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Blade Runner 2049 Filmkritik: Wie nah ist uns die Zukunft?

Blade Runner 2049 Filmkritik: Wie nah ist uns die Zukunft?

Mit „Blade Runner 2049“ legt der „Arrival“-Regisseur Denis Villeneuve eine beeindruckende Zukunftsvision vor. Doch wie futuristisch ist das Update des Science-Fiction-Klassikers wirklich? Villeneuves Vision kommt unserer Gegenwart deutlich näher, als es auf den ersten Blick scheint. Das Science-Fiction-Spektakel „Blade Runner 2049“ in der Filmkritik.

In der Zukunft hat jeder Haushalt eine Alexa oder Cortana, eine Künstliche Intelligenz, die nur darauf wartet, dass man nach Hause kommt, um einem den Feierabend zu versüßen. Man soll sich nicht allein fühlen, in dem Einzimmerapartment mit Singleküche und Sekundendusche. Die K.I. führt Gespräche, simuliert Kochgeräusche und durch einen Projektor tritt sie sogar als Hologramm auf uns zu. So echt, als könne man sie berühren. In „Blade Runner 2049“ heißt diese K.I. Joi (Ana de Armas), und mithilfe eines Projektors im USB-Stick-Format kann man sie überall hin mitnehmen. Der Blade Runner K (Ryan Gosling) vergisst beinahe, dass sie nicht real ist („Her“ lässt grüßen).

Stumme Gewalt: Ryan Gosling als Blade Runner

Spielte der erste „Blade Runner“-Film im Jahr 2019, ist die Vision von Denis Villeneuve nun noch einmal in die Zukunft gerückt, ins Jahr 2049. Nach dem Kollaps des Ökosystems ist die Menschheit abhängig von synthetischer Nahrung, synthetischer Arbeitskraft und synthetischer Liebe. Dass K selbst kein Mensch ist, verrät der Film bereits in den ersten Minuten. Darin stellt K den entflohenen Replikanten Sapper Morton (Dave Bautista). Was sie unterscheidet, ist lediglich das Baujahr. Doch Sapper widersetzt sich der Zwangsherrschaft des Menschen. K hingegen ist ein guter Arbeitssklave - und ein noch besserer Bluthund.

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Der Widerspruch von K ist, dass er als Replikant entwickelt wurde, seinesgleichen zu jagen und „in den Ruhestand zu versetzen“, wie K es nennt - denn töten kann man nur, was auch lebt. Eine Maschine wie Sapper oder K hingegen, so menschenähnlich sie erscheinen mag, stellt lediglich die Arbeit ein. Sie ist nicht tot, sondern kaputt. Nachdem K seinen Job erledigt hat, macht er bei Sapper jedoch eine brisante Entdeckung, die das Potenzial hat, die Grenze zwischen Mensch und Maschine endgültig zu verwischen. Und ebenso wie für Rick Deckard in Ridley Scotts Meisterwerk stellt sich auch für K die Frage, was real ist und was nicht.

„Blade Runner 2049“ – Trailer

Mehr als nur ein Gastauftritt: Harrison Ford in „Blade Runner 2049“

Ryan Gosling spielt den Replikanten K gefühlskalt und reduziert. Dabei verzichtet er jedoch auf die eigenartig schleppenden Bewegungen, die noch Scarlett Johansson in „Ghost in the Shell“ als Maschine gekennzeichnet haben. Ähnlich wie in Nicolas Winding Refns unterkühltem L.A.-Thriller „Drive“ ist Gosling eine stumme Gewalt, die wartet und kaum je ausbricht, dann aber umso verzweifelter. Ihm gegenüber steht Harrison Ford, der noch einmal in die große Rolle des Rick Deckard schlüpft. Ein letztes Rätsel wird auch Villeneuve nicht antasten. Dafür gibt er Deckard so viel Raum, dass er die zweite Hälfte des Filmes quasi allein trägt, so charmant und sarkastisch wie Ford eben sein kann. Zeigte „Blade Runner“ noch, wie Deckard an seinen Erinnerungen zweifelt, ist die Fortsetzung quasi die Antithese und K eine Figur, die andere Wege einschlägt.

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„Wir alle suchen nach etwas Echtem“, sagt Madame (Robin Wright), Ks Vorgesetzte beim LAPD. Im Los Angeles der Zukunft wird die Unterscheidung jedoch immer schwerer. Was ist echt, was bloß Oberfläche? Maschinen, die aussehen wie Menschen, Hologramme, die sich über die Realität legen wie auf eine Leinwand, inszenierte Erinnerungen so perfekt, dass man meint, sie wirklich erlebt zu haben. Joi sagt immer genau das, was sich K wünscht, tut immer genau das, was er will. Wenn er sie fragt, wer er ist, wie wird sie antworten? „Bisher sind sie ganz gut ohne Seele zurechtgekommen“, sagt Madame. Sie ist ein Mensch, sie weiß, wovon sie spricht.

