Die Leinwand ist komplett schwarz. Sekunden vergehen und nichts tut sich. Doch dann - ganz leise - sind Atemgeräusche zu hören. Atemgeräusche, die immer lauter und heftiger und dann zu einem panischen Keuchen werden. Plötzlich ein Lichtblitz und dann noch einer und noch einer und dann endlich eine konstante Lichtquelle: Die kleine Flamme eines Feuerzeugs lässt den Zuschauer endlich sehen, wo er sich befindet: Eingeschlossen in einem Sarg und zwar zusammen mit Ryan Reynolds!
Zugegeben, viele Frauen und mit Sicherheit auch so mancher Mann könnte sich bis zu diesem Moment bestimmt deutlich Schlimmeres vorstellen, aber dieses Genre wollte Regisseur Rodrigo Cortés nicht bedienen.
Statt dessen wandelt der in Deutschland bislang noch eher unbekannte Regisseur mit seinem zweiten Langfilm ganz deutlichen auf den Spuren Hitchcocks und erzählt mit Buried ein Ein-Mann-Kammerspiel, allerdings ohne sich Hitchcocks berühmtestem Stilmittel zu bedienen - dem Suspense. Der Zuschauer weiß die ganze Zeit über nur genauso viel wie Paul. Wie er steht auch der Zuschauer den Stimmen am anderen Ende der Telefonleitung skeptisch gegenüber, weil sich nur an der Stimme nicht einwandfrei beurteilen lässt, ob von ihr wirklich Hilfe zu erwarten ist. In vielerlei Hinsicht weiß der Zuschauer sogar weniger als Paul, denn wie kompliziert seine zwischenmenschlichen Beziehungen zur Ehefrau, Mutter und Arbeitskollegin sind, kann man im Publikum nur erahnen.
Da hier an dieser Stelle das furiose Ende natürlich noch nicht verraten werden soll, ist das nächst Naheliegendste, über das unbedingt gesprochen werden muss, die Besetzung: Ryan Reynolds ist ja bislang eher weniger als Charakterkopf in Erscheinung getreten, sondern mehr durch sein komödiantisches Talent wie in Selbst ist die Braut oder Actionspektakeln wie Smokin´ Aces und vor allem durch seinen durchtrainierten Körper. Filme wie Zurück im Sommer, die ihm nicht nur das richtige Timing für Komik abverlangten und mehr erforderten, als mit Platzpatronen um sich zu ballern, sind von der Kritik bisher ungeachtet geblieben oder gar verrissen worden. Mit Buried wird es anders laufen. Einen abendfüllenden Spielfilm komplett allein zu tragen, stellt für jeden Schauspieler eine Herausforderung dar und wenn dann noch erschwerte Bedingungen, wie der überaus beengte Raum, nur liegend agieren zu können und die spärliche Beleuchtung, beziehungsweise selbst für sie verantwortlich zu sein, hinzukommen, wird diese Herausforderung enorm. Zudem betrug die Drehzeit nur insgesamt 17 Tage und an jedem Tag wurden 25 bis 35 Szenen gedreht, was dem gesamten Team mit Sicherheit einiges abverlangte. Aber, ob wider Erwarten oder nicht, Reynolds meistert diese Herausforderung und nutzt die Möglichkeit der manchmal bis zu sechs Minuten langen Einstellungen, um die ungeheuere Bandbreite an Emotionen wachsen zu lassen, um wenn nötig eine Explosion herbeizuführen, glaubhaft. Wie Angst, die erst in Panik umschlägt und dann zu Verzweiflung wird. Wut und Hoffnung, die sich beinahe minütlich abwechseln. Erzwungene Ruhe, die erst in Resignation und schließlich Erschöpfung mündet. Reynolds lässt den Zuschauer an seiner Achterbahn der Gefühle (um einen sehr abgenutzten, aber dennoch äußerst passenden Ausdruck zu bemühen) schmerzhaft teilhaben und dass, ohne seinen Sinn für sarkastischen Humor ganz zu verlieren.
Und trotzdem, das Konzept den Zuschauer zu Paul Conroy in den Sarg zu ziehen, gelingt nicht von Anfang an. Möglicherweise deshalb, weil man als Zuschauer anfangs zu fasziniert von der Machart ist, von zahlreichen unterschiedlichen Kameraperspektiven auf so angeblich engem Raum, die den Platz im Sarg hin und wieder aber doch größer erscheinen lassen, als er eigentlich sein dürfte und von den unterschiedlichen Lichtverhältnissen, die durch simple Dinge, die Paul zur Verfügung stehen, on-location suggeriert werden: das Feuerzeug, das ein angenehm warmes Licht erzeugt, den blauen, kalten Schein, des Handydisplays und der unangenehme grellgrüne Leuchtstab. Kurzum, man kann sich nicht voll und ganz auf Pauls Schicksal einlassen. Das gelingt erst etwas später, wenn Paul mit seiner Mutter telefoniert und für einen kurzen Moment wieder zu einem kleinen Jungen wird, da erwischt es zuerst den gefühlsduseligeren Teil des Publikums, aber spätestens, wenn sich die Lage für Paul immer weiter zuspitzt, der Sauerstoff immer weniger wird, dafür aber immer mehr Sand in den Sarg rieselt, rutscht auch der letzte abgebrühte Zuschauer unruhig und äußerst angespannt in seinem Kinosessel herum und ist vor allem froh darüber, genug Platz zu haben, rumrutschen zu können.
Fazit: Buried ist ein Ein-Mann-Kammerspiel auf denkbar engstem Raum, ein durchaus gelungenes Experiment mit einem überraschenden Ryan Reynolds nicht nur als Protagonist, sondern als einzigem Akteur...