Ganz episch geht Steven Soderbergh das Leben von Ernesto Che Guevara an: mit gleich zwei Filmen von je 131 Minuten Länge. Der erste behandelt die Revolution auf Kuba 1957/58; der zweite Ches Versuch, diese Revolution in die unterdrückten Bevölkerungen anderer südamerikanischer Staaten zu tragen. Wobei die historischen Eckdaten bekannt sind, und damit auch die Handlung. Doch wie Soderbergh diese behandelt: das ist einen Blick wert, oder auch mehrere.
Die kubanische Revolution in den 50ern rahmt Soderbergh mit der ersten Begegnung zwischen Che und Fidel, dem jungen Arzt und dem gescheiterten Revolutionär 1955; und der Einsicht, dass für die Revolution ein gewisses Maß an Verrücktheit grundsätzlich erforderlich ist. Und er durchbricht den Kampf im Dschungel von Kuba mit schwarz-weißen, rauen, mit fahriger Kamera gefilmten Sequenzen von Guevaras New York-Besucht von 1964, als er vor der UNO sprach und mit einer TV-Journalistin. Dieses Gegeneinanderschneiden unterfüttert die Ereignisse der Revolution mit ihrer nachträglichen Erklärung und Deutung durch einen ihrer Hauptprotagonisten; und reflektiert zugleich Guevaras Wandel zu einer öffentlichen Figur, zu einer Medienfigur, die sich dieser Wirkung auf die Weltöffentlichkeit auch durchaus bewusst ist. In der UN-Vollversammlung tituliert ihn ein Delegierter eines verfeindeten lateinamerikanischen Staates mit Che, dem Spitznamen, den ihm das zugeneigte kubanische Volk gegeben hat.
Im Dschungel 1957 lässt uns Soderbergh aber erstmal allein, allein mit ein paar Kämpfern, die sich durch die Büsche schlagen. Er geht nicht in emotionale, charakterliche Tiefe, sondern belässt es bei Schlaglichtern auf die Widersprüche, die Che darstellt: Menschenfreund und Arzt, Asthmatiker und Krieger, Marxist und unerbittlicher Fanatiker. Ab und zu treffen die grüngekleideten Bärtigen von Guevaras Kolonne auf Soldaten der regulären Armee, doch meist ist alles nur Klein-Klein: Marschieren, Unterkunft suchen, Verletzte tragen und versorgen, Essen beschaffen, für Disziplin sorgen. Auf das Handwerk des Revolutionärs blickt Soderbergh, und das ist an sich gar nicht romantisch, und auch nicht visionär.
Geschickt spielt Soderbergh dabei mit der Perspektive, mit dem Blickwinkel, den er dem Zuschauer zugesteht. Da sind ein paar Guerillas im Dschungel, die irgendwohin gehen, die auch mal kämpfen doch einen Überblick, ein Wohin und Warum, das bietet der Film erst einmal nicht; wobei auch stets klar ist, dass die Protagonisten durchaus im Bilde sind. Das ist eine Verengung des Blicks, die Soderbergh da erzeugt, mit ein paar Blicken über das Kleinteilige hinaus: Castro hat offenbar eine größere Strategie, ist auch der größere Diplomat als Che, der mit Abkommen mit anderen revolutionären Gruppen, mit der Politik, die im Dschungelcamp durchgeführt wird, wenig am Hut hat. Der Zuschauer erlebt Castro als Stratege mit großen Gesten, die seine Ideen unterstreichen; Che als charismatischen Führer, der gerecht und ehrenvoll für seine Sache kämpft; das aber ohne Kompromisse. Benicio del Toro, der den Film auch mitproduziert hat, spielt ihn eindrucksvoll; gerade weil ihm Soderbergh keinen weiten Raum gibt, kann er mit seiner zurückhaltenden Spielweise Wirkung schaffen.
Langsam dann weitet sich das Blickfeld, das Soderbergh dem Zuschauer gewährt, mit dem Anwachsen von Castros revolutionärer Bewegung; bis hin zum jubelnden Empfang Ches durch die Bevölkerung, als die Guerillas von den Bergen aus die Ebene erobert haben. Das kontrastiert auch mit dem Hass, der Guevara von der Menge auf New Yorks Straßen entgegenschlägt.
Nun ist die Revolution ganz bei sich, hat sich gesammelt und perfektioniert. Und mit dem Kampf um Santa Clara schließt der erste Teil, mit Guevaras Triumph auf dem Schlachtfeld.
Mit Lust Lust an der Aussicht auf Sieg, nicht am Töten führt Guevara seine Truppen in den Kampf mit der zahlenmäßig überlegenen Armee doch dieser fehlt der Faktor X, die Unbekannte, die einer Armee erst Kraft verleiht: den Geist des Kämpfers. Wie da ein Armeezug erobert wird durch einen Überfall in fluchtartige Fahrt versetzt und in die Falle einer verbogenen Schiene getrieben , wie eine Kirche erobert wird die Wände von fünf Häusern werden eingeschlagen, um in den feindlich besetzten Gottesraum zu gelangen , wie ein Hotel erobert wird Lass mich nur machen, sagt einer von Ches Hauptmännern, und schwups sind sie auch schon auf dem Dach des Gebäudes und der Feind ergibt sich: die List an sich wird also gar nicht mehr gezeigt: Das ergibt fast schon ein Oceans-Feeling des überlegenen Geistes, der das Unmögliche durch charismatischen Trickreichtum erreichen kann. Wären da nicht die vielen Toten auf den Straßen
Wir haben einen Krieg gewonnen, aber noch nicht die Revolution, mahnt Guevara auf dem Höhepunkt seines Sieges. Und es ist klar: ab jetzt geht es bergab, im zweiten Teil: Guerrilla.
Fazit: Der erste Teil der Guevara-Biographie geht zwar nicht in charakterliche Tiefen, spielt aber geschickt mit Zuschauer- und Protagonistenperspektive und schafft damit spannendes Geschichtskino.