Sind Filmposter eine eigenständige Kunstform oder nur billige Werbefläche? Schaut man zurück auf die lange Geschichte des Filmplakats und seiner Erschaffer, so fällt die Antwort auf diese Frage rückwirkend leicht: Kinoplakate waren ganz sicher mal Kunst. Viele von ihnen sind Jahr für Jahr in Ausstellungen zu sehen, haben es ins kollektive Gedächtnis geschafft oder gelten in Designerkreisen als einflussreiche Meilensteine. In den letzten Jahren fällt die Beantwortung dieser Frage allerdings zunehmend schwerer. Hollywood verwendet bei der Gestaltung die immer gleichen Klischees und lässt bei der Komposition der Poster Eigenständigkeit und Experimentierfreude vermissen. Hier sind 10 Filmposter-Klischees, die uns auch 2016 mal wieder einmal viel zu bekannt vorkamen.
Klischee Nummer 1: Die Buchstaben im Gesicht
Groß, nah, intim und gerne mit zentraler Botschaft mitten im Gesicht. Dass dieses gewollt postmodern anmutende Motiv einmal die Kraft des Ungewöhnlichen hatte, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Schon als das „Social Network“ seinerzeit mit dieser Designidee ‚edgy‘ um die Ecke bog, war das Motiv bereits mehrere Jahre alt. Heute hat es sich vor allem als Stilmittel für biographische Filme mit vermeintlich ehrlicher Message als alternativlos etabliert.
Klischee Nummer 2: Blockbuster in Blau-Orange
Dass die graphische Einfallslosigkeit im Blockbuster-Bereich besonders verbreitet ist, dürfte die meisten Kinobesucher kaum überraschen. Immerhin gibt es nicht gerade wenige Zuschauer, die den teuren Produktionen auch inhaltlich eine viel zu große Ähnlichkeiten vorwerfen. Und doch überrascht die fortwährende Verbreitung der „Blau-Orange“-Masche doch sehr. Immerhin stehen die Studios für Poster dieser frappierend uninspirierten Art Jahr für Jahr erneut in der Kritik. Auch 2016 war da keine Ausnahme. Dass sich trotz der massiven Kritik kaum etwas getan hat, liegt schlichtweg daran, dass den Machern die unterbewussten Effekte, die diese Farbkombination bei den Betrachtern angeblich auslösen, einfach etwas wichtiger sind. Glaubt man nämlich den psychologisierenden Farbtheorien, dann vermitteln diese Töne ein ‚angenehm dynamisches Gefühl der Aufregung‘. Oder eben ein unangenehmes Gefühl der Langeweile.
Klischee Nummer 3: „Das Brett vorm Kopf“
Schwer zu sagen, wo dieses bedauerliche Poster-Klischee einmal sein Debüt feierte. Dass es nicht mehr ganz taufrisch ist und uns nun schon seit Jahrzehnten auf die immer gleiche Weise auf die Netzhaut geworfen wird, das war 2016 selbst millionenschweren Blockbustern wie „Batman V Superman“ vollkommen egal. Auch was man mit diesem Stilmittel überhaupt erreichen möchte, wird zunehmend unklare. War es ursprünglich einmal für die Themenbereiche ‚Justiz‘ und ‚Folter‘ abonniert, darf heute irgendwie jeder mal ran. Merkwürdig.
Klischee Nummer 4: Verrenkte Frauen in schmutzigen Nachthemden
Sie tragen alte, befleckte Nachthemden und üben sich gerne im Bodenturnen. Die jungen Frauen, die seit einigen Jahren die öden, blau-grauen Cover von Horrorfilmen zieren, haben es nicht leicht. In der Regel sind sie von bösen Geistern und Dämonen besessen, meist werfen sie die Kreaturen der Hölle in unnatürliche Posen. Das soll uns ein Gefühl der Bedrohung vermitteln. Wirft man aber die erschenkende Anzahl von Postern, die dieses Klischee gleichzeitig benutzten in einen Topf, ist das Ergebnis eher lächerlich.
