Crossing the Bridge - The Sound of Istanbul: Fatih Akins Liebeserklärung an Istanbul - Dokumentation über die Suche nach dem "Sound" einer Stadt.
Er gilt, keine Frage, als der zur Zeit „angesagteste“ deutsche Regisseur: Fatih Akin, 2004 mit „Gegen die Wand“ in Berlin Gewinner des Goldenen Bären. Dieses Jahr ist er schon wieder auf einem Festival vertreten, in Cannes, im offiziellen Programm außer Konkurrenz. Dort läuft, während er seinen Pflichten als Jury-Mitglied nachgeht, seine Dokumentation „Crossing the Bridge - The Sound of Istanbul“, eine musikalische Reise durch die Metropole am Bosporus. Pulsierend wie die Stadt selbst, aufregend, vielfältig und aufschlussreich, sollte diese Arbeit, nicht zuletzt dank Dokumentations- und Musikfilmboom, für solide Besucherzahlen gut sein.
Wie die Kollegen Werner Herzog oder Wim Wenders auch, holt Fatih Akin immer wieder mit einem „kleinen“ Film Luft, orientiert sich. Im Jahr 2000 beispielsweise mit seinem „Heimvideo“ „Denk ich an Deutschland - Wir haben vergessen zurückzukehren“, in dem er von seiner Familie erzählt, die 1965 vom Schwarzen Meer nach Hamburg übersiedelte. Jetzt hat er sich erneut in die Wiege der Vorfahren begeben, wieder auf Spurensuche, wobei ihn diesmal das Interesse für Musik treibt.
Dazu überquert der Filmemacher die Bogazici Köprüsü, die berühmte Bosporus Brücke, die Europa mit Asien verbindet. Taucht ein in eine der zur Zeit wohl angesagtesten Städte der Welt und stößt auf ein vielfältiges musikalisches Babylon. Als kundiger „Reiseführer“ fungiert Alexander Hacke, seit über 20 Jahren Bassist der „Einstürzenden Neubauten“, als Produzent schon bei „Gegen die Wand“ verantwortlich für die als erzählerische Klammern eingesetzten Musiknummern, dargeboten vom Roma Selim Sesler und dessen Orchester.
Vom Büyük Londra Oteli, dem Grand Hotel de Londres, aus, gelegen im „europäischsten“ Stadtteil Beyoglu, unternehmen sie ihre Streifzüge, sammeln Töne und Bilder. Ein mobiles Aufnahmestudio in einem Koffer, ein lange erprobtes „Wundermikrophon“ und eine Kamera, mehr brauchen Hacke und Akin nicht, um ihren „westlichen“ Blick auf die (klassische) türkische Musik festzuhalten, um flexibles „Street-Recording“ zu betreiben. Live, mittendrin sind sie, bei relaxten Straßenmusikern genauso wie bei der blondierten, als dominant bekannten Diva Sezen Aksu und deren Hofstaat, beim fixen Rapper Ceza und natürlichen bei Orhan Gencebay, dem Meister der Saz, der Langhalslaute, der in seiner Heimat auch als Kinostar eine riesige Fangemeinde besitzt.
Lapidar, cool und kenntnisreich der Voice-Over-Kommentar von Hacke, funktional, der Musik alles untererordnend Akins Inszenierung. Konfuzius mit „Wenn man die Musik hört, dann wird man alles über diesen Ort wahrnehmen“ steht als Motto voran, ein „Versprechen“, das auch eingehalten wird. Orient trifft hier Okzident, Rock Hip-Hop, Arabeske elektronische Klänge. Musik vereint. Ganz folgerichtig also der Titel „Crossing the Bridge“, belegt zudem durch die Tatsache, dass Hacke ganz selbstverständlich bei einem Bootsausflug als Bassist bei der neopsychedelischen Istanbul-Band Baba Zula mitjammt. Hier verschmelzen Bild und Ton zum großen Ganzen, werden Sehnsüchte geweckt und der zwingende „Sound of Istanbul“ spürbar. Das Kino sollte man dennoch nach dieser letzten Nummer nicht verlassen, denn dann würde man all die wunderbaren kitschigen türkischen Plattencover versäumen, in die die Abspann-Credits liebevoll einmontiert wurden. geh.