Fast 18 Millionen Euro hat die paneuropäische Produktion von Black Book gekostet, das wird mehrmals im Presseheft erwähnt; rein faktisch und von den Finanzen her ist Black Book strengenommen eine majorativ deutsche Produktion, erklärt Jens Meurer, der deutsche CO-Produzent, und das hört sich ein bisschen so an, als wolle man den Filmfinanzierer VIP Medienfonds juristisch entlasten. Schließlich sitzt deren Geschäftsführer gerade in U-Haft wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung im großen Stil: Er soll die Gelder der Anleger statt als Risikokapital für Filme lieber in sichere Kapitalanlagen gesteckt und damit den Fiskus betrogen haben: Hier der Beweis, dass eben doch Filme finanziert wurden
Eine Menge Geld aus Deutschland also in diesem Film, der die Rückkehr von Paul Verhoeven in die niederländische Filmlandschaft markiert, der zuvor in den USA mit Edeltrash wie Basic Instinct oder Starship Troopers Erfolg hatte. Sein Black Book nun schwankt zwischen anspruchsvollem Thriller und klischeehaftem Nazifilm (und vice versa), es ist ein Film über die chaotischen letzten Kriegstage in Den Haag, einer Art Insel abseits der Kampfhandlungen 1945, aber gerade deshalb in steter Erwartung der Befreiung durch die Engländer. Widerstandskämpfer, versteckte Juden, Gestapo und SS, Verräter und rachedurstiger Pöbel, opportunistische Anbiederung an die Nazis und das Bemühen, unnötiges Blutvergießen zu vermeiden: Viele komplementäre Pole hat der Film, viele Ansatzpunkte für die Auslotung von Charakter- und Plottiefen. Doch gleichzeitig, als Thriller, muss er auch schnell sein, und so stolpert er über vieles, das eine nähere Betrachtung nötig gehabt hätte.
Plotpoint folgt auf Wendepunkt, Drehbuchtwist auf Handlungsvolte: Dass ständig etwas passiert, und meist das Gegenteil dessen, was die Figuren erwarten, ist Prinzip des Films, soll wohl die grundsätzliche Unsicherheit der Widerstandskämpfer im feindlichen Klima des nazibesetzten Hollands veranschaulichen, die nötige ständige Alarmbereitschaft, weil jederzeit aus dem Nichts Razzien und Kontrollen, Verrat und tödliche Fallen drohen. Andererseits wird für dieses Tempo einiges an potentieller emotionaler Kraft verschenkt; denn wirklich mit den Filmfiguren beschäftigen kann man sich nicht, wenn die verfilmten Drehbuchseiten nur so an einem vorberflattern.
Irgendwann wird diese ständige Unberechenbarkeit berechenbar: Der Zuschauer erkennt das Prinzip, weiß, dass nichts so ist, wie es scheint, dass er dem Film nie trauen kann; und deshalb können die vielen Überraschungen nicht mehr funktionieren, das Spiel mit dem Auf und Ab des Spannungsbogens wird regelmäßig und damit uninteressant. Immer wieder sind da hübsche Ideen: Wenn fliehende Juden sich als Gefangenentransport der Gestapo verkleiden und so durch die Straßensperren kommen; wenn Rachel, die Hauptfigur des Films, als Leiche getarnt im Sarg durch eine Kontrolle geschleust wird. Doch stets weiß man, wann der nächste Twist kommen wird, manchmal gar mit Ankündigung: Wenn die Familie sich schwört, von jetzt ab nie mehr getrennt zu sein, ist klar, dass der Tod nur noch zwei Filmminuten weg ist.
Das Spiel mit Verrat, mit dem Konflikt zwischen Widerstand und Nazikollaboration, mit dem Infiltrieren des SS-Hauptquartiers durch Rachel/Ellis de Vries, die sich an den Hauptsturmführer Müntze ranmacht, seine Geliebte wird, sich also für die Resistance prostituiert: Das ist durchaus spannend; wird aber durch viele Nebenhandlungen und (zu) viele Figuren zeitweise verwässert. Und immer wieder gehts Richtung Klischee, oder es wird ganz hanebüchen: Da ist die reiche Jüdin, die ihre Juwelen unterm Pelzmantel versteckt und damit ganz antisemitischen Karikaturen entspricht; SS-Mann Müntze erkennt, dass seine neue Geliebte Jüdin ist, weil sie ihre schwarzen Haare blond gefärbt hat (!); der superreligiöse Widerständler kann erst dann einen erschießen, als der gotteslästerlich flucht; die Musik sagt uns überdeutlich, was zu fühlen ist; und den meisten Figuren ist schon am Gesicht ihre Gesinnung anzusehen, vor allem bei der SS
Und dann auch immer wieder Nachlässigkeiten: Da kotzt Ellis ins Klo und spült sich hinterher nicht mal den Mund aus, nimmt nur ein Schlückchen Champagner, das wars an Mundpflege, alles ist wieder gut; da öffnet ein Arzt die Chloroformflasche, indem er den Korken mit den Zähnen herauszieht.
Das sind Momente, in denen der Film das mit den Händen Aufgebaute mit dem Arsch wieder einreißt. Dabei ist das Drehbuch genau konstruiert, wie Zahnräder greift eins ins andere: ein böser SS-Mann lockt reiche Juden in die Falle, erschießt sie und raubt sie aus; der Widerstand erschießt den Verräter, der als Lockvogel dient; dafür will die SS Geiseln erschießen; die müssen befreit werden, und dafür verkleiden sich die Kämpfer eben als Gefangene, die zur Hinrichtung ins SS-Hauptquartzier transportiert werden; die Aktion scheitert, ein SS-Spitzel hat alles verraten: doch wer? Eines führt elegant zum anderen, und zwischendurch schöne Seitenblicke auf Sekretärinnen, die erfolterte Geständnissen tippen müssen, oder auf die Feiern der SS-Granden, die regelmäßig in fröhlichen Geschlechtsverkehr für alle münden.
Das Schwarze Buch des Titels ist ein Relikt der Realität in diesem Film. Das Notizbuch eines Den Haager Anwalts, der zwischen Widerstand und NS-Sicherheitsdienst verhandelte, um weitere Tote zu vermeiden, ist legendär, es enthielt Namen von Verrätern und Kollaborateuren doch es wurde nie gefunden. So ähnlich ist auch der Film. Er reißt vieles an, beschreibt in mitunter spannender Thrillerdramaturgie den Widerstand gegen die Nazi-Besatzer doch auf den Punkt kommt er nicht, huscht über Relevantes hinweg und sagt damit letztendlich viel zu wenig. Am Ende bleibt nichts übrig.
Fazit: Der Thriller über den Widerstand gegen die NS-Besatzung ist zwiespältig: einerseits flott und durchaus spannend, stolpert er andererseits über diverse Fallen von zu vielen Plottwists, Klischees und hanebüchenen Volten der Logik.