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Avengers 3: Warum es falsch ist, keine Spoiler zu verraten

Avengers 3: Warum es falsch ist, keine Spoiler zu verraten

„Avengers 3“ ist das Kinoereignis des Jahres. Wer sich über den Film informieren möchte, findet jedoch kaum wertvolles Material. Stattdessen übernehmen die Medien die Sprachpolitik von Disney. Ein persönlicher Kommentar zur Angst vor Spoilern.

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Eigentlich hätte es den Hinweis gar nicht gebraucht. Trotzdem hat Disney vor dem Kinostart von „Avengers 3“ ein Video veröffentlicht, in dem Robert Downey Jr., Mark Ruffalo und Chris Pratt noch einmal darauf hinweisen, dass niemand etwas spoilern sollte. Fans sollen in den ungetrübten Genuss eines Filmerlebnisses kommen, das verringert werden könnte, wenn Handlungsdetails zu früh an die Öffentlichkeit geraten. Und anstatt diese Strategie zu hinterfragen, wird sie von den Medien (das betrifft auch unsere Kritik) übernommen.

Es ist teilweise schon aberwitzig, wie manche Autoren sich darum winden, dass sie etwas sagen wollen, aber „nicht dürfen“. Obligatorisch ist es inzwischen, vor jedem Artikel zu „Avengers 3“ vor Spoilern zu warnen. Ist das noch Fanservice oder bereits vorauseilender Gehorsam? Von Seiten der Autoren steckt dahinter die Befürchtung, einen Shitstorm zu provozieren, weil selbst das winzigste Handlungsdetail bereits als enormes Geheimnis betrachtet wird. Man will sich nicht angreifbar machen. Man will aber auch die Leser nicht enttäuschen, die jahrelang auf den Blockbuster gewartet haben. Angst vor Kommentaren und Lesern, die gleich ganz abspringen, zeichnen die Berichterstattung inzwischen mehr aus als die Aufgabe, den Leser zu informieren.

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Es ist nicht falsch, sich auf einen Film zu freuen. „Avengers 3: Infinity War“ ist tatsächlich ein Ereignis, und wer den Film unvoreingenommen sehen will, soll die Chance dazu haben. Es gehört zum guten Ton, wichtige Wendungen nicht im Vorfeld zu verraten. Dass etwa Tyler Durden aus „Fight Club“ nur eine Wahnvorstellung ist, wäre zu viel verraten. Die Angst vor Spoilern hat im Fall von „Avengers 3“ aber Züge angenommen, die fast schon paranoid anmuten. Dass einige eher kleine Handlungsdetails das Prädikat „Plotwendung“ gar nicht verdienen, geht dabei schnell unter. Nicht jeder Twist ist so großartig wie Darth Vader, der verrät, dass er Luke Skywalkers Vater ist.

Die Scheuklappen der Berichterstattung

Auffällig ist, dass Kritiken zu „Avengers 3“ eine ganze Ebene des Filmes gezielt ausblenden. Damit ist nicht nur die Handlung gemeint. Denn wenn es schon nicht erlaubt ist, über die Handlung zu sprechen, fällt auch die tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema flach. Eine kritische Analyse fällt schwer, wenn man den Gegenstand der Kritik nicht benennt. Viele der bisher entstandenen Texte besprechen deshalb vor allem die subjektive emotionale Erfahrung des Zuschauers. Der Film sei spannend, an manchen Stellen düster, zum mitfiebern - Hohlphrasen, die immer nah am eigenen Erleben bleiben, statt sich davon zu distanzieren.

Für das Publikum ist die zu erwartende Emotionalität eines Filmes durchaus wichtig. Eine Kritik sollte darüber informieren. Sie soll aber auch einordnen und bestenfalls analysieren. Im Fall von „Avengers 3“ wird die Mühe, das Erlebte objektiv zu rahmen, bisher kaum sichtbar. Möglich wäre das, indem man über die Inszenierung spricht und den Film nicht als Event betrachtet, sondern eben als einen Film. Über die Grundzüge der Handlung sollte dabei eine gewisse Klarheit herrschen, so viel ist man dem Leser und der eigenen Argumentation schuldig. Stattdessen warnen viele Autoren pflichtbewusst vor Spoilern, halten sich dann aber trotzdem zurück und scheuen sich davor, ihren Gegenstand, den Film, umfassend zu betrachten. Als wäre die Spoilerwarnung gar nicht ans Publikum, sondern an sie selbst gerichtet.

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Cui bono – wer profitiert?

An dieser Stelle wäre es vielleicht ratsam, die alte Frage zu stellen, wer eigentlich davon profitiert, wenn man sich das Spoilern verbietet? Sind es die Fans? Man sollte dem Publikum immerhin so viel zutrauen: Dass es selbst entscheiden kann, welche Artikel es im Vorfeld zu einem Film lesen möchte. Wer sich nicht spoilern will, wird ohnehin die Ohrstöpsel auspacken. Wer hingegen neugierig ist und sich kritisch mit einem Film wie „Avengers 3: Infinity War“ auseinandersetzen möchte, wer mehr über die Inszenierung und darüber erfahren möchte, ob sich der Kinobesuch lohnt, stößt auf eine Mauer aus Schweigen. Dabei scheint es völlig egal, dass auch ein Fan eventuell mehr erfahren möchte, als eine rudimentäre Zusammenfassung ohne Tiefgang bietet.

Eine Berichterstattung, die sich lediglich auf emotionale Qualitäten bezieht, dient nicht dazu, über einen Film zu informieren. Stattdessen heizt sie die Spannung zum Filmstart an und macht sich zum verlängerten Arm der Werbung. Wer sich zu sehr von der Angst vor Spoilern eingrenzen lässt, leistet der Kommunikationsstrategie von Disney Vorschub. Die Filmstudios haben natürlich ein Interesse daran, die kritische Berichterstattung im Vorfeld einzudämmen. Der Film soll als Event erlebt werden. Deshalb versucht man, die Neugier zu schüren. Man möchte Fans, die monatelang darüber spekulieren, wo sich der Seelenstein befindet. Sie halten das Interesse am Film kostenlos wach. Was man nicht will, ist ein Spoiler, der verrät, dass es sich beim Seelenstein bloß um ein McGuffin handelt, der beliebig hin- und hergeschoben werden kann. Und dass vielleicht gar kein großartiger Plan dahinter steckt.

Eine mutige Kritik hat durchaus das Zeug, einen Blockbuster zu entzaubern. Mit dem Spoiler haben die Filmstudios ein kraftvolles Instrument gefunden, um die Diskussion zu lenken und zu entschärfen. Denn für die Autoren gilt: Wer sich verbietet, etwas zu sagen, produziert nichtssagende Texte.

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