Vor allem demonstriert der Film die derzeitige politische Teilung Amerikas, die unüberbrückbare Spaltung zwischen rechtskonservativen und linksliberalen Kräften in allen gesellschaftlichen Ebenen, wie ja auch schon gezeigt im Dixie-Chicks-Film Shut Up and Sing. Nur dass hier eine weitere Komponente hineinspielt: der Vergleich zu damals, Ende der 60er, zu einer hochpolitisierten Ära mit Bürgerrechtsbewegung, Studentenprotesten, Hippiekultur, als sich Amerikas Jugend mit den damals populären Musikgruppen gemeinsam gegen den Vietnamkrieg stellten und dabei ganz nebenbei die Welt veränderten, ein bisschen zumindest.
Die Band Crosby, Stills, Nash and Young (CNSY), vier Gitarren und Harmoniegesang, hatten damals ein paar Hits mit politischen Songs, For what its worth zum Beispiel oder Ohio. Nun wollen sie, die glatzköpfigen Hippiemillionäre (wie es in einer Konzertkritik hieß), das Gefühl der Möglichkeit eines tiefgreifenden Wandels wiederherstellen, 2006 in Bezug auf den Irakkrieg.
Neil Young hatte ein Album geschrieben, Living with War, es gratis ins Internet gestellt und dann CSNY wieder zusammengerufen für eine große US-Tour. Anders als andere Reunions nicht einfach nostalgisch mit alten Liedern, sondern mit dem aktuellen Bezug einer klaren pazifistischen, politischen Botschaft. Und hätte der Film einfach ein Konzert dokumentiert mit all den Liedern, die ja eine eindeutige und klare Sprache sprechen, mit den widersprüchlichen Reden George Bushs, die auf der Videoleinwand der Bühne gezeigt werden, mit den Fotos tausender im Irakkrieg gefallener Soldaten, als eine Art Diashow projiziert: dann wäre der Film richtig gut geworden. Jetzt freilich ist er nur noch dann richtig gut, wenn er die Lieder länger als zwei Minuten ununterbrochen durchspielt. Was selten genug passiert, weil in Kommentaren und Interviews bis zum Überdruss auf die Dringlichkeit einer Beendigung des Krieges hingewiesen, ja: hingearbeitet wird, eine Methode, die einerseits vergebliche Sisyphusarbeit ist, die andererseits mit ihrer Penetranz selbst dem ärgsten Kriegsgegner auf den Wecker geht, irgendwann.
Dabei ist das grundsätzliche Konzept Neil Youngs (der unter seinem Pseudonym Bernard Shakey Regie führte) durchaus tragfähig. Michael Cerre, der als Kriegsreporter 1969 in Vietnam war, der als embedded jounalist 2003 im Irak war, berichtet als eingebetteter Reporter von der CSNY-Tour, als Außenstehender von innen, was einen objektiven Standpunkt, eine zweite Perspektive ermöglichen würde. Tatsächlich werden etwa auch negative Kritiken zitiert, die beispielsweise die Holprigkeit der ersten Shows, als die Musiker noch nicht aufeinander eingespielt waren, beanstanden doch dann hebt der Film mehr und mehr auf seine Botschaft ab, als wäre sie nicht sowieso längst schon klar. Auch von Cerre übrigens wird sie unterstützt, was ganz nebenbei (und ohne dass der Film dies thematisieren oder überhaupt bemerken würde) die Problematik der embedded journalists vor Augen führt, die eben doch nicht objektiv berichten, sondern nur eine Alibifunktion für den Auftraggeber erfüllen. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Deja Vu: Das ist nicht nur ein Erfolgsalbum von CSNY von 1970, der Titel spielt auch auf die Gemeinsamkeit von Antivietnam- und Antibushbewegung an, der Irak als wiedergekehrtes Trauma der 60er. Und leider stellt sich auch beim Zuschauer ob der immergleichen Betroffenheitsgeschichten über Gefallene und ihre Familien, über junge Irakkriegsveteranen, die fürs Leben gezeichnet sind, über den Hass der Rechtskonservativen gegen die regierungskritischen Texte (die wir auch schon bei den Dixie Chicks gesehen haben) das Gefühl von ständiger Wiederholung des bereits Gekannten ein. Genau durch das ständige Zurschaustellen wird die so richtige und wichtige Botschaft zerstört weil es derartig als Pamphlet mit dem Dampfhammer dargereicht eh nur Gleichgesinnte erreicht.
Fazit: Songs und eine Reunion-Tour von Crosby, Stills, Nash and Young mit klarer, aktueller politischer Botschaft, die penetrant und redundant betont wird. Ein simpler Konzertfilm wäre die bessere Alternative gewesen als diese überambitionierte Antikriegs-Dokumentation.