Spike Lees neuer Film ist eine kraftvolle Mischung aus Thriller und Satire und erzählt die wahre Geschichte eines afro-amerikanischen Polizisten, der sich Ende der 70er mithilfe seiner Kollegen in den Ku-Klux-Klan einschleust.
Colorado Springs, 1978: Ron Stallworth tritt als erster afro-amerikanischer Polizist in der Stadt seinen Dienst an - und wird sofort ins Aktenarchiv versetzt. Von Tatendrang beflügelt bietet Ron sich seinen Vorgesetzten als Undercover-Agent an. Ein Wunsch, der sich nur allzu schnell erfüllt. Denn als ein Vertreter des Ku-Klux-Klans am Telefon denkt, Ron Stallworth sei ein patriotisch-rassistisch denkender Weißer, kommt dieser auf die Idee, den Klan zu infiltrieren. An sich ein guter Plan. Doch wie soll sich ein Mann mit dunkler Hautfarbe in eine Organisation einschleusen, deren Mitglieder so weiß sind wie die Kapuzen, die sie tragen? Dass sich Stallworth während seiner Untersuchungen in die Anführerin der Black-Power-Studentenbewegung verliebt, macht natürlich alles noch komplizierter. Was sich anhört wie eine überzeichnete Groteske, basiert auf Tatsachen. Spike Lee erzählt die wahre Geschichte als packenden und wortgewaltigen Thriller, der durch eine genaue Konstruktion der Ereignisse nicht nur viel über die Vorgänge innerhalb des Klans offenbart, sondern auch auf bitterböse Weise den Geist eines Teils der amerikanischen Gesellschaft offenlegt. John David Washington als Ron ist cool, lässig und seinen Gegnern, die sich auch in den eigenen Reihen der Polizei befinden, an Intelligenz und Eloquenz absolut überlegen. Und doch spürt man die Angst des jungen Mannes, der als Polizist die Gesellschaft beschützen will - und durch seine Hautfarbe von einem Teil eben jener Gesellschaft immer abgelehnt wird. Neben Washington überzeugt auch der Rest des Ensembles, allen voran Adam Driver als Rons Kollege, der sich als „Gesicht“ Rons in den Klan einschleusen lässt und Topher Grace als KKK-Anführer David Duke, in dessen unfreiwillig komischen Aussagen sich die gesamte Beschränktheit des Denkens offenbart, die sich auch bei vielen Mitgliedern wiederfindet. Für die Erzählung lässt sich Lee Zeit und baut sorgsam den Spannungsbogen auf, um ihn dann gegen Ende in einem gewaltigen Showdown zu entladen. Das perfekte Setting, der kongeniale Soundtrack sowie Kamera, Licht- und Farbsetzung imitieren höchst überzeugend den Look der 1970er Jahre. Klug und reflektiert stellt Lee die aufrührerischen Reden des Klans den Protestveranstaltungen der Black-Power-Bewegung entgegen und bebildert so das mit Wut und Hass geladene Pulverfass, auf dem Amerika nicht nur damals saß. Spike Lee beendet seinen Film mit dokumentarischen Aufnahmen des Rechtenaufmarschs in Charlottesville 2017 und demonstriert, wie nah die filmische Vision der gesellschaftlichen Realität ist. Und darüber hinaus, wie kraftvoll, beeindruckend, hochaktuell und wichtig dieser Film ist.
Jurybegründung:
Der Film BLACKKKLANSMAN basiert auf dem Buch „Black Klansman: Race, Hate, and the Undercover Investigation of a Lifetime“, das 2014 von Ron Stallworth veröffentlicht wurde. Stallworth leitete 1978 als Polizist tatsächlich eine Undercover-Ermittlung gegen den Ku Klux Klan in die Wege und wurde dafür selbst zu einem Mitglied. Möglich war die Verschleierung seiner Hautfarbe, indem er sich bei Treffen mit anderen Mitgliedern des Klans durch einen weißen Polizeikollegen vertreten ließ.
Ron Stallworth (John David Washington) arbeitet im Jahr 1978 als einziger farbiger Polizist in Colorado Springs im US-Bundesstaat Colorado. Als der Ku-Klux-Klan (KKK) dort immer einflussreicher wird, beschließt der Cop, die rassistische Vereinigung trotz des Gegenwindes in den eigenen Reihen zum Ziel einer Undercover-Untersuchung zu machen und diese zu infiltrieren. Es gelingt ihm, eine Mitgliedschaft zu erlangen, ohne dabei in persönlichen Kontakt mit den Klan-Mitgliedern treten zu müssen, und bald steigt er in der Hierarchie so weit auf, dass er sogar für die Stelle vorgeschlagen wird, die lokale Niederlassung in Colorado Springs zu leiten. Auf diese Weise gelingt es ihm, in letzter Minute einen rechtsextremistischen Anschlag zu verhindern.
Der Film BLACKKKLANSMAN folgt nicht nur einer Logik im Werk von Spike Lee in seiner konsequenten Beschäftigung mit der Black Power-Bewegung, sondern kommt zweifellos zur richtigen Zeit angesichts der weltweit erstarkten rechten und rassistischen Tendenzen. Der Film ist über weite Teile ein latenter Kommentar zur negativen Auswirkung der Politik von Donald Trump und nimmt am Ende mit dokumentarischen Mitteln explizit Stellung zu gegenwärtigen Strömungen in den USA. Er vermittelt auch noch einmal, dass David Duke das Credo ‚America First!‘ als Klan-Phrase etablierte, bevor der gegenwärtige Präsident sie skandierte.
Der Film ist zweifellos politisch agitativ, er bietet jedoch zahlreiche Differenzierungen in der Figurenzeichnung und der Montage, um das Publikum nicht zu ‚entmündigen‘. Dass er einige Veränderungen gegenüber der historischen Vorlage vornimmt, ist für die filmische Verdichtung legitim (so war Stallworth selbst nicht mit einer Black Power-Aktivistin liiert).
Die Inszenierung lässt sich viel Zeit in den Tanzszenen, beim Kennenlernen, in den Momenten kollegialer Gemeinschaft und bei der Beobachtung der Polizeiarbeit. Er bedient sich bei der generischen Tradition des Buddy-Cop-Films ebenso wie bei den Procedural-Movies, in denen die Ermittlung selbst im Zentrum steht. Sein Stil ist am Paranoia-Kino des New Hollywood und am Blaxploitation-Film (SHAFT, SUPER FLY, COFFY, FOXY BROWN) geschult, seine Erzählweise ruft Erinnerungen an David Finchers ZODIAC wach. Zugleich bezieht er sich auf den latenten Rassismus Hollywoods: Szenen aus VOM WINDE VERWEHT (1939) und GEBURT EINER NATION (1915) werden unter diesen Aspekten deutlich dekonstruiert. Zudem scheut Lee nicht vor einer beachtlichen Ambivalenzmontage zurück, die White Power- und Black Power-Versammlungen in Relation stellen.
Ganz beiläufig bietet der Film auch eine überzeugende Rekonstruktion der 1970er Jahre und mit seinem erstklassigen Casting bis in kleinste Rollen hinein kann Spike Lees neues Werk begeistern. Die Jury ist von dem Film auf allen Ebenen überzeugt und sieht ihn auch geeignet als Diskussionsbasis für Schulen und Weiterbildungsveranstaltungen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)