So unterscheidet sich „Blade Runner 2049“ vom Vorgänger

Und da ist sie wieder, die Welt von „Blade Runner„, die Ridley Scott Anfang der 1980er-Jahre so spektakulär auf die Leinwand gebracht hat, dass der Science-Fiction-Film noch heute davon zehrt. Villeneuve weiß, dass er sich vom Vorbild lösen muss, aber bitte nicht zu weit. Zum Glück tappt er nicht in die „Ghost in the Shell„-Falle und tischt einfach mehr Action auf, oder macht es wie Scott in den letzten Jahren und ergötzt sich an Lehrstunden in Sachen Theodizee („Prometheus„, „Alien: Covenant„) oder Bibel-Exegese („Exodus: Götter und Könige„). Stattdessen baut Villeneuve auf der bereits etablierten Welt auf und lässt sie für sich sprechen.

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„Blade Runner 2049“ ist ein sehr langsamer Film, getragen, melancholisch, manchmal fast unspektakulär. Villeneuve nimmt sich Zeit, Details aus den Häuserschluchten von Los Angeles zu zeigen und wundervolle Ideen wie etwa die vom Hologramm Joi, das auf der Suche nach einem echten Körper ist, voll zu entwickeln und visuell auszureizen. Begeistert hat Scott in der Vergangenheit vor allem mit seinen Set-Designs. Dort knüpft Villeneuve an.

Fans fühlen sich in der Fortsetzung sofort heimisch. Da sind sie wieder, die Industriepyramiden, in denen moderne Pharaonen (Jared Leto) thronen und nach der Weltformel suchen, die versifften Straßen, in denen es pisst, schneit, ascht vor meterhohen Leuchtreklamen und exotischen Clubs, da schnurren Schwebeautos umher – und „Blade Runner 2049“ taucht noch tiefer in diese Welt ab. Villeneuve fügt außerdem einige neue Sets hinzu. Wir entdecken eine Mülldeponie im Stadtgebiet des ehemaligen San Diego, einen Schiffsfriedhof, wo Kindersklaven Nickel aus alten Prozessoren klauben. Las Vegas wiederum ist eine verstrahlte Wüste, orangerot, menschenleer und voller nostalgischer Erinnerungen an die Unterhaltung der alten Zeit. Darüber hinaus gibt es dort endlich einen Whiskey.

„Blade Runner 2049“ Soundtrack: Hans Zimmer auf den Pfaden von Vangelis

Behutsam erneuert ist auch der Soundtrack von „Blade Runner 2049“. Wer im Vorfeld befürchtet hat, Hans Zimmer („Dunkirk„) könne die Orchester-Maschine aufdrehen, sei hiermit beruhigt. Zusammen mit Benjamin Wallfisch („Annabelle 2„) hat Zimmer einen wuchtigen, aber auch atmosphärischen Soundtrack geschaffen, der es vor allem schafft, die Kulisse der Stadt einzufangen. Verkehr knattert vorbei, Sirenen jammern und entfernen sich klagend, während Fremdsprachen wie Dauerregen auf den Zuschauer einprasseln. Immer wieder tauchen Synthie-Klänge aus dem Lärm auf, die sich hörbar vor Vangelis verneigen. Der Soundtrack ist zwar weniger Jazz, weniger fließend wie ein Luftspiel, doch schon bevor die ersten Bilder zu sehen sind, etabliert die Musik eine andere Welt.

„Blade Runner 2049“-Filmkritik: Villeneuves Vision

Stellt sich die Frage: Hat Villeneuve die Vorlage lediglich aktualisiert oder bringt er auch eigene Einflüsse mit? Was stammt originär von ihm? Deutlich vom Vorgänger unterscheidet sich „Blade Runner 2049“ im starken Fokus auf die Erotik. Auch das Original handelte vom Körper als Ober- und Projektionsfläche, auch dort ging es um die Verfügbarkeit von Puppen. Villeneuve dreht diese Stellschraube jedoch ein entscheidendes Stück weiter. Bezeichnend sind allein die vielen herausragenden Frauenrollen des Filmes wie etwa Polizeichefin Madame, die vielleicht mit K flirtet, die Killerin Luv (Sylvia Hoeks), die während der Maniküre eine Kampfdrohne steuert, die Prostituierte Mariette (Mackenzie Davis), die Erinnerungen an Pris weckt, oder die verhuschte Erinnerungstechnikerin (Carla Juri) – sie alle prägen den Film weit stärker als Gosling oder Harrison Ford.

