Vor allem in Zusammenhang mit TV-Sendungen fällt immer wieder der Begriff „Scripted Reality“. Was ist das eigentlich und woran erkennt man das Format?
Auf der Suche nach der großen Liebe, am Abgrund des eigenen Bankrotts oder der Alltag einer Polizeistreife – Scripted Reality bedient viele verschiedene Sparten im deutschen TV und übt dabei eine ganz besondere Faszination auf das Publikum aus.
„Scripted Reality“ Definition
„Scripted Reality“ oder auch „Pseudo-Doku-Soap“ ist eine Form des Reality-TV und bedeutet zu deutsch „geskriptete bzw. als Drehbuch geschriebene Realität“. Der Begriff beschreibt die Inszenierung real wirkender Inhalte durch Laiendarsteller*innen. Dazu erhalten sie Regieanweisungen nach Skript bzw. Drehbuch.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen meist persönliche Geschichten, die durch einen hohen Anteil an Tragik Mitgefühl wecken oder aber durch das in der Show gezeigte Verhalten für Hohn und Spott sorgen.
Die Merkmale von „Scripted Reality“ im Überblick:
- Inszenierung nach Drehbuch
- Laiendarsteller*innen im Fokus
- Dramatische und tragische Geschichten
Wie täuscht Scripted Reality Realität vor?
Scripted Reality orientiert sich thematisch am Alltag. Die Sendungen zeigen Situationen oder Schicksalsschläge, die jedem widerfahren können. Zudem wird durch die Verwendung verschiedener Stilmittel der Anschein erweckt, es handle sich um eine Dokumentation oder eine Reportage.
So wechselt die Kameraperspektive stets zwischen begleitenden Szenen und persönlichen Interviews, in denen die Protagonist*innen die gezeigten Situationen rückwirkend kommentieren. Kommt es außerdem zu hektischen Szenen, ist die Kameraführung verwackelt, was den Eindruck vermittelt, als wäre die Situation unerwartet geschehen.
Des Weiteren erzeugen die Dialoge ein Gefühl von Realität. Während sich Figuren in der Fiktion nicht versprechen und sich gewählt ausdrücken, greifen die Protagonist*innen in Scripted Reality Formaten zur Alltagssprache, wobei es nicht nur zu Versprechern, sondern auch zu Grammatikfehlern kommt.
Schlussendlich sorgen natürlich auch die Namen und persönliche Geschichten der Protagonist*innen dafür, dass den Zuschauenden eine Realität vorgegaukelt wird. Dem Publikum wird dadurch vermittelt, es handle sich um eine reale Person mit realen Problemen.
Auch auf Netflix erwarten euch einige Reality-Shows. Welche ihr euch nicht entgehen lassen solltet, erfahrt ihr im Video:
Scripted-Reality-Sendungen, Shows und Formate: Die besten Beispiele
In Deutschland sind und waren Scripted-Reality-Sendungen vor allem auf Sat.1, RTL und RTL II zu sehen. Dabei kann in die Formate Gerichtsshows, fiktive Reportagen, Doku-Dramen und Doku-Soaps unterschieden werden.
Gerichtsshows
Gerichtsshows simulieren Verhandlungen vor Gericht, wobei nach und nach verschiedene Zeug*innen aufgerufen und befragt werden, um die Schuld oder Unschuld des/der Angeklagten zu beweisen. Nicht selten kommt es vor, dass sich Aussagen widersprechen und die Richter*innen eine*n bisher unbekannte/n Täter*in überführen müssen.
Bekannte Beispiele sind:
- Richter Alexander Hold (2001–2013 bei Sat.1, 7 von 12 Staffeln auf Joyn streamen)
- Richterin Barbara Salesch (1999–2012 bei Sat.1, 9 von 14 Staffeln auf Joyn ansehen)
- Das Jugendgericht (2001–2007 bei RTL, Wiederholungen bei RTL Plus)
Fiktive Reportagen
In fiktiven Reportagen wird die Arbeit von Ordnungshüter*innen begleitet, darunter Polizist*innen, Feuerwehrmänner und -frauen sowie Notärzt*innen. Oft handelt es sich dabei um erfundene Situationen, gelegentlich kann jedoch eine reale Handlung nachverfilmt worden sein. Die Szenen wechseln zwischen Geschehen und Interviews.
Bekannte Beispiele sind:
- Auf Streife (seit 2013 im Sat.1, 8 Staffeln im Stream auf Joyn)
- Auf Streife – Die Spezialisten (seit 2015 bei Sat.1, 7 Staffeln zum Anschauen auf Joyn)
- Klinik am Südring (seit 2016 bei Sat.1, 5 Staffeln auf Joyn streamen)
Doku-Drama
Bei einem Doku-Drama stehen persönliche wie tragische Geschichten im Vordergrund. Die Protagonist*innen werden auf ihrem schweren Weg mit der Kamera begleitet, wobei Haupt- und Nebencharaktere immer wieder im Interview zu Wort kommen.
Bekannte Beispiele sind:
- Hilf mir! Jung, pleite, verzweifelt … (seit 2013 auf RTL II)
- Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern? (seit 2016 auf RTL II)
- Familien im Brennpunkt ( 2009–2014 auf RTL)
Doku-Soaps
Doku-Soaps verfolgen über mehrere Folgen und Staffeln immer die gleichen Protagonist*innen in derselben Stadt, ähnlich einer fiktiven Soap. Jedoch wird der Anschein erweckt, es handle sich um das Leben realer Personen.
- Berlin – Tag & Nacht (seit 2011 bei RTL II)
- Köln 50667 (seit 2013 bei RTL II)
- Leben.Lieben.Leipzig (seit 2018 bei RTL II)
Warum ist Scripted Reality so erfolgreich?
Worin liegt das Erfolgsgeheimnis von Scripted Reality, wenn das Format umgangssprachlich gern als Trash-TV bezeichnet wird? Joachim von Gottberg von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen sieht Scripted Reality laut dem Goethe Institut aufgrund der Authentizität so weit oben in der Beliebtheitsskala. So wirken Geschichten und Dialoge nicht erfunden und „abgelesen“, sondern näher am Leben als andere Fernsehserien.
Hinzu kommt, dass die Formate dem Publikum keine große Aufmerksamkeit abverlangen. Scripted Reality kann gut nebenbei gesehen werden. Des Weiteren ist natürlich auch der Entertainment-Faktor nicht zu vernachlässigen: Einige Figuren und Geschichten sind so absurd, dass darüber nur gelacht werden kann.
Scripted-Reality-Kritik
Obwohl Scripted Reality so erfolgreich ist, wird in der Medienbranche kritisiert, dass Scripted Reality zu wenig gekennzeichnet sei. Die Gefahr von Scripted Reality liegt laut einer Studie aus dem Jahr 2011 darin, dass vor allem Kinder und Jugendliche Fiktion und Realität in diesem Format nicht auseinanderhalten können. Nur etwa 22 % der Befragten zwischen sechs und 18 Jahren gaben an, die Fiktion erkennen zu können.
Gehört ihr zu den Personen, die Scripted-Reality-Formate regelmäßig konsumieren? Dann kennt ihr euch bestimmt mit der „Klinik am Südring“ aus, oder?