Nicolas Cage schlurft oft genug ziemlich müde durch seine Filme. Die Augenlider sind halb geschlossen, das Gesicht zeigt kaum Regungen, die Schultern hängen, sein Gang wirkt träge das passt meist überhaupt nicht zu den Figuren, die er spielt, in Bruckheimer-Actionabenteuern oder so.
Aber dann gibt es Filme, für die dieses Schlaftabletten-Spiel perfekt ist, und Werner Herzogs The Bad Lieutenant ist so ein Fall. Vielleicht deshalb ist dies endlich mal wieder ein Herzog-Film, der es in die deutschen Kinos schafft Filme wie die grandiose Dokumentation über einen fanatischen Wildnisfreak Grizzly Man oder die Flucht-aus-Vietnam-Geschichte Rescue Dawn waren in den USA durchaus erfolgreich und sind in Deutschland nur auf DVD erschienen. Jetzt ist er wieder da, der Herzog, mit einem Remake. Oder besser: Mit einer Neuinterpretation eines Stoffes, den Anfang der 90er Abel Ferrara schon einmal verfilmt hat.
Der Ferrara-Film war rau, auch in seiner Ästhetik, von drastischer Wucht und nachdrücklicher Symbolik, ein Abstieg in die Unterwelt krimineller Cops auf der Suche nach Erlösung. Herzog geht die Sache etwas anders an: bei ihm ist die Welt ohnehin schon untergegangen, nach dem Sturm Katrina hat es New Orleans weggespült. Und, so kann man sich vorstellen, dadurch sind alle möglichen verborgenen, verdrängten, vergessenen Wesenheiten an die Oberfläche getrieben. So zum Beispiel die Rückenschmerzen von Cop Terence McDonagh (Nicolas Cage).
Der bekommt starke Schmerzmedikamente, und ein halbes Jahr später ist er ein Junkie. Was seine Arbeit erstmal gar nicht beeinträchtigt, nein: durch die offenbare Leichtigkeit in seinem Inneren fällt ihm alles leichter, und wenn ein gefährlicher Krimineller festgenommen werden soll, stationieren sich vor der Haustür schwerbewaffnete Spezialkräfte und er spaziert durchs Nachbarhaus, über den Gartenzaun, zur Hintertür rein und vorne mit dem entwaffneten Gesuchten wieder raus: I love it!
Andererseits kennt er nicht mehr so richtig die Grenzen zwischen Cop und Criminal, alles zerfließt. Und zwar nicht nur seine moralischen Werte, sondern sein ganzes Leben, und auch sein Geld: es zerrinnt ihm alles zwischen den Fingern. Er hat eine Freundin, eine Edelnutte, nun ja: ein bisschen ist er auch ihr Zuhälter und ihr Koksdealer, dafür versorgt sie ihn ab und zu mit Tipps. Er hat Spielschulden bei einem illegalen Buchmacher. Er zweigt aus der Asservatenkammer Drogen ab, um seiner Sucht kostengünstig frönen zu können. Und dann ist da noch der massakerhafte Mord an einem Heroindealer, der offenbar den örtlichen Drogenorganisationen im Weg war, und während Terence gegen die Bande ermittelt, ein paar kleine Fische festnagelt, um an die großen Bosse zu kommen, verbrüdert er sich zugleich mit ihnen, weil ihm nicht viel anderes übrig bleibt: Sein eigenes Leben wächst ihm über den Kopf, ein Leben, das unter der Oberfläche schon ziemlich verfault war, zeigt ihm nun die böse Fratze des Verfalls.
Werner Herzog zieht seine Mär von der Amoral konsequent durch, beleuchtet alle Aspekte des stetigen Kaputtwerdens, wenn Terence ein unschuldiges Pärchen beim Knutschen stört, um ihre Kleinstmengen an Drogen abzuknöpfen der Orgasmus, den er als Dreingabe erhält, interessiert ihn eigentlich gar nicht. Und wie glücklich ist er, als er einen Footballprofi erwischt! Das gibt ihm die Chance, seine Wettgeschäfte auszubügeln
Herzog bevorzugt eine fast schon edle Optik, geschult am Hollywoodblick auf moralisches Elend, das in feiner Beleuchtung, in ausgewogener Ausstattung daherkommt auch das ein Gegensatz zur schmuddligen Ferrara-Version. Andererseits drängt sich die Kamera immer wieder den Personen auf, will in sie hineindringen, herzogtypisch bedrängt der Film damit auch den Zuschauer, der da oftmals gar nicht so nah ran will.
Was diesen Film aber wirklich zu etwas Besonderem macht, das sind die Momente, wenn Herzog metaphysisch wird. Videokamerabilder nähern sich einem Alligator am Straßenrand, die Kamera streichelt ihn fast, fährt ihm die schuppige Haut entlang und ins Maul; später, wenn die Polizisten die Wohnung eines Verdächtigen beobachten, macht Herzog diese Situation der Langeweile zu einem aufregenden Wechselspiel mit zwei Leguanen, die da auf dem Tisch stehen, nähert sich ihnen wie dem Alligator zuvor, und nur Terence scheint zu bemerken, welche Unterweltsviecher, welche uralte Wesen sich da plötzlich in den Film hineinschleichen.
Herzog persönlich hat bei diesen Reptilienbildern die Kamera geführt wahrscheinlich kann er keinen Film drehen, bei dem er sich nicht wenigstens der Illusion hingibt, Gefährliches zu tun. Auch wenn er auf dem sicheren Grund einer soliden, zwar unabhängig produzierten, aber dennoch im Homeland Hollywood gedrehten Film steht.
Fazit: Ein harter Cop-Thriller mit Nicolas Cage als völlig kaputtem Polizist im New Orleans nach der Sturmflut, den nur noch das Unmoralische im Leben weiterzubringen scheint.