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In einer der stärksten Szenen des Filmes versucht Joi, mit K zu schlafen. Dafür hat sie die Prostituierte Mariette angeheuert. „Du stehst wohl nicht auf das Echte“, bemerkt Mariettte abfällig. Dann legt sich das Hologramm von Joi über ihren Körper, verschmilzt mit ihrem Gesicht und ihren Bewegungen, damit K Joi nicht nur sehen, sondern auch fühlen kann. Das Hologramm nutzt einen Menschen als Vehikel. In diesem Bild ist die Vorstellung wünschenswerter als die Realität, und deshalb auch echter. Am nächsten Morgen wird Mariette von Joi rausgeworfen, als wäre sie ersetzbar, dabei ist es doch Joi, die bloß aus Licht und Code besteht.

Als „Blade Runner“ im Jahr 1982 erschien, muss das Jahr 2019, in dem der Film spielt, sehr weit entfernt gewesen sein. In „Blade Runner 2049″ ist uns die Zukunft deutlich näher gekommen. Das erste Aufeinandertreffen von Gosling und Harrison Ford findet vor dem Hintergrund einer holografischen Elvis-Show statt, wie man sie heute in Las Vegas bereits sehen kann. Joi wiederum ist ein digitaler Akteur wie Carrie Fisher in „Rogue One: A Star Wars Story„. Und auch das L.A. der Zukunft wirkt weniger fremd als im ersten Film - Sprachwirrwar und Hyperkulturalität sind heute eben normaler als in den 1980er-Jahren. Insgesamt kommt einem die Dystopie von „Blade Runner 2049“ in einigen Punkten deshalb beinahe erschreckend vertraut vor, nicht überraschend neu. Die Spitze des Eisberges ist da nur, dass K einen Peugeot durch das futuristische L.A. fliegt.

Ryan Gosling und Co. – diese 10 Schauspieler wurden während der Dreharbeiten entlassen

Die „Blade Runner“-Kurzfilme

Um die zeitliche Distanz zum Vorgänger zu überbrücken, hat Villeneuve übrigens eine besondere Idee entwickelt: Die Vorgeschichte zu „Blade Runner 2049“ lässt er in drei Kurzfilmen von Stars wie dem „Cowboy Bebop„-Regisseur Shinichirô Watanabe erklären. Darin wird die Geschichte nicht nur mit mehr inhaltlichem Futter ausgestattet und zum Beispiel erklärt, was aus der Tyrell-Corporation geworden ist oder wie sich die Robotik seit dem Jahr 2019 weiterentwickelt hat. Darüber hinaus kann man sich auch auf das kurze Gedankenspiel einlassen, wie der Science-Fiction-Klassiker wohl als Anime aussehen würde. Mehr Informationen zu den kurzen „Blade Runner 2049“-Prequels findet ihr natürlich bei uns.

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Ist „Blade Runner 2049“ wirklich ein Meisterwerk?

In den USA wird „Blade Runner 2049“ bereits als Meisterwerk bezeichnet. Was zeichnet ein Meisterwerk aus, und kann man das so kurz nach dem Kinostart überhaupt schon beurteilen? In „Blade Runner 2049“ bringt uns Denis Villeneuve („Arrival„) bei, eine Welt zu sehen, die nach dem Kinobesuch wie eingebrannt ist. Als könne man die Bilder wiedererkennen, den Klang vor allem, die Straßen, den Lärm, die Massen. Diese Immersion erkauft sich der Film durch einige erzählerische Längen und Plottwists, die nicht sonderlich überraschen. Doch Villeneuve erzählt keine Geschichte, sondern eine Welt – und das ist ihm hervorragend gelungen.

Fazit: „Blade Runner 2049“ ist ein würdiges Update des Science-Fiction-Klassikers. Denis Villeneuve findet beeindruckende Bilder, um das dystopische Los Angeles der Zukunft zum Leben zu erwecken. Doch die Vision ist so weit entfernt nicht mehr. Mehr Freiheit vom Original hätte hier vielleicht geholfen. Fans freuen sich trotzdem auf ein Widersehen mit Harrison Ford, das über einen kurzen Gastauftritt weit hinaus geht und der kühlen Umwelt des Filmes einen menschlichen, warmen Akzent verleiht.

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