Kati und Jo sind seit Kindertagen beste Freundinnen und im oberbayerischen Tandern gemeinsam aufgewachsen. Nun studiert Kati mehr schlecht als recht Architektur in München und Jo hat sich nach dem Abi eine Auszeit in einem indischen Aschram genommen. Eines Tages erhält Kati die Nachricht, dass Jo verschwunden ist. Kurz entschlossen macht sich Kati nach Indien auf. Doch während sie sich auf Jos Spuren begibt, steht diese auf einmal in Tandern vor der Tür. Und die Väter der beiden Mädels machen sich derweil ebenfalls nach Indien auf. Denn man kann die Kinder ja nicht alleine durch die Weltgeschichte reisen lassen. Nach BESTE ZEIT und BESTE GEGEND bildet BESTE CHANCE den Abschluss der „Heimatfilm“-Trilogie des Regisseurs Marcus H. Rosenmüller über die beiden Freundinnen Kati und Jo. Im Zentrum stehen auch hier die Probleme der beiden stellvertretend für das Gefühl einer jungen Generation, die, auf der Schwelle zum „reifen Erwachsenen“, nicht so recht weiß, was sie mit sich und dem Leben anfangen soll. Und während Jo aus der Ferne wiederkommt und ihre Heimat neu schätzen lernt, entdeckt Kati in Indien, dass die Welt noch mehr für sie bereit hält als einen festgelegten Studienplan, an dem ihr Herz gar nicht wirklich hängt. Der Zauber der Geschichte liegt, ganz typisch für Rosenmüller, in der spielerischen Leichtigkeit und dem warmherzigen Humor, mit der sie erzählt wird, in der aber jede Figur mit all ihren Schwächen und Fehlern ernst genommen wird. Anna Maria Sturm und Rosalie Thomass als Kati und Jo sind ein seit dem ersten Teil eingespieltes Team, die authentisch ihre Figuren verkörpern und denen der Zuschauer gerne auf ihrer Sinnsuche folgt. Die Nebenfiguren sind allesamt sympathisch und wachsen ans Herz, von der alten Clique in Tandern bis hin zu den durch die Fremde stapfenden besorgten Vätern. Dazu liefert die Kamera wunderschöne Bilder, nicht nur vom exotischen Indien, sondern auch vom winterlichen Oberbayern, das in seiner verschlafenen Ruhe und in seiner Alltäglichkeit dennoch viel Romantisches verbirgt. Am Ende haben sowohl Kati als auch Jo ihr Leben in eine neue Richtung gelenkt, ohne wirklich zu wissen, wohin die Reise geht. Aber das ist vielleicht das Schönste daran. Ein unterhaltsamer, witziger, warmherziger und moderner Heimatfilm, der vom Mut erzählt, wegzugehen. Und zurück nach Hause zu kommen.
Jurybegründung:
Marcus C. Rosenmüller sei dank gibt es ihn noch, den Heimatfilm. Und ebenso viel Dank gebührt ihm dafür, dass er ihn entstaubt und gegenwärtig gemacht hat. Im letzten Teil seiner BESTE-Trilogie trifft der oberbayerische Mikrokosmos auf die weite Welt, zieht es Kati auf der Suche nach Jo bis nach Indien. Aus der mal umwerfend komischen, mal zutiefst anrührenden Mischung aus Roadmovie to India und „mir san mir“-Heimatfilm entwickelt Rosenmüller ein stets lakonisches cineastisches Kabinettstück.
Die ohne Brachialhumor vorangetriebene Story wird von einem Cast getragen, der bis in die kleinsten Nebenrollen perfekt besetzt und mitreißend und anrührend aufspielt. Der Zuschauer merkt auch BESTE CHANCE an, dass Rosenmüller seine Charaktere nie vorführt, sondern liebevoll inszeniert und sich entwickeln lässt. Das dem Ganzen zu Grunde liegende Drehbuch ist klug aufgebaut, die Dialoge stecken voller kleiner Weisheiten und Wortspielereien, wie sie nur im Dialekt ausgedrückt werden können, die ihre ganz eigene philosophische Tiefe haben. „Ich kann dich heut‘ nicht mehr heiraten.“ „Gestern hast Du doch noch gekonnt?“ „Ja, aber heute tät ich dich anlügen.“
Humor kommt hier nicht als Klamauk daher, alles entsteht aus Situationen heraus, die glaubwürdig sind, nicht konstruiert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Coming-of-Age-Filmen werden hier beide Generationen gleichwertig behandelt, keiner ist der bessere, alle lernen von ihrer Umwelt und einander. Die soziale Reifung aller Protagonisten berührt den Zuschauer, oftmals auch in den Momenten, in denen Rosenmüller sein Talent für Situationskomik ausspielt.
Dank der beeindruckenden Kameraarbeit wird nicht nur die märchenhafte Schönheit Indiens in goldenem Licht gefeiert, sondern die winterliche Tristesse Oberbayerns in ihrer kargen Schönheit ebenso angemessen eingefangen. Der Film hilft, Auge und Herz für die Schönheit und Magie beider Landschaften zu öffnen. Hier gibt es kein „entweder oder“, hier gibt es ein verbindendes „sowohl als auch“. Wenn die Dramaturgie im ersten Viertel des Films noch nicht zu voller Stärke aufläuft, so geht doch keiner der eingeführten Charaktere im Laufe der Entwicklung verloren, wer eingeführt wurde, wird auch zu Ende erzählt, bevor er oder sie verabschiedet werden. Ob Licht, Ton, musikalische Untermalung oder Timing - mit BESTE CHANCE hat Rosenmüller alles richtig gemacht.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)