Brie Larson zieht den Kampfanzug an und steht ihre Frau. In „Captain Marvel“ mimt sie die erste alleinige weibliche Hauptdarstellerin im MCU.
Über 10 Jahre ließen sich die Marvel-Bosse bitten, nun veröffentlichen sie dank „Captain Marvel“ den ersten Superheldin-Film in ihrem Marvel Cinematic Universe, kurz MCU.
Bereits im Vorfeld musste sich der Film aufgrund der weiblichen Hauptfigur, von Oscarpreisträgerin Brie Larson („Raum“) verkörpert, vieler chauvinistischer Kritik entgegenstellen – wir berichteten. In unserer spoilerfreien Kritik berichten wir von der Tonalität des Films und wie sich ihr Einstand im MCU einfügt.
Es ist ein Wendepunkt und Neuanfang zugleich, wenn Brie Larson den Kampfanzug anzieht. „Captain Marvel“ ist der weiblichste aller bisherigen Marvel-Cinematic-Universe-Filme und zeigt ihre übermächtige Kraft im Gegensatz zu ihren anderen Superhelden-Kollegen. Zudem wird der Fokus sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft gerichtet; Vergangenheit, da der Action-Streifen Mitte der 90er Jahren angesiedelt ist, und die Zukunft, da Brie Larson bereits einen Deal für mehrere Filme unterschrieben hat, der maßgeblich die Zukunft des MCU mitbestimmen wird.
Die Hürden für den nunmehr 21. Film innerhalb des MCU entstanden an verschiedenen Punkten. Wie führt man den stärksten Helden des Universums ein und zeigt diesen sogleich verletzbar? Wie verpackt man eine Origin-Story in neues Gewand? Und welche Konsequenz können die Handlungen von vor über 20 Jahren für den großen Kampf gegen Thanos in „Avengers: Endgame“ haben, der nur sieben Wochen später im Kino anläuft?
Zusammengefasst: Für diese Personen eignet sich „Captain Marvel“
- Für alle, die seit Jahren auf einen weiblich geprägten Superhelden-Film ohne unnötige Romanze gewartet haben
- Katzenfreunde und alle, die es noch werden möchten
- Fans des Marvel Cinematic Universe, die „Avengers: Endgame“ herbeisehnen genauso wie
- Marvel-Quereinsteiger, die noch nie Kontakt mit dem MCU hatten
- „Dragon Ball“-Fans, die auf eine anständige Live-Action-Adaption hoffen
Bevor wir euch in der ausführlichen Autorenmeinung schildern, mit welchen Enttäuschungen Marvel-Fans mitunter rechnen müssen und wie sich der Pfad von Captain Marvel in Zukunft sollte, möchten wir euch zunächst unser Interview mit Brie Larson ans Herz legen.
Autorenmeinung: Verpasste Chancen für die verwöhnten Marvel-Fans
Als Marvel-Fan der ersten Stunde hat man viele Höhen und Tiefen mitgemacht. Nicht jeder Zuschauer wird alle Filme gesehen haben, ebenso können sich nicht alle Zuschauer auf einen gemeinsamen Favoriten einigen. Dennoch verkörpern die jüngsten Einträge alle ein eigenes Flair. „Black Panther“ widmete sich der Black Community, „Thor 3“ war eine Science-Fiction-Komödie, „Spider-Man“ eine Coming-of-Age-Geschichte.
In „Captain Marvel“ lässt sich leider kein eigenes Genre ausmachen. Die Komponenten für eine SciFi-Geschichte, eine Kriegsgeschichte, aber auch einen Spionage-Thriller wären alle vorhanden, doch die Tonalität und Qualität von „Captain Marvel“ lässt sich eher irgendwo zwischen „Captain America: The First Avenger“ und „Doctor Strange“ festzurren. Zum Teil aufgesetzt witzig, mit einer Prise Nostalgie und einem ernsten Unterton.
Marvel-Film nach Plan
Ihre klassische Origin-Story hat ihre Fehler und kommt treuen Marvel-Fans recht bekannt vor, kann jedoch mit einer in sich geschlossenen Geschichte punkten, die auch ohne das Vorwissen der anderen Filme auskommt.
