicht auf die bekannten Hits der Zeit zurückgegriffen hat. Nahezu selbstverständlich taucht zwar einmal auch, als zu erwartende Analogie des Filmtitels, auch der Madness-Track „Our House“ auf, ansonsten aber bilden keine Mainstream-Hits von damals den musikalischen Hintergrund, sondern jene Titel die damals selbst aufgelegt wurden. AUERHAUS ist die äußerst gelungene Adaption des gleichnamigen Romans von Bov Bjerg: mitfühlend und unterhaltend, spannend und informativ zugleich. Ein Film dem die Jury gerne das Prädikat besonders wertvoll verleiht.
FBW-Jugend-Filmjury:
(www.jugend-filmjury.com)
Das Drama AUERHAUS spielt im Jahr 1983 im Gymnasium „Am Stadtrand“ und handelt von dem Abiturienten Frieder, der von vielen ausgenutzt wird und einen Suizidversuch unternimmt. Er wird in die Psychiatrie eingewiesen und kann nicht mehr bei seinem Vater leben. So gründen Frieder, Höppner und seine Freundin Vera zusammen mit der Streberin Cecilia eine WG in dem verlassenen, verwohnten und hässlichen Haus von Frieders Opa. Wird die Wohngemeinschaft es schaffen, die Probleme zu lösen und Frieder vom Selbstmord abzubringen? Dieser sehr anspruchsvolle Film wirkt durch seine dunkle und blasse Bebilderung sehr traurig und melancholisch. Dies wird durch die authentische 80er-Jahre-Kulisse der Wohnungen und die gute Garderobe unterstützt. Ebenso durch die zu den Szenen passende traurige Musik. Auch schafft es der Film, gerade die zwischenmenschlichen Spannungen zwischen den Eltern und den Jugendlichen zu transportieren. Beim Zuschauer kommen oft Gefühle der Hilflosigkeit hoch. Der Film behandelt die Themen Tod, Suizid, den Umgang mit psychisch kranken Menschen, Familie und die Übernahme von Verantwortung. Leider finden wir, dass die Vorgeschichte von Frieder zu kurz kommt, dadurch fehlt etwas der Hintergrund für seine Selbstmordabsicht. Toll finden wir die Entwicklung der Figuren im Film und dass die Mutter von Höppner in einer Szene mit ihm über das Thema Depressionen spricht. Die Thematisierung der sexuellen Orientierung finden wir gut, aber für Jüngere noch nicht greifbar. Wir empfehlen diesen anspruchsvollen und thematisch schwierigen Film ab 14 Jahren, da Selbstmord und Depression immer in zentrales Thema sind.
spannend: 4,5 Sterne
freundschaftlich: 4 Sterne
traurig: 4,5 Sterne
trostlos: 4,5 Sterne
anspruchsvoll: 4,5 Sterne
Gesamtwertung: 4,5 Sterne.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)