Das Ehepaar Fitzgerald hat eine Tochter, die seit Jahren schwer an Krebs erkrankt ist. Die jüngere Tochter soll durch eine Nierenspende deren Leben retten, doch da tun sich in der Familie Widerstände auf. Der auf einer Romanvorlage basierende Familienfilm schafft es, durch raffinierte Perspektivwechsel und Rückblenden in der Erzählung und der Kameraführung die unterschiedlichen Standpunkte und Gefühlslagen aller Beteiligten nachvollziehbar zu machen, ohne dabei wertend zu sein. Mit dieser vielschichtigen Schilderung setzt sich die mutige und respektvolle Geschichte mit heiklen Themen um Leben und Tod auseinander und stellt dabei auch für den Zuschauer die hochspannende Frage nach den moralischen Grenzen menschlichen Eingreifens in natürliche Abläufe. Ein intelligent gemachter Film und eindrucksvolles Plädoyer für ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben, konsequent bis zum Schluss.
Jurybegründung:
Ein heikles Thema hoch spannend erzählt. Beim Leben meiner Schwester ist die sehr berührende und glaubwürdig umgesetzte Geschichte um den aussichtslosen Kampf der heranwachsenden Kate und deren Mutter gegen die Leukämie, nach dem Roman von Jodi Picoult. Dabei erweist sich das Konzept des ständigen Perspektivwechsels auf die Figuren und ihre Gefühlswelt für die komplexen Fragestellungen als überaus passend und intelligent gewählt. Handwerklich perfekt umgesetzt, grandios besetzt, von Cameron Diaz ausdrucksstark gespielt und mit blendenden Dialogen ausgestattet, treibt der Film auf das Unvermeidliche zu, auf die Frage, die sich immer deutlicher stellt: ‚Wann muss man vom Leben und einem geliebten Menschen loslassen‘.
Beim Leben meiner Schwester beschreibt die Gefühle aller Familienmitglieder und lotet über eine interessante Zuspitzung der innerfamiliären Abhängigkeiten auf äußerst spannende Weise die allgemeine Frage nach den moralischen Grenzen der medizinischen Eingriffsmöglichkeiten aus. Ein Film, der trotz aller Ausweglosigkeit Mut macht.
Die kurzen Szenen im Gerichtssaal wirken vielleicht etwas konstruiert, aber die Frage, die das Gericht beschäftigt, ist so interessant, dass aus diesem Konstrukt kein Nachteil erwächst. Geklärt werden soll, ob Anna, die Schwester der Kranken, gezwungen werden kann, eine ihrer Nieren zu spenden, damit die kranke Schwester länger überleben kann. Alec Baldwin kann hier als Annas Anwalt zur Höchstform auflaufen und glaubwürdig darstellen, dass er Anteil am Schicksal der Familie nimmt. Denn auch er hat sein eigenes Geheimnis und seine eigene Krankengeschichte, die er mit sich herumträgt.
Ein Höhepunkt der Inszenierung ist die Beschreibung der neuen Chemotherapie, bei der die kranke Kate den etwas älteren Leidensgenossen Taylor in der Klinik kennenlernt, der ebenfalls zur Chemo muss und schon einige Erfahrung im Umgang mit der Therapie mitbringt. Nun steht er Kate zur Seite und löst dabei ein Stück weit die Mutter ab. Langsam entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte, die ihren glanzvollen Höhepunkt beim Ball des Krankenhauses erlebt, gefolgt von der ersten sexuellen Erfahrung Kates, in der Erkenntnis mündend, das auch Glück eine Halbwertszeit kennt und nicht ewig währt.
Einfühlsam gelingt es Regisseur Nick Cassavetes den Film langsam und ruhig in die Zielgerade der Geschichte zu steuern ohne dabei sentimental zu werden. Vielmehr bricht er immer wieder mit den Klischees, die er selber anführt. Auch die behutsam eingesetzte und sehr zurückhaltende Filmmusik trägt zu diesem Eindruck bei.
Trotz diametral entgegen gesetzter Auffassungen der Mutter und der kranken Tochter sowie dem Rest der Familie kommt doch alles dem versöhnlichen Schluss, sich dem Unvermeidlichen zu beugen und die Zeit, die bleibt, zu genießen. Es ist gerade auch die spannende Konstellation zwischen Eltern und Kindern, die die bereichernde Qualität des Films ausmacht und mit allen Mitteln des modernen Unterhaltungskinos ein anspruchsvolles Thema verständlich vermittelt.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)