Der Dokumentarfilm DARK EDEN von Jasmin Herold und Michael Beamish erzählt von der kanadischen Stadt Fort McMurray, die durch eines der größten Ölgewinnungsprojekte der Welt bekannt wurde.
Der Ort Fort McMurray liegt im Norden Kanadas. 100.000 Menschen wohnen dort. Viele von ihnen arbeiten auf den Ölsandfeldern, die sich vor den Toren der Stadt befinden und Teil eines der größten Industrieprojekte der Welt sind. Aus der ganzen Welt zieht es Menschen hierher, denn mit dem Öl lässt sich gutes Geld machen. Geld, das auf Kosten der Umwelt verdient wird. Und auf Kosten der Gesundheit, wie die Filmemacherin Jasmin Herold schon bald feststellen muss. Denn ihr Lebensgefährte Michael, den sie während der Dreharbeiten für ihren Dokumentarfilm über Fort McMurray kennenlernt, erkrankt an einer besonders aggressiven Krebsform - wie auch viele andere Bewohner des Ortes. Und während ein Vertreter der Öllobby immer noch fröhlich den wirtschaftlichen Nutzen für die Region lobt und ein deutscher Gastarbeiter pragmatisch erklärt, dass er hier nur genug Geld machen möchte, um sich dann mit seiner Lebensgefährtin ein Haus in den kanadischen Wäldern zu kaufen, müssen sich Jasmin und Michael ihrem ganz eigenen Alptraum stellen. Ein Alptraum, der den gesamten Ort verbindet - und in einer Feuer-Katastrophe mündet. Der Debütfilm von Jasmin Herold und Michael Beamish beindruckt auf vielen Ebenen. Dramaturgisch geschickt verbindet DARK EDEN sein titelgebendes Thema der Ausnutzung unserer Ressourcen unter der Prämisse reinen Konsumdenkens mit einer sehr persönlichen Geschichte, die Herold und Beamish ganz offen filmisch reflektieren, und den Schicksalen der Bewohner von Fort McMurray, denen der Film sehr nahekommt, obwohl sich Herold bei den Gesprächen wohltuend im Hintergrund hält. Sie reden ganz offen und fast schon beiläufig über ihre Lebens- und Alltagssituation in der Nähe der Ölfelder, die Segen und Fluch zugleich sind. Denn Öl bedeutet Arbeit - und das ist in Zeiten so kurz nach der schlimmsten Wirtschafskrise des Landes nichts Selbstverständliches mehr. Doch der industrielle Raubbau an der Natur führt auch zu der Freilassung vieler schädlicher Gifte. Der Film wertet die Positionen und Aussagen der Menschen nicht, und doch zeigt Herold bei dem, was sie beobachtet, eine klare Haltung, die sie auch dann professionell beibehält, als ihr eigenes Leben von den Umständen betroffen ist. Das Sounddesign und die Kameraführung sind exzellent und bis zum Schluss durchzieht ein klares ästhetisches Konzept den Film, der als Debüt eine beeindruckende Reife aufweist. DARK EDEN behandelt ein wichtiges Thema, das uns global betrifft und aufgrund seiner persönlichen und einzigartigen Geschichte nicht nur erhellt, sondern auch berührt.
Jurybegründung:
Darüber, welchen Preis die Ausbeutung von Bodenschätzen durch Industriekonzerne für die Umwelt und die Menschen hat, gibt es schon eine ganze Reihe von Filmen. Doch Jasmin Herold und Michael Beamish haben einen ganz eigenen, persönlichen Zugang zu diesem Thema gefunden, denn sie berichten aus dem Inneren des Systems heraus. Im Norden von Kanada gibt es mit Fort McMurray eines der größten und bislang letzten erschlossenen Ölvorkommen der Welt, und dort drehten die beiden Regisseure nicht nur ihren Film, sie lebten dort auch für mehrere Jahre. Michael Beamish ist in der Gegend aufgewachsen und er arbeitete im Ort an einem Theater. Und diese Innensicht macht es sowohl für die Filmemacher wie auch für die Zuschauer schwierig, schnell einfache Urteile zu fällen. Denn der Film konzentriert sich ganz auf die Menschen, die in Fort McMurray leben und für diese ist es ein Ort, an dem sie viel Geld verdienen können. Ein PR Manager, der die Kampagne „We love Oil sands“ betreut, ein deutscher Mechaniker und seine russische Ehefrau, ein Arbeiter aus Afrika, der den größten Teil seines Lohnes zurück in seine Heimat an seine Familie schickt und ein Angestellter, der sich mit dem verdienten Geld seine Träume von Großwild-Safaris erfüllen kann, werden im Laufe von mehreren Jahren immer wieder mit der Kamera besucht und so ist gut zu beobachten, wie der anfängliche Enthusiasmus langsam verschwindet. Denn es kommt im Laufe der Zeit zu mehreren Krisen: Zuerst bricht der Ölpreis ein und die sicher geglaubten Jobs sind gefährdet. Der Afrikaner lebt etwa in ständiger Angst, weil er weiß, dass er auf der untersten Stufe der Hierarchie steht und als einer der ersten seine Arbeit verlieren wird. Und mit der Zeit wird immer deutlicher, wie gefährlich für die Umwelt die Arbeit in den Ölfeldern ist. Die Filmemacher besuchen eine indigene Familie, in der eine kleine Tochter Tumore hinter den Augen entwickelt hat - vor allem erkrankt aber auch Michael Beamish selber an Krebs. Doch diese für sie existentielle Geschichte erzählen die Filmemacher dezent und distanziert. Im größten Teil des Films spricht Jasmin Herold nur im Off von sich selber und den Erfahrungen der Beiden. Und dies ist eine kluge Entscheidung, denn als Protagonisten hätten sie alle anderen an den Rand gedrückt.
Doch so kommt man im Laufe des Films allen nah, und wenn sie von ihrem Leben und ihrer Arbeit erzählen, werden die Verhältnisse in Fort McMurray dadurch verständlicher, als dies ein konventioneller Film über das Thema hätte leisten können, auch wenn er noch so gut recherchiert und mit Fakten angereichert worden wäre. Der Film ist ein gutes Beispiel dafür, wie politisch das Private ist. In ihm wird immer ganz konkret von einem Dutzend Menschen erzählt und was sie erleben, fügt sich zu einer großen, existentiellen Geschichte. Wenn am Schluss des Films ein riesiger Waldbrand große Teil von Fort McMurray vernichtet und einige Protagonisten vor den verkohlten Ruinen ihrer Häuser stehen, wirkt dies wie eine Antwort der Natur auf die menschliche Hybris. Und wenn Herold und Beamish hier sowie in den letzten Sequenzen des Films dann doch sich selber filmen, ist dies kein Stilbruch, sondern eine konsequente Weiterführung.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)