Wenn Marvel Studios ruft, kommen die Filmschaffenden angerannt, möchte man meinen. Bis auf Lucrecia Martel. Sie hatte einen guten Grund, das Angebot abzulehnen.
Es war schon etwas kurios, dass Marvel Studios der von Scarlett Johansson famos gespielten Natasha Romanoff alias Black Widow im Marvel Cinematic Universe (MCU) erst nach dem großen Finale der ersten drei MCU Phasen mit „Avengers: Endgame“ den wohlverdienten Solofilm spendierte. In gewisser Weise ergab das einen Sinn, denn so konnte sich das Publikum und die vielen Fans noch einmal gebührend von dieser beliebten Figur verabschieden, nachdem sie sich im Kampf gegen Thanos geopfert hatte.
Es könnte aber auch daran gelegen haben, dass Kevin Feige, seines Zeichens Präsident von Marvel Studios und CCO von Marvel Entertainment, gemeinsam mit seinem Team nichts dem Zufall überlassen wollte. „Black Widow“, den ihr über den Streamingdienst Disney+ schauen könnt, sollte der erste MCU-Film sein, der von einer Regisseurin ganz allein inszeniert wird. Bei „Captain Marvel“ war zwar bereits Anna Boden an Bord gewesen, sie teilte sich da jedoch die Regie mit Ryan Fleck. Über 70 geeignete Filmemacherinnen wurden ins Auge gefasst. Die Wahl fiel dann zunächst auf Chloé Zhao, die sich allerdings für „Eternals“ entschied. Also ging Marvel Studios mit der Idee zur zweiten Wahl: Lucrecia Martel.
Die preisgekrönte argentinische Regisseurin gilt als eine treibende weibliche Kraft hinter dem Arthaus-Kino („Zama“) mit einem Blick für die feinsten Details. Umso verwunderter reagierte sie, als sich Marvel Studios bei ihr meldete, um mit ihr über eine potenzielle Zusammenarbeit an „Black Widow“ zu sprechen. Gegenüber The Daily Pioneer hatte sie schon zuvor wissen lassen, dass es letzten Endes an den klassischen kreativen Differenzen scheiterte:
„Was sie mir beim Treffen gesagt haben, war: ‚Wir brauchen eine Regisseurin, weil wir jemanden brauchen, die sich hauptsächlich mit der Entwicklung von Scarlett Johanssons Charakter befasst.‘ Sie sagten mir außerdem: ‚Mach dir keine Gedanken wegen der Actionszenen, wir kümmern uns darum.‘ Ich dachte mir: Nun, ich würde es lieben, Scarlett Johansson zu treffen, aber ich würde es auch lieben, die Actionszenen zu drehen.“
Dass ihr nicht zugetraut wurde, Action inszenieren zu können, muss ihr so missfallen haben, dass der Deal nicht zustande kam. Letzten Endes übernahm die australische Filmemacherin Cate Shortland die Regie bei „Black Widow“, die Action verantwortete hierbei Second-Unit-Director und Stuntman Darrin Prescott („John Wick“, „Black Panther“). Welche Filme und Serien euch in der Multiverse-Saga Marvels erwarten, seht ihr in unserem Video.
„Black Widow“: Lucrecia Martell hat den Film bis heute noch nicht gesehen
Auf die Frage im Interview mit The Filmstage, ob sie den 2021 veröffentlichten Marvel-Film mittlerweile gesehen habe, verneint die 56-Jährige und nennt auch den Grund, warum:
„Ich habe es versucht. Wie sich herausgestellt hat, sind einige der Marvel-Filme auf den Flügen verfügbar, also habe ich ein paar davon angeschaut. Ich finde den Ton darin absolut geschmacklos, die visuellen Effekte und die Toneffekte. Es ist die Auswahl der Klänge, die sie mit den Effekten verbinden, die wirklich sehr abstoßend ist. Und die Art und Weise, wie die Musik eingesetzt wird, ist wirklich abscheulich.“
Erstaunliche und sehr direkte Kritikpunkte, die Martel anbringt. Genau das hatte sie schon damals gegenüber den Marvel-Verantwortlichen moniert. Zu ihrer Verteidigung und bevor sie die Wut aufgebrachter Fans auf sich zieht, muss man aber sagen, dass sie sehr, sehr viel Wert auf eine harmonische und zur Handlung und Stimmung kontribuierende Geräuschkulisse legt. Wall-to-Wall-Soundtracks, wie sie in Hollywood zum Standard gehören, also die fast durchgehende musikalische Untermalung und eine damit einhergehende akustische Übersättigung, sind ihr zuwider. Eine sehr gute Abhandlung zu Martels Arbeitsweise bietet Dominique Russell.
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