„Sei immer mutig und freundlich!“ Das sind die letzten Worte, die die Mutter der kleinen Ella mit auf den Weg gibt, bevor sie stirbt. Und auch als sie nach dem Tod ihres geliebten Vaters als Dienstmagd unter den Gemeinheiten ihrer bösen Stiefmutter und deren zwei Töchter leiden muss, glaubt Ella noch immer an das Gute im Menschen. Eines Tages trifft sie im Wald einen jungen Reiter namens Kit. Zwischen beiden ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch was Ella nicht weiß: Kit ist der Königssohn. Und auch Ella verschweigt ihre wahre Identität. Damit die Liebe hier doch noch siegen kann, braucht es mindestens eine gute Fee. Und vielleicht eine kleine Portion Magie. Vor 65 Jahren brachte Walt Disney den Animationsfilm CINDERELLA in die Kinos und begeisterte das Publikum weltweit. Nun gelingt Kenneth Branagh eine wunderschöne Real-Neuverfilmung, die zeigt, dass die Faszination für Märchen auch nach so langer Zeit ungebrochen ist. In Geschichte und Dramaturgie konzentriert sich Branagh auf die wesentlichen und altbekannten Eckpunkte, überwältigt den Zuschauer dafür aber mit seiner Ausstattung, den Kostümen und der romantischen Musik. Bis ins kleinste Detail entführt der Film den Zuschauer in eine Welt der Träume und Fantasie, in die jede Farbe des Regenbogens liebevoll eingearbeitet wurde. Ein Highlight auch die Verwandlung der Tiere in Ellas hilfsbereite Diener, natürlich unter der Anleitung der leicht schusseligen und liebenswerten Guten Fee, die Helena Bonham Carter mit unterhaltsamer Planlosigkeit spielt. Lily James als Ella und Richard Madden als Kit sind ein bezaubernd unschuldiges Traumpaar, in den Nebenrollen glänzen unter anderem Derec Jacobi als weiser König und Stellan Skarsgard als intriganter Herzog. Und Cate Blanchett „krönt“ den Film mit einem wahrhaft unvergleichlichen Auftritt als bitterböse Stiefmutter, in deren Augen es intrigant und feurig blitzt und die mit einem Heben der Augenbrauen das Blut in den Adern gefrieren lässt. Am Ende siegt jedoch die Liebe und der Glaube daran, dass Mut und Freundlichkeit jeden Menschen zu etwas Besonderem machen. Zusammen mit ein wenig Magie natürlich. Kenneth Branaghs CINDERELLA ist ein zauberhaft inspirierter Märchenfilm, der sich vor einem Klassiker der Filmgeschichte verneigt und durch perfekte Filmkunst selbst zum Klassiker werden kann.
Jurybegründung:
Alle paar Jahre kommt eine neue Version dieses Märchens von den Gebrüdern Grimm in die Kinos, aber Sir Kenneth Branagh hat dennoch eine neue Variante gefunden, indem er die jedem bekannte Geschichte in einem kleinen Königreich spielen lässt, das dem England des 19. Jahrhunderts nachempfunden ist. So kann er in der Architektur, Gartenkunst, den Kostümen und Requisiten jener Zeit schwelgen und seiner Adaption einen betont britischen Grundton geben. Er folgt zwar weitgehend der tradierten Erzählung, macht sie aber durch Varianten interessant. So wächst die kleine Ella bei ihm in einer für diese Zeit typischen britischen Kaufmannsfamilie auf, die sich ein kleines Anwesen auf dem Land leisten kann, für das ihr Vater aber lange Geschäftsreisen ins Ausland unterhalten muss. Als typische Schauplätze der populären britischen Literatur hat er auch den Dachboden und den geheimen Garten in seine Aschenputtel-Version eingeführt und „verbritet“ sie so noch mehr. Er verzichtet ganz auf die Episode mit dem Lesen der Linsen aus der Asche und spinnt stattdessen eine ebenfalls sehr britische Intrige zwischen der bösen Stiefmutter und einem Erzherzog, der unbedingt die Heirat des Prinzen mit einer ausländischen Prinzessin durchsetzten will. Cinderellas Fahrt zum Ball auf dem Schloss bekommt ihre Magie durch grandiose und sehr komische Computeranimationen, und auch hier erweitert Branagh die Vorlage, in dem er die von Helena Bonham Carter gespielte Fee ein wenig ungeschickt zaubern lässt, sodass der wachsende Kürbis ein Gewächshaus sprengt und die Tiere, die in Pferde, Kutscher oder Diener verwandelt werden, einige ihrer animalischen Attribute nicht ganz verlieren, sodass das Vierergespann Mäuseohren hat und der Footman mit seiner langen Zunge eine Fliege fängt. Der Film quillt über von solchen originellen Einfällen, die sich aber nie verselbstständigen, weil das klug konstruierte Drehbuch einen beachtlichen dramatischen Sog entwickelt. Und wenn Kenneth Branagh hier wie so oft gerne mit dem Zauberkasten der Filmtechnik spielt, gibt er als Kollege den Schauspielern viel Raum, um zu glänzen. Zudem weiß er, wie wichtig ein gutes Ensemble ist, und so hat er von den Haupt- bis zu den Nebenfiguren wie Derek Jacobi als König und Stellan Skarsgard als Erzherzog jede Rolle inspiriert besetzt. Mit der unschuldig charmant wirkenden Lily James und Richard Maddern als Prinz Charming hat er zwei Newcomer für das Kino entdeckt, die bisher in zwei der aktuell erfolgreichsten Fernsehserien mitspielten. Die Show stehlen kann ihnen nur Cate Blanchett als eine Stiefmutter, die man liebt zu hassen. Mit seinem schöpferischen Übermut kommt Branagh hier nah an die Leistungen seiner Shakespeare-Adaptionen heran. Dies ist ein Film, an dem Kinder und Erwachsene gleichviel Freude haben werden.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)