Macho-Attitüden und Vulgärvokabular muss man hier schon abkönnen. Denn dass man einander fickt (= fertigmacht) und Frauen ja sowieso nur für das eine gut sind, gehört zur supercoolen und hyperharten Gangsta-Pose der Rap-Community wie Baseball-Kappe und Baggy Pants.
Doch das alles ist gar nicht so schlimm, im Gegenteil: Bis aufs Blut hat nicht nur ordentlich Feuer da donnern die Bässe auf der Tonspur, da fließt der schnelle Schnitt, dass es einen mitreißt. Nein, Regisseur und Drehbuchautor Oliver Kienle, Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, bietet in seinem Diplomabschlussfilm auch rundum perfektes Kino mit Herz und Verstand, einem, das auf seine Weise unwiderstehlich ist wozu vor allem der Humor beiträgt, mit dem die Würzburger Szene souverän aufs Korn genommen wird. Zugleich darf Würzburg Würzburg bleiben und wird nicht zu Berlin hochjazzt: aus dem Provinziellem schlägt der Film Funken. Dass Kienle sich dort auskennt, merkt man seinem Film an, der, obwohl er vor lauter Energie fast platzt, unaufgeregt daherkommt.
Schnell und witzig (oder aber ziemlich klug geschrieben) sind die Dialoge, die Figuren mit leichter Hand so gelungen, dass sie einem schnell ans Herz wachsen. Gerade auch weil sie sich stets über sich selbst lustig machen und Kienle über sie lachen lässt, ohne sie je zu verraten. Ganz groß dabei und mit die beiden Hauptsäulen des Films: Jacob Matschenz und Burak Yigit, die zwei ungleichen Brüder. Was der Film an und mit ihnen an einer Bandbreite von Höhen und Tiefen durchzuspielen versteht, ist atemberaubend. Sule, der sich großspurig an eine Schülerin ranmacht, der aber kleinlaut und nervös wird, als die Weinprinzessin aus gutem Hause (auch so ein genialer tragischkomischer Nebenschauplatz!) das Heft in die Hand nimmt; Sule, der Tommy listig zur Sparkasse für einen Kredit mitschleppt und die große Träume pflegt, ihn aber auch wie stets mit den Fäusten verteidigt und der doch wegen seines Kokskonsums immer mehr abrutscht, immer unberechenbarer wird. Die Bandbreite von Komik und Tragik ist auch bei Matschenz Tommy enorm: Tommy, der immer etwas schlauer ist, zwischen der Welt seiner Freunde und der ernsten, der der Schule, seiner Freundin, seiner Mutter hin- und hergerissen ist und nicht weiß wohin, mit sich, seinem Frust; der immer mehr dahinterkommt, dass ihn wohl einer verraten hat und der zugleich gar nicht wirklich wissen will, von wem. Der in Frust und Verlorenheit nur gelernt hat, um sich zu schlagen, und schließlich doch zusammenbricht.
Bis aufs Blut Brüder auf Bewährung versteht auch was von Freundschaft, wie sehr diese auch runterzieht; er erzählt von Loyalität, die eine falsche sein kann und doch richtig ist. Zugleich schafft es der Film in den letzten zwei Szenen, Imponiergehabe noch einmal auf erschütternde Weise auseinanderzunehmen, echte Freundschaft auch mal ein Achselzucken sein zu lassen und überaus komisch und frech-cool, taffes Faustrecht zu entlarven und einem mit positivem Augenzwinkern zu entlassen.
Ein Gefühlsspagat, den man in Sachen Echtheit und Eleganz diesem furiosem Film mit Hirn, Herz und Pardon! Eiern erstmal nachmachen soll.
Fazit: "Bis aufs Blut - Brüder auf Bewährung" ist ein mitreißendes energie- und humorstrotzendes Jugend- und Freundschaftsdrama mit super Darstellern, Tempo, Sinn, Herz und Verstand.