Große Filmschaffende, die das heutige, von Marvel-Filmen dominierte Kino kritisieren, mehren sich. Nun hat sich auch Werner Herzog dazugesellt.
Schaut man sich die Liste an Filmschaffenden an, die in den vergangenen Jahren Kritik an der bis dato herrschenden Kino-Dominanz der Comic-Verfilmungen und vor allem des Marvel Cinematic Universe (MCU) geäußert haben, kristallisiert sich eine wahre Crème de la Crème heraus: Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Ridley Scott, James Cameron, Alejandro G. Iñárritu, Bong Joon-ho, Jane Campion, Ken Loach, Quentin Tarantino, ja selbst die Blockbuster-Schöpfer Steven Spielberg und vor allem Roland Emmerich ließen kein gutes Haar an diesem filmischen Marvel-Universum.
Ihrer Meinung nach seien vor allem Marvel-Filme exemplarisch für den Untergang der Vielfalt an Filmgenres in den Kinos dieser Welt. Niemand gehe demnach für kleinere Filme, für Dramen und romantische Komödien mehr ins Kino. Zahllose Genres seien mittlerweile in den Streamingmarkt verdrängt worden durch die schiere Übermacht der großen und effektgeladenen Leinwand-Spektakel. Und Spektakel sei auch alles, was diese Filme zu bieten hätten. Dafür aber eine ganze Menge. Das werden auch die kommenden MCU-Werke bieten, die wir euch im Video vorstellen.
Werner Herzog: Marvel-Filme haben ein Defizit
Kritik gibt es von nicht wenigen auch zu den Stories der einzelnen Werke, die sich selbst in den Augen mancher Fans von Film zu Film beziehungsweise von Serie zu Serie immer mehr gleichen. Natürlich muss man sich eingestehen, dass dies kein Problem allein vom MCU ist, denn das Rad neu erfinden wird kaum ein Projekt. Alles war schon irgendwie einmal da gewesen. Aber Marvel, so der Vorwurf, bemühe sich mittlerweile nicht einmal mehr, neue Wege zu gehen. Im Grunde könnte man meinen, dass lediglich die Charaktere und die Orte ausgetauscht würden.
Dabei ist das Erzählen von Geschichten die Essenz des Kinos und zugleich Antrieb für den Menschen an sich. Dieser Auffassung ist Werner Herzog. Der 80-Jährige, der nicht nur Spielfilme wie „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ und „Königin der Wüste“ gedreht hat, sondern auch Dokumentarfilme wie „Grizzly Man“ und „Fireball: Besuch aus fernen Welten“, gilt als einer der bekanntesten und renommiertesten Filmschaffenden Deutschlands. Unvergessen ist seine Zusammenarbeit mit Klaus Kinski. Selbst als Schauspieler ist er gefragt, hat zahlreiche Auftritte in der Animationsserie „Die Simpsons“ vorzuweisen. Ebenso dürfte er vielen aus „The Mandalorian“ auf Disney+ in Erinnerung geblieben sein.
Obwohl er ungern reise, begebe er sich dennoch an Orte wie den Urwald oder die Sahara, weil dort „die Stories spielen“, wie er im Interview mit ARTHAUS im Rahmen einer Sonderausstellung in der Deutschen Kinemathek in Berlin wissen ließ. Eine Geschichte zu erzählen, sei die Kraft des Kinos:
„Das hat sich [zehntausende Jahre] in unserer DNA irgendwie festgesetzt, dass wir Stories erzählen, Geschichten erzählen. Und das ist ja auch die Kraft des Kinos und wenn das zu weit nur vom Geschichtenerzählen wegrückt, wie zum Beispiel bei diesen großen Marvel-Filmen, wo… gut, das sind große Fantasiewelten, aber sehr wenig Handlung oft – also bei Actionfilmen – da ist nur Handlung, aber keine Story oder fast keine Story. Und da gibt es ein Defizit. Das merken die Verleiher, das merkt das Publikum und das merken wir alle. Und ich war eigentlich immer mehr der, der gut war mit Stories; und Spezialeffekte können andere besser.“
Superheld*innenfilme kann man sicherlich als Subgenre des Actionkinos begreifen. Und der Mangel an Story bei Actionfilmen ist dem Genre im Grunde inhärent. Es ist die Natur des Actionkinos, seine Geschichte über die unmittelbare Handlung auszudrücken. Diese Geschichte kann man dabei als bloßen Trigger für die nächste Aktion verstehen. So hangeln sich Actionfilme nicht selten lediglich von einer Situation zur nächsten. Das mag wenig gehaltvoll wirken, dient aber ohnehin nur dem menschlichen Wunsch nach Unterhaltung, nach Vergnügen. Dass diese gerade bei Actionfilmen eher kurzlebig ist, wird hingenommen. Will man etwas Bleibendes, das zum Nachdenken anregt, ist man bei Marvel und Co. natürlich an der falschen Adresse. Herzogs Kritik ist also durchaus nachvollziehbar und berechtigt.
Die Sonderausstellung „Werner Herzog“ in der Deutschen Kinemathek in Berlin ist noch bis zum 27. März 2023 zu sehen.
Eine Marvel-Legende ist Stan Lee. Wie gut kennt ihr euch mit dem Schöpfer zahlreicher Comic-Charaktere aus? Testet euer Wissen: