Als John von seiner Ex-Frau mit sanftem Druck dazu getrieben wird, sich wieder mehr „unter Menschen zu mischen“, folgt er ihr nur widerwillig. Wer kann aber auch ahnen, dass er auf dieser Party Molly begegnen wird, der Frau seiner Träume. Die neue Liebe beginnt hoffnungsvoll und vielversprechend. Bis John auf den anderen wichtigen Mann in Mollys Leben trifft: Cyrus, ihr 21jähriger Sohn. Und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. CYRUS ist eine Entdeckung im amerikanischen Kino, authentisch, ehrlich, direkt. Mit seinen improvisierten Dialogen, meisterlich umgesetzt durch ein herausragendes Darstellerteam, erfrischt der Film durch seine verblüffende Offenheit im Umgang mit Gefühlen, durch seine gelungene Mischung aus Dramatik und feinfühligem Humor. Und sowohl der grandiose John O’Reilly als auch Marisa Tomei treffen mitten ins Herz. Die eigentliche Entdeckung in diesem Independent-Meisterwerk von den Duplass-Brüdern ist jedoch Jonah Hill, der das erwachsene Muttersöhnchen mit einer Intensität spielt, die einfach nur staunen lässt. Die Konflikte zwischen den sympathischen Figuren sind so lebensnah, dass man wirklich mitfühlt. Aufrichtig, emotional und zum Verlieben schön.
Jurybegründung:
Wie weit bist Du bereit zu gehen, wenn Du möglicherweise die große Liebe Deines Lebens gefunden hast? Was sonst in Hollywood als ein Drama ?larger than life‘ verfilmt werden würde, verwandelt CYRUS in eine erstaunlich lebensnahe und wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Thema, heruntergebrochen auf eine klare zeitgenössische Konstellation.
Reißt die beinahe dokumentarische Handkamera den Zuschauer anfangs immer wieder aus der Geschichte, sorgt sie doch auch gerade dafür, dass der Zuschauer immer intensiver John, Molly und Cyrus bei ihrem Versuch folgt, entweder den persönlichen Status Quo zu erhalten - koste es, was es wolle - oder eben einem neuen Glück zu seiner Chance zu verhelfen.
Alle Haupt- und Nebendarsteller sind von einer wahrhaftigen emotionalen Tiefe, wie man sie selten im US-Kino erlebt. Die Schicksale und Beweggründe sind lebensnah, in den Gesichtern der Darsteller ist ein nuancenreiches Spiel zu beobachten, das den Zuschauer immer wieder vergessen lässt, dass es sich trotz allem ?nur‘ um einen Spielfilm handelt.
Krönung des Ganzen ist Cyrus-Darsteller Jonah Hill, der hier einen Psychopathen an den Tag legt, den man ihm auf Grund seiner bisherigen belanglosen Filmrollen nicht annähernd zugetraut hätte. Seit Norman Bates hat man vermutlich keinen unheimlicheren, überzeugenderen Psychopathen mehr auf der Kinoleinwand gesehen, der mit seinen Blicken ein Seelenleben erahnen lässt, das ihn zu allem fähig zu sein erscheinen lässt. Der Zuschauer kann seinen Blicken kaum standhalten, die seelische Abgründe erahnen lassen.
Abgerundet wird dieser wunderbare Film durch ein geschicktes Ende, welches dem Zuschauer erneut nur durch Blicke und kleine Gesten der Hauptdarsteller die Hoffnung auf ein Happy End gibt. Allerdings ohne die Gewissheit, dass es auch so kommen wird, wie es in der konventionellen Hollywood-Fassung unvermeidlich der Fall gewesen wäre.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)