Es fühlt sich dennoch so an, als hätten die Regisseure Anna Boden und Ryan Fleck (beide „Half Nelson“) eine Checkliste für den „Marvel-Film nach Plan“ vorgesetzt bekommen. Witz, heroische Fallhöhe, 90er-Jahre-Playlist, ein Bösewicht mit doppelter Moral und Action-Szenen, die zwar hübsch anzusehen sind, sich jedoch nicht durch ein Alleinstellungsmerkmal im Gros der 20 Vorgänger-Filme klar unterscheiden lassen.
Zu oft werden Themen angesprochen, die man als filminteressierter Zuschauer in dieser oder ähnlicher Form kennt: Fokus auf Feminismus, Nostalgie auf die 90er, ein cooler Samuel L. Jackson und eine süße wie verrückte Katze – um nur die wichtigsten zu benennen. Die klar verpasste Chance, besteht darin, dass sich das Marvel-Schema ohne eigene Akzente zu setzen. So fehlt dem Film die nötige Tragweite, um eine ähnliche Welle loszutreten, wie es letztes Jahr „Black Panther“ geschafft hat.
Superheldin mit Ecken und Kanten
Das große Lob gilt den Filmemachern dennoch für den durchweg positiven Umgang mit dem Thema der ersten weiblichen Superheldin. Brie Larson verkörpert eine Heldin mit Ecken und Kanten, die Fehler macht und nicht davor zurückschreckt, ihre Meinung zu sagen. In ihrem Umgang mit anderen weiblichen Charakteren besteht sie nicht nur mühelos den Bechdel-Test, sondern schafft es Spaß und Freude genauso wie Ernsthaftigkeit und Reue zu versprühen.
Auch im Vergleich zur ersten weiblichen DC-Film-Superheldin „Wonder Woman“ kann „Captain Marvel“ allein dank des Faktes punkten, keine erzwungene Liebesgeschichte in ihren Ursprung verwoben zu bekommen. Danke dafür!
Die Action-Sequenzen sind – wie so oft – maßgeblich am Computer entstanden und überzeugen dank soliden Standards, die man von Marvel mittlerweile gewohnt ist. Besonders „Dragon Ball Z“-Fans können nach der Sichtung behaupten, dass „Captain Marvel“ aufgrund der Handhabung ihrer Kräfte, den Skrulls und exzentrischer Sidekicks der wohl beste Live-Action-Dragon-Ball-Film ist, den es bis dato gibt – Inklusive eigener Version der Dragon Balls und Namekianer.
„Captain Marvel“ und „Captain America“: Der Vergleich mit Hoffnung auf die Zukunft
Neben dem „DBZ“-Vergleich bietet sich ebenso einer mit „Captain America“ an, da auch die Einführung von Steve Rogers in das MCU nicht bei jedermann auf Anklang stieß. Der Held konnte im großen Aufeinandertreffen und dem folgenden Solo-Auftritt - „The Avengers“ und „Captain America: Winter Soldier“ – jedoch viel Lob einheimsen und für erinnerungswürdige Akzente sorgen.
Diese lassen sich aktuell noch bei „Captain Marvel“ vermissen, aber wir hoffen, dass sie in der Zukunft ihr volles Potenzial ausschöpfen wird. Ihr Auftritt in „Avengers 4: Endgame“ steht schließlich kurz bevor und Thanos muss besiegt werden.
Neulinge bekommen einen guten Einstieg
Fazit: „Captain Marvel“ ist ein solider Superhelden-Actionfilm, mehr aber leider nicht. Zu viele verpasste Chancen lassen den Marvel-Fan der ersten Stunde mitunter enttäuscht zurück, bieten für Neulinge im Thema aber einen guten Einstieg in die Superhelden-Welt. Brie Larson spielt eine Heldin mit Ecken und Kanten, kann jedoch nicht durchweg zeigen, welches Potenzial in ihrer Rolle steckt. Trotz dem Fokus auf Themen wie Feminismus, Katzen und Nostalgie vermisst man ein erinnerungswürdiges Flair, das bei anderen MCU-Filmen oft vorhanden war.