Schieß schon, sagt der Gefangene zu dem bolivianischen Soldaten, und der schießt, weisungsgemäß trifft er unterhalb des Halses. Dieses Ende von Ernesto Che Guevara erleben wird in einer subjektiven Kameraeinstellung, ganz aus der Sicht des Revolutionskämpfers, der verloren hat. Und das ist durchaus passend für diesen Film, der nie über die Perspektive und den Bewusstseinshorizont Guevaras hinausgeht und nur das zeigt, was unmittelbar mit ihm zusammenhängt.
Diese Strategie eines selbst auferlegten Scheuklappenblicks hat in Soderberghs erstem Che-Film funktioniert: weil sich hier nicht nur eine Entwicklung, eine Weitung des Blicks ergab, sondern auch, weil Che im Kampf um Kuba viel mehr vernetzt mit anderen war, so dass sich aus dem limitierten Blickwinkel eben doch ein Gesamtbild ergab.
In diesem zweiten Teil der Biographie ist Guevara isoliert. Mit ein paar Gefährten schlägt er sich durch die Bergwälder Boliviens, weitgehend ohne Nachrichten von außen, ohne Unterstützung von der Bevölkerung, verfolgt vom Militär. Dadurch ist die Außenwelt weitgehend ausgeschlossen aus dem Film, man sieht nur Che in seinem unausweichlichen Scheitern: und dafür sind die 131 Minuten denn doch viel zu lang.
Offensichtlich war der Plan, Che als Idealisten zu zeigen, als Kämpfer für die Idee einer besseren Menschheit. Doch dafür fehlt im zweiten Teil die Aussicht darauf, wofür hier gekämpft werden soll was im ersten Teil die eingeflochtenen Interviews und Reden von Guevara im Jahr 1964 leisteten. Was aus Kuba wurde nach Castros Sieg, bleibt außen vor; und Guevaras Referate und Lektionen vor seinen Guerilla-Soldaten über die Revolution und den richtigen Charakter des Revolutionärs geraten mehr und mehr zu Schönfärbereien in einer desolaten Situation.
Einerseits also wird der Focus ganz auf Guevara gelegt, ohne freilich in sein inneres Wesen zu dringen. Andererseits erzählt Soderbergh stets elliptisch, mit großen Zeitsprüngen, die das Geschehen zwischendurch weglassen. Immer wieder lässt er so neue Figuren auftauchen und wieder verschwinden, ohne etwas zu erklären, und streift auch lediglich kursorisch die politische und gesellschaftliche Situation in Bolivien die doch, so muss man annehmen, ein Hauptfaktor für Ches Scheitern war, der die dortigen Gegebenheiten in ihrer Eignung als revolutionären Nährboden schlicht falsch eingeschätzt hat
Da ist etwa Tanja, eine deutsche Revolutionärin, gespielt von Franka Potente, über die man sicherlich eine Menge hätte erzählen können. Soderbergh zeigt sie nur kurz im Abendkleid bei einem Empfang der Regierung und dann im Camp mit Che, der über ihr bürgerliches Doppelleben spricht, das wir nie sehen. Dann ist sie krank, dann tot. Oder, anderes Beispiel: die Gleichgültigkeit, das Misstrauen, ja: die Feindseligkeit der armen bäuerlichen Bevölkerung wird gezeigt, aber kaum begründet. Die CIA schickt Militärberater, um eine bolivianische Anti-Guerilla-Einheit auszublikden; deren Taktik und Schlagkraft aber ebenfalls ausgeblendet bleiben, die Soldaten der offiziellen Armee tauchen nur dann und wann aus dem Nichts aus, wenn wieder mal Guevaras Guerilla-Einheit dezimiert wird.
Als Geschichtsstunde taugt dieser Film also nicht, als Charakterstudie nur bedingt. Und wo einem Che nahe kommt, da ist es das Verdienst von Benicio del Toro, der wie schon im ersten Teil eine herausragende schauspielerische Leistung bietet. In ihm wird Che lebendig, der hier seine Passionsgeschichte durchleidet. Auch wenn Guevara dem Zuschauer auch nach dem Film ein Rätsel bleibt: in del Toros Darstellung sind die Gedanken und Gefühle, die Che antreiben, stets präsent, und man weiß: wenigstens del Toro hat den Revolutionär, der eine der Ikonen des letzten Jahrhunderts wurde, verstanden.
Fazit: Der zweite Teil der Guevara-Biographie fällt gegen den ersten Teil rapide ab: historische Ereignisse werden nur kursorisch gestreift, und eine tiefe Charakterstudie des Revolutionärs ist dies auch nicht.