Mit viel Guerilla wird der Film promotet: Bei der King Kong-Premiere lief Maurizio Antonini, das Berlusconi-Double, über den roten Teppich und wurde für echt gehalten, bei der Berlinale-Premiere des Films wurde vor dem Kino gegen Berlusconi demonstriert, eine italienische Musikgruppe, die zum Filmteam gehört, stimmte im Kinosaal die Internationale an.
Und auch im Film selbst ist die Guerilla-Taktik Trumpf: Ständig von der italienischen Obrigkeit bedroht, dreht ein Team junger Leute einen Anti-Berlusconi-Film; um dem Gesetz zu entgehen, darf aber den Name des Ministerpräsidenten nicht fallen, er wird im Film auch konsequent überpiept. Weshalb ein an Entenhausen angelehntes Italien gedoubelt wird, in dem ein Berlusconi-Double, Micky Laus genannt, entführt und vor ein Internet-Gericht gestellt wird. Urteil: 90 Jahre Haft.
Soweit, so klar: ein eifriger, tapferer, frecher Anti-Berlusconi-Film, den Jan Henrik Stahlberg in bekannter schneller Digitalkameramanier gedreht hat, vieles wirkt improvisiert, vieles wild originell, einiges hat auch seine Längen. Tatsächlich ist die Geschichte des Filmteams, das rechtliche Hürden umgehen muss, auch die Geschichte von Stahlberg und seiner Co-Autorin, Darstellerin und Lebensgefährtin Lucia Chiarla, die in juristische und finanzielle Schwierigkeiten bei der Konzeption ihres Anti-Berlusconi-Filmes gerieten.
Aber: So einfach ist es nicht. Denn als reine Satire, als reine Attacke gegen den italienischen Regierungschef, die in leicht analogisierter Form die Sünden Berlusconis auflistet, ist dieser Film nicht zu lesen. Da ist auch noch im Film im Film das Entführerteam, das mit äußerster Brutalität vorgeht, die von den lächerlichen Panzerknacker-Masken nicht aufgefangen wird; sie schrecken nicht davor Zurück, Menschen zu erschießen. Und da ist das Filmteam, das den Entführungsfilm dreht: Die Entscheidung für eine Entenhausen-Camouflage des ernsthaften, politischen Hintergrundes wird kontrovers diskutiert, der Streit wird aber vom Produzenten barsch abgebrochen: Das ist lustig, das machen wir. Ist er soviel besser als der despotische Berlusconi, den alle bekämpfen?
So ist der Film mehr als reines Berlusconi-Bashing. Er versucht auch die Mechanismen der radikalen Opposition zu beschreiben und zu analysieren. Dabei wird immer wieder deutlich, dass die Gruppe von Guerilla-Filmern hauptsächlich vom gemeinsamen Feindbild zusammengehalten wird. Einmal gibt einer sogar zu, damals Berlusconi gewählt zu haben.
Dieses kaleidoskopartige Facettenreichtum wiederum führt dazu, dass der Film und die Aussage, die er machen will, mitunter etwas konfus wirkt. So lässt er die Entführer enden wie die RAF-Terroristen in Stammheim, wie diese Anspielung gemeint ist, wird freilich nicht deutlich.
Stahlberg baut eine noch größere Ambivalenz auf als in Muxmäuschenstill: In seinem Vorgängerfilm waren es die zwei Seiten seines eigenmächtig das Recht durchsetzenden Protagonisten, der zwischen gerechtfertigter Selbstjustiz und selbstgerechtem Faschismus schwankte. Hier nun wird die gute, satirische Sache gegen einen der mächtigsten und strittigsten Männer Europas unterlaufen durch die Fragwürdigkeit der Mittel, die im Film als Kampftaktik gegen Berlusconi angewandt werden. Neben die klare Haltung gegen Berlusconi tritt ein Diskurs über die Zweifelhaftigkeit und die (Un-)Möglichkeit einer Rebellion. Wann machen sich die Revolutionäre gemein mit dem Despoten?
Filmisch am stärksten ist Bye Bye Berlusconi, wenn er sich auf seine klare satirische Kraft verlässt und damit eine deutliche Eingleisigkeit fährt. Berlusconis Reich mit Entenhausen zu verknüpfen ist eine brillante Idee. Berlusconi, das heißt: Micky Laus, ist hier Bürgermeister und reicher Besitzer eines Melonen-Imperiums. Folgerichtig zeigt das Fernsehen den Sender Melonen-TV mit vielen nackten und halbnackten Damen mit, nun ja, großen Melonen, mit dümmlichem Programm und sehr eifrigem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit: Das sind wirklich treffende Seitenhiebe auf einen Regierungschef, der mit Hilfe seinen TV-Sender, seines Geldes und seiner Macht die Gesetze so hinbiegt, wie sie ihm passen, und dabei vor keiner Unmoral zurückschreckt.
Fazit: Mehr als eine pure Satire auf Berlusconi aber vielleicht zuviel.