„Avatar: The Way of Water“ ist der Film der Stunde – doch einige indigene Personen rufen zum Boykott des Blockbusters auf. Das steckt dahinter.
Die Hürde von weltweiten Einnahmen von einer halbe Milliarde US-Dollar hat „Avatar: The Way of Water“ inzwischen hinter sich gelassen. Das reicht allerdings bei Weitem nicht, um die hohen Kosten auch nur zu decken. Laut Regisseur James Cameron muss der Film wohl alleine dafür um die zwei Milliarden US-Dollar weltweit einspielen. Wenn es nach einigen indigenen Gruppen geht, sollte jedoch keine einzige Person mehr die Fortsetzung zum erfolgreichsten Film aller Zeiten sehen, wie die Los Angeles Times berichtet.
So rief Yuè Begay, eine Navajo-Künstlerin via Twitter zum Boykott von „Avatar: The Way of Water“ auf:
„Seht euch NICHT ‚Avatar: The Way of Water‘ an. Unterstützt Ureinwohner*innen und andere indigene Gruppen auf der ganzen Welt, indem ihr diesen schrecklichen und rassistischen Film boykottiert. Unsere Kulturen wurden auf schädliche Art und Weise vereinnahmt, um den Erlöserkomplex von irgendeinem [weißen] Mann zu befriedigen. Kein Blueface mehr! Lakota-Menschen sind stark!“
Diesem Aufruf schloss sich unter anderem Jason Asenap an, seines Zeichens Autor und Regisseur sowie Comanche und Muscogee Creek. In einem Artikel auf der Webseite Grist schrieb er, dass „Avatar: The Way of Water“ lediglich „die Vorstellung eines weißen Mannes von einem indigen-futuristischen Films“ sei. Was Asenap an der Darstellung der Na’vi stört, ist nicht nur die seiner Ansicht nach vereinfachte, „exotische“ Abbildung indigener Kultur und Personen, wie sie sich ein weißer Mann vorstelle, sondern auch Aussagen, die James Cameron 2010 getroffen hatte und die jetzt im Zuge der Fortsetzung erneute Aufmerksamkeit erfahren.
James Cameron sorgt mit Aussage zum „Avatar“-Ursprung für Kritik
Dabei ging es um einen Guardian-Artikel (via Los Angeles Times), in dem sich James Cameron gegen das Belo-Monte-Wasserkraftwerk in Brasilien aussprach, durch dessen Bau letztlich indigene Personen umgesiedelt wurden. In dem Artikel verriet Cameron, dass die Geschichte amerikanischer Ureinwohner*innen die „treibende Kraft“ war, um „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ zu schreiben – und traf dabei folgende Aussage:
„Ich konnte nicht anders, als zu denken, dass wenn [die Lakota Sioux] ein Zeitfenster gehabt und in die Zukunft hätten sehen können… und sie könnten sehen, dass ihre Kinder die höchste Selbstmordrate der Nation haben… weil sie hoffnungslos waren und sich in einer Gesellschaft ohne Ausweg befinden – was gerade geschieht – sie hätten viel härter gekämpft.“
Amerikanischen Ureinwohner*innen vorzuwerfen, sie hätten nicht hart genug gegen weiße Invasoren gekämpft, ist definitiv kein angebrachter Kommentar, besonders nicht, wenn ihn ein weißer Mann über hundert Jahre später vorbringt und noch dazu sogenanntes victim blaming betreibt, also den zumindest implizierten Vorwurf, dass die Opfer selbst schuld an ihrem Leid sind. Es ist entsprechend nicht verwunderlich, dass Jason Asenap Camerons Kommentar als „unsensibel, herablassend“ bewertet.
So sehr man Cameron für seine Aussage auch kritisieren sollte, muss man trotzdem anmerken, dass er sich öffentlich seit Jahren für die Rechte und den Schutz indigener Gruppierungen ausspricht. In einem GQ-Rückblick auf YouTube auf seine Karriere erklärte er, dass er sich vor einigen Jahren dazu entschied, die „Avatar“-Fortsetzungen zu drehen, da er mit Milliarden-Blockbustern stärker auf den Erhalt des Naturschutzes und damit der Lebensräume indigener Völker aufmerksam machen könne als mit Dokumentationen. Dabei sagte er auch, dass Anführer*innen indigener Gruppierungen nach der Veröffentlichung des ersten Teils auf ihn zukamen und ihm sagten, sein Film unterstütze ihre Geschichten und Anliegen. Es scheint also auch eine andere Seite zu dieser Medaille zu geben.
Vielleicht kann man entsprechend festhalten, dass James Cameron die richtige Intention haben mag und „Avatar: The Way of Water“ sowie weitere Fortsetzungen eventuell wirklich dazu beitragen können, dass sich mehr Menschen damit auseinandersetzen, wie stark unsere Gesellschaft die Natur ausbeutet und zerstört. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, ob Cameron als Weißer die richtige Person dafür ist, die kreative Leitung dieses Franchise innezuhaben und ob es nicht besser gewesen wäre, mehr indigene Stimmen in den Schöpfungsprozess zu integrieren, um zumindest die Darstellung der Na’vi nuancierter zu gestalten.