Trotz mehr als drei Stunden Laufzeit bleib das Sci-Fi-Spektakel einige Antworten schuldig. Ein kritischer Moment dürfte sicherlich noch im nächsten Teil Konsequenzen nach sich ziehen.
– Achtung: Es folgen Spoiler für „Avatar: The Way of Water“! –
Optisch ist „Avatar: The Way of Water“ ein Meisterwerk, das steht sicherlich außer Frage. Hinsichtlich der Geschichte und Charaktere scheiden sich offenbar die Geister, wie auch unsere kino.de-Kritik belegt. Fest steht aber, dass die Fortsetzung des (bislang) erfolgreichsten Films ein Beziehungsgeflecht aufgebaut hat, das reichlich narratives und emotionales Potenzial in den nächsten Teilen entfalten könnte.
Eine wichtige Rolle dürfte dabei der neuen Figur Miles „Spider“ Socorro zukommen. Denn der leibliche Sohn des verstorbenen Miles Quaritch (Stephen Lang) befindet sich quasi zwischen den Fronten, wie zwei entlarvende Momente im Finale von „Avatar: The Way of Water“ verdeutlichen.
Nachdem der Film es lange offenhielt, welche Verbindung Spider und der mit dem Bewusstsein seines Vaters ausgestattete Avatar-Quaritch haben, machte letzterer den ersten eindeutigen Schritt. In einem Mexican Standoff mit Neytiri (Zoe Saldaña) drohten die beiden Erwachsen damit, ein Kind des jeweils anderen zu töten. Quaritch betonte hierbei zunächst noch arrogant, dass Spider ihm nichts bedeute, doch nachdem Neytiri dem Jungen zunächst einen Schnitt in die Brust versetzte und anschließend mit dem Messer zum vermeintlich tödlichen Stich ausholte, ließ Quaritch seine Geisel los und flehte um das Leben seines Sohns.
Der revanchierte sich später, als er eigentlich dabei helfen wollte, Jake und Co. aus ihrem Wassergefängnis aus dem untergegangenen Schiff zu befreien. Dabei entdeckte Spider den bewusstlosen Quaritch und fluchte selbst darüber, dass er das Nächste, was er zu einem biologischen Vater hat, letztlich rettete. Wer da jedoch dachte, Spider habe sich von seiner eigentlichen Familie abgewandt, sah sich eines Besseren belehrt. Denn der Junge schrie Quaritch an und weigerte sich, mit ihm zu den Menschen zurückzukehren. Anschließend fand sich Spider wieder bei den Sullys ein und vor allem Kiri (Sigourney Weaver) war darüber sichtlich erfreut. Mit ihr, Stephen Lang sowie Hauptdarsteller Sam Worthington haben wir über „Avatar: The Way of Water“ gesprochen und was sie uns verraten haben, erfahrt ihr im Video:
Entzweit Streit zwischen Neytiri und Spider die Familie Sully?
Das letzte Wort dürfte in dieser Angelegenheit jedoch wahrlich nicht gesprochen sein. Denn „Avatar: The Way of Water“ thematisierte mit keinem Wort mehr, dass Neytiri offen damit drohte, Spider abzustechen. Wohl nicht ohne Grund machte der Film zuvor noch deutlich, dass sie in ihm vor allem den Menschen sieht und deswegen auch gar nicht wollte, dass Spider mit den anderen Sully-Kindern aufwächst. Neytiri betrachtet ihn offenbar nicht als Teil der Familie; ob sie tatsächlich so weit gegangen wäre, ihn zu töten, lässt der zweite Teil der Sci-Fi-Saga allerdings offen.
Es sah zumindest durchaus so aus, als ob sie ihre Messerhand schon vor Quaritchs Einlenken stoppen würde. Neytiri könnte in „Avatar 3“ ohnehin behaupten, dass sie nie bis zum Äußersten gegangen wäre und Quaritch nur aus der Deckung locken wollte. Fraglich ist allerdings, ob Spider das angesichts der zuvor erlebten Abneigung von ihrer Seite glauben würde. Zumal seine Familie ihn ja vorher schon in Gefangenschaft der Menschen zurückließ und sich selbst bei einem anderen Stamm in Sicherheit brachte. Die bittere Erkenntnis, dass er bei den Sullys nur ein Familienmitglied zweiter Klasse ist, ist da nicht weit.
Wenn Spider zu dieser gelangt, hätte das Franchise den Weg für einen radikalen Wandel bereits gelegt. Schließlich bekannte sich Quaritch im Gegensatz zu den Sullys klar zu dem Jungen. Sollten bei diesem die Zweifel über seinen Platz in der Welt einsetzen, könnte ihm sein quasi-biologischer Vater als beste Option erscheinen. Solch ein Seitenwechsel wäre natürlich auch narrativ in einem langjährigen Franchise naheliegend, immerhin wären emotionale Reaktionen des Publikums durch die komplizierte Vergangenheit der Figuren und ihre Entwicklungen praktisch garantiert.
Wir wissen zudem, dass in „Avatar 4“ ein Zeitsprung erfolgt, da Cameron einen Teil des Films mit den noch jungen Kinderdarsteller*innen bereits drehte, bevor sie für diesen Part zu alt werden. Vielleicht wechselt Spider ja vor diesem Zeitsprung die Seiten, um uns anschließend direkt zu zeigen, wie sehr sich seine Beziehung zu den Sullys, die dann seine Feinde wären, in den Jahren danach verschlechtert hat. Eventuell hat Cameron gar eine Doppelwende im Blick und lässt Spider in bester Darth-Vader-Manier in „Avatar 5“ wieder auf die gute Seite wechseln. Immerhin ist ebenfalls bekannt, dass im großen Finale die Erde eine Rolle spielt und Neytiri erkennen soll, dass nicht alle Menschen schlecht sind. Womöglich wird dann der große Konflikt mit ihr und Spider aufgelöst, der jetzt seinen Anfang nahm.
Ob wir mit unseren Überlegungen tatsächlich in der richtigen Richtung unterwegs sind oder James Cameron doch eine völlig andere Geschichte im Kopf hat, erfahren wir frühestens in zwei Jahren. „Avatar 3“ erscheint am 18. Dezember 2024 in den deutschen Kinos. Falls ihr bis dahin die fantastische Welt von Pandora nicht verlassen wollt, legen wir euch den offiziellen „Avatar“-Comic, den es bei Amazon gibt, ans Herz, der auch mehr zu Spiders Vergangenheit verrät. Bei Disney+ könnt ihr wiederum den ersten Teil so oft streamen, wie ihr wollt.