Als die Eltern von Viktor verreisen, ist der 11-jährige zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern alleine zu Hause. Für Viktor ist das völlig okay, denn so hat er mehr Zeit, das alte Haus des Onkels zu erkunden, in das die Familie gerade eingezogen ist. Bei seinen Streifzügen entdeckt er das Tagebuch seiner Großcousine Cäcilie, die vor vielen Jahren auf mysteriöse Weise in dem Haus ums Leben gekommen ist. Fasziniert blättert Viktor durch das Buch und folgt Cäcilies rätselhaften Hinweisen durch die Villa, wild entschlossen, Cäcilies Geheimnis auf die Spur zu kommen. Schon die Fernsehserie mit Tommi Ohrner aus den 70er Jahren war kultverdächtig. Die Filmversion der Regisseure Boss und Stennert übertrifft diesen Erfolg noch einmal. Stimmungsvoll und ohne jede Hektik wird die fesselnde Geschichte erzählt. Dabei gibt es viele ausgeklügelte Wendungen und Überraschungen, die die Handlung immer wieder ein klein wenig drehen. Bis in die Nebenrollen der Erwachsenen ist der Film hervorragend besetzt, doch gegen die Jungdarsteller, allen voran Kristo Ferkic als Viktor, haben sie keine Chance. Ein gelungener Mix aus Spannung, Gruselkrimi und Abenteuer, der Kinder im Schulalter begeistern wird.
Jurybegründung:
Hellmut Ballots Buch „Das Haus der Krokodile“, im Jahre 1971 erschienen, zählt zweifellos zu den Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur und findet auch heute noch seine kleine und große Leserschaft. Richtig bekannt wurde das Buch vor allem durch die 1976 entstandene Fernsehverfilmung, bei der Tommie Ohrner die Rolle des kleinen Vikor Laroche einnahm.
Mehr als vierzig Jahre nach dem Erscheinen des Buches geht von der Geschichte immer noch ein ganz eigener Zauber aus, den die Verfilmung des Stoffes durch Philipp Stennert und Cyrill Boss gekonnt einfängt.
Im Zentrum des Films steht der kleine Victor Laroche, der gemeinsam mit seinen Eltern und seinen beiden Schwestern in eine alte Villa gezogen ist, die einem Onkel gehört, der nun aufgrund seines Alters in ein Altenheim umgesiedelt ist. Während die beiden Eltern zu einer Messe fahren, durchstreift der zurückgezogene Junge voller Neugier das mysteriöse Haus und entdeckt dabei Spuren eines Mädchens, das hier vor vielen Jahren ums Leben kam. Cäcilie, so der Name der Verstorbenen, liebte es, Sachen zu verstecken und Rätsel zu erfinden. Und Victor liebt es gleichermaßen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Zwischen beiden entsteht ein unsichtbares Band, das die Jahre überwindet und das Victor ein spannendes Abenteuer beschert, in dem er zeigen kann, was alles in ihm steckt.
Wäre DAS HAUS DER KROKODILE für Erwachsene, würde die Figur Viktors bestens in den Trend neuerer Kriminalfilme passen, die Person des Ermittlers mit Haken, Ösen und einigen Schrullen zu versehen. Was auf den ersten Blick möglicherweise angesichts der ganzen Superhelden und Wunderkids des aktuellen Kinos für die junge Zielgruppe als unmodern erscheint, entpuppt sich aber bei genauem Hinsehen als psychologisch fundierte Charakterzeichnung eines vorpubertären Jungen, der einfach ein wenig versponnener und introvertierter ist als viele seiner Altersgenossen und für den seine Entdeckungsreise eine erste Erfahrung mit der Vergänglichkeit und dem Tod darstellt. In der Tat ist dies ein Alter, bei dem viele Kinder plötzlich die Endlichkeit des Lebens erfahren und darüber ins Grübeln geraten. Gottlob aber fokussiert der Film nie allzu sehr auf dieses Thema, sondern behandelt es mit leichter Hand und gleichsam im Vorübergehen, ohne es zu verbniedlichen oder zu verharmlosen.
Überhaupt hebt sich DAS HAUS DER KROKODILE wohltuend von anderen Kinder- und Jugendfilmen ab, statt poppig-bunter Bilder, viel Musik und schneller Schnitte gibt es hier nahezu klassisches Erzