Um kaum einen Film existiert in diesem Jahr ein derartiger Hype wie um die Live-Action-Verfilmung von „Barbie“. Doch erfüllt das Werk mit Margot Robbie und Ryan Gosling diese Erwartungen?
Wenn Mainstream-Publikum und Arthouse-Liebhaber*innen gleichermaßen Interesse an einem Film haben, dann muss das wahrlich schon ein besonderer Titel sein. Ausgerechnet „Barbie“ scheint dieses Kunststück zu gelingen. Denn darin wird nicht nur die populäre Spielzeugpuppe durch Magot Robbie zum Leben erweckt, die Regie übernahm mit Greta Gerwig eine Filmemacherin, die eher für kleinere Indie-Filme und anspruchsvolles Drama bekannt ist; siehe ihre Oscarnominierungen für „Lady Bird“ und „Little Women“. Letzteren könnt ihr hier bei Amazon Prime Video streamen, was wir euch nur empfehlen können.
Dass uns bei „Barbie“ eine besondere Mischung erwartet, bewiesen bereits die ersten Trailer, in denen Anspielungen an den Sci-Fi-Meilenstein „2001: Odyssee im Weltall“ gemischt mit der knallig-pinken Barbie-Welt und reichlich Meta-Humor angedeutet wurden. Durch die Marketingkampagne baute sich ein regelrechter Hype auf, weswegen etliche Menschen seit dem Kinostart von „Barbie“ am 20. Juli 2023 in die Kinos strömen. Doch wird der Film den hohen Erwartungen wirklich gerecht?
Welche Kino-Highlights das aktuelle Jahr noch für euch bereithält, verrät euch das folgende Video:
Andi: Gelungener, überdrehter Meta-Spaß… aber…
Anhand der Kombination Gerwig-Barbie hatte ich ziemlich genaue Vorstellungen davon, was mich in dem Film erwarten würde – und sie wurden völlig erfüllt. „Barbie“ ist ein optisch quietschbuntes Vergnügen, das zuweilen wie ein charmantes Szenario direkt aus einem Kinderzimmer wirkt. Zugleich glänzt das Werk mit der für solche Produktfilme inzwischen fast gewohnten Selbstironie („The Lego Movie“ lässt grüßen) sowie einer Reihe von Meta-Gags, die Filmfans immer mal wieder gekonnt abholt („Justice League“ lässt grüßen).
Bei einer Arbeit von Greta Gerwig darf zudem natürlich nicht der gesellschaftliche Kommentar fehlen und Barbie liefert dafür die perfekte Vorlage – vor allem dank ihres Ausflugs in die reale Welt, der ihre rosa-rote Barbie-Sicht einem harten Realitätscheck unterzieht. Gerwig gelingt hier der durchaus schwierige Spagat, einen optimistischen und realistischen Feminismus gleichermaßen abzubilden, der auf der einen Seite bestärkt und Mut macht, auf der anderen Seite aber warnt und strukturelle Probleme verdeutlicht. Und trotzdem… das gewisse Etwas fehlte mir, vielleicht gerade weil meine Erwartungen nahezu 1:1 erfüllt wurden. Dabei half es auch nicht, dass die Handlung kaum der Rede wert ist und wie eine reine Vorlage für die Kommentare und Witze wirkt.
Zudem scheint es leider, als habe man am Ende eine große Chance verpasst. Denn „Barbie“ kommentiert durch den Wandel von Ryan Goslings Ken, wie sehr sich etliche Männer an unserem gesellschaftlichen Wandel stören, weil sie sich nicht berücksichtigt und/oder überfordert fühlen und sich wieder mehr Patriarchat wünschen (obwohl das in unserer Welt ohnehin vorherrschend ist, was „Barbie“ nicht unerwähnt lässt). Bis zum Schluss bleibt der Film allerdings bei der Trennung der scheinbar unterschiedlichen Lager und unternimmt gar nicht erst den Versuch, Männer und Frauen wirklich gleichberechtigt zusammenzubringen.
Bei diesem Punkt scheiden sich in mir allerdings noch die Geister. Denn wie könnte „Barbie“ wirklich aufrichtig am Ende eine gleichberechtigte Gesellschaft zeigen, wenn wir von dieser in der Realität noch immer weit entfernt sind, weil Frauen trotz all des Fortschritts weiterhin unter struktureller Benachteiligung leiden? Ist es da zur Abwechslung nicht mal schön, hier ein Matriarchat zu sehen? Und doch: Sollten Filme nicht genau den Wandel darstellen, den wir in der Welt sehen wollen, um uns zu zeigen, was möglich ist und wonach wir streben können, nämlich komplette Gleichberechtigung? Aber erwarte ich hier vielleicht etwas zu viel von einem spaßigen Film über eine Spielzeugpuppe, der primär dabei helfen soll, ein Milliardengeschäft am Laufen zu halten? Vermutlich…
Celina: „Barbie“ ist genau, was ich wollte und noch viel mehr
Als Barbie-Fan – sowohl von der Spielzeugpuppe als auch den Animationsfilmen – wusste ich bereits vor dem Trailer, dass ich „Barbie“ als Realverfilmung unbedingt sehen muss. Ich hatte hohe Erwartungen an Greta Gerwigs Film, angesichts des riesigen Hypes schon Monate vor dem Kinostart allerdings auch ein bisschen Angst, dass „Barbie“ am Ende nicht halten kann, was er verspricht. Nach dem Kinobesuch muss ich allerdings sagen, dass der Slogan im Trailer absolut zutrifft: „Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich. Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich“.
Meiner Meinung nach ist der Hype absolut berechtigt, denn „Barbie“ ist genau, was ich wollte und noch viel mehr. Neben einem kultigen Look, der perfekten Besetzung und einer cleveren Inszenierung enthält der Film viel Liebe zum Detail und einige Überraschungen und Twists. „Barbie“ ist nicht nur super witzig, sondern an einigen Stellen auch wirklich rührend und bietet eine unerwartete emotionale Tiefe.
Als Satire in Pink bietet „Barbie“ viel Humor auf Meta-Ebene, spielt gekonnt mit Klischees und nimmt auf wunderbar selbstironische Weise nicht nur Mattel, die Spielzeugindustrie und den Kommerz, sondern auch das Patriachart aufs Korn und verknüpft das Ganze mit einer wichtigen Message. Ich habe im Kino mindestens alle zwei Minuten gelacht und durchgängig geschmunzelt, aber der Humor in „Barbie“ war stets so pointiert, dass es für mich nie zu albern wurde – was fast schon paradox ist, denn wie man schon im Trailer erkennen kann, wird es an manchen Stellen wirklich albern.
Doch Gerta Gerwig schafft mit „Barbie“ eben genau diesen Spagat zwischen Lächerlichkeit und Ernst. Dadurch ist dieser Film so viel mehr als eine Barbie-Werbesendung, obwohl er an manchen Stellen buchstäblich genau das ist. Besser als mit „Barbie“ hätte man das wohl bekannteste Spielzeug der Welt kaum verfilmen können. Für mich ist die Live-Action-Adaption in jeder Hinsicht gelungen und der perfekte Barbie-Film für alle, die (eigentlich) zu alt sind, um mit den Kultpuppen zu spielen. „Barbie“ ist nicht das typische Barbie-Märchen und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, hat mich der Film verzaubert. Der neueste Greta-Gerwig-Film hat mich fasziniert, amüsiert und irgendwie auch inspiriert, weshalb ich ihn nur allen ans Herz legen kann.
Eileen: Von Greta Gerwig war nichts Geringeres zu erwarten
Zuallererst muss ich sagen, dass ich ein riesiger Fan von Greta Gerwig und ihren Werken, insbesondere von „Little Women“, bin, weswegen ich wirklich sehr hohe Erwartungen an „Barbie“ hatte. Bereits in ihrer modernisierten Adaption von Louisa May Alcotts Roman „Little Women“, welche 2020 in die deutschen Kinos kam und somit Gerwigs vorangegangener Film zu „Barbie“ ist, formulierte sie Gesellschaftskritik in Bezug auf die Karriere von Frauen in einer männerdominierten Welt. Weil sie damit so erfolgreich war, war ich überzeugt davon, dass ihr ein ähnlicher gesellschaftskritischer Blick erneut mit „Barbie“ gelingen würde. Meine Hoffnung hat sich bestätigt: Das ganze Entgegenfiebern hat sich auf jeden Fall ausgezahlt.
„Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich. Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich“ lautete einer der Trailer-Slogans für den Film, der es genau trifft: Es spielt keine Rolle, ob man Barbie mag oder nicht. Im Endeffekt wird die Barbie-Puppe als sexualisiertes, männervermarktetes Produkt betrachtet. Einige Filmschaffende würden vor einer solchen Thematik zurückschrecken, jedoch nicht Gerwig. Ihre Inszenierung der intertextuellen, nachdenklichen Meta-Botschaft über Geschlechterrollen, Existenzialismus und Selbstwert hätte fast nicht besser umgesetzt werden können. Durch das Zusammenspiel aus eben dieser Ernsthaftigkeit mit den bizarren, over-the-top Momenten des Filmes wurde ich nicht nur über die gesamte Länge bestens unterhalten, sondern verließ das Kino mit angeregten Gedanken.
Wie ich schon sagte, man hätte es fast nicht besser machen können. Allerdings hat mir irgendwas an dem Film gefehlt, jedoch kann ich dieses etwas nicht identifizieren. Ob es Gerwigs Wechsel von eher Arthouse-artigen Filmen wie „Lady Bird“ und „Little Women“ zum Mainstream mit „Barbie“ war oder ob mir etwas auf der inhaltlichen Ebene des Filmes gefehlt hat – ich kann es einfach nicht sagen. Das ist jedoch Kritik auf höchstem Niveau. Denn auch wenn der Film meine Erwartungen nicht übertroffen konnte, hat er meine Erwartungen überaus erfüllt und mich zufriedengestellt und ich werde ihn nicht nur ein weiteres Mal im Kino schauen.
Schließlich liegt für mich die wahre, einzigartige Essenz des Filmes in Gerwigs Drehbuch, welches sie zusammen mit ihrem Partner Noah Baumbach geschrieben hat. Besonders zum Ende des Filmes hin gab es eine Reihe von Dialogen, die mich emotional ergriffen haben. Die schauspielerischen Leistungen von Margot Robbie, Ryan Gosling und America Ferrera haben dazu nur positiv beigetragen. Ich kann diese Achterbahn der Gefühle, die zunächst hinter einer glitzernden, pinken und kitschigen Fassade verborgen ist, nur strengstens empfehlen.