Klischee Nummer 5: Big Character
Einer der wenigen neuen Trends der letzten Jahre hört auf den schillernden Namen „Charakter-Poster“. Dabei handelt es sich um nichts anderes, als die vollständige Verabschiedung von der kreativen Bildkomposition. Die Hauptfigur in attraktiver Pose. Das ist alles. Mehr können, mehr wollen diese Poster nicht. Natürlich könnte man nun sagen, dass immerhin die besagt Pose als solche noch einen Rest Kreativität übrig lässt - also Arme hoch, Kopf nach rechts usw - wer sich die Character-Poster aber einmal etwas genauer ansieht, wird schnell feststellen, dass Hollywood auch hier von der Stange produziert.
Klischee Nummer 6: Unser blauer Planet
Ist er nicht wunderschön? Majestätisch und friedlich sieht er von hier oben aus, unser schöner Planet Erde. Wenn es um Naturdokumentationen geht, wird das fantastische Farbspektrum dieser bunten Welt aus unerfindlichen Gründen radikal eingeschränkt. Blau und grün. Das scheinen die einzigen Farben zu sein, die man für die Präsentation eines Naturfilms verwenden darf. Okay, hier und da vielleicht ein kleiner, frecher Farbklecks, aber im Grunde alles eine blau-grüne Soße. Bei den gezeigten Motiven ist es nicht anders. Perspektiven und Kompositionen ähneln sich seit nunmehr 20 Jahren auf so frappierende Weise, dass es an eine Beleidigung von Mutter Natur grenzt.
Klischee Nummer 7: Rote Lippen sollst du…
Muss man das überhaupt noch kommentieren? Wer möchte, kann sich einmal den Spaß machen und via Google oder Pinterest nach visuell ähnlichen Bildern im Netz suchen. Das Erstaunliche bei dieser Recherche: Seit Jahren verwendet man in Hollywood sogar die immer gleiche Mundform für Filmplakate dieser Machart. Natürlich geht es hier um das unterschwellige Triggern von Sexualität und natürlich ist dieses Geschäft so alt wie die Werbung selbst. Ein bisschen mehr Experimentierfreudigkeit wäre trotzdem ganz schön.
Klischee Nummer 8: Die gelbe Gefahr
Totgesagte leben länger. Gelb is back! Nachdem uns kurz nach der Jahrtausendwende eine unglaubliche Flut von sehr gelben Postern jedwede Freude an dieser schönen Farbe zu nehmen drohte, war es eine zeit lang wieder etwas still geworden, um die auf „lebensbejahende Indie-Komödie“ festgelegte Farbe. 2016 feierte sie aber ein fulminantes Comeback. Während sich die Indie-Komödie erneut im fröhlichen Gelb präsentierten, konnte erstmals auch der Animationsfilm nicht die Finger von der Farbe lassen. Das macht uns doch fröhlich, oder nicht?
Klischee Nummer 9: Im Auge des Betrachters
Ja, so ein Auge macht schon ganz schön was her. Egal, ob blutunterlaufen, weit aufgerissen, mit Reflektionen oder wie im obigen Beispiel mit Wurm - für ein paar Jahre landete das Klischee-Auge vor allem im Horror-Genre auf jedem zweiten Poster. Wo das Auge hinsah, ein einziges Geglotze. Besonders irritierend - das Auge wird gerne auch dann verwendet, wenn es inhaltlich absolut keinen Bezug zum Film gibt. Heute kommt uns das Auge zwar nicht mehr ganz so häufig unter, aber vorbei ist der große Sehtest noch lange nicht.
Klischee Nummer 10: Das Kunst-Poster
Dass man in Hollywood auch ganz anders kann, das zeigte der zweite Trend des Jahres 2016. Für sich genommen sind diese Poster allesamt sehr ansehnlich und mit ihren Pastellfarben auch eine willkommen Abweichung von der abgegriffenen Norm. Schade nur, dass so ziemlich jedes Studio auf diesen Zug aufsprang und dabei eine individuelle Umsetzung des Stils vermissen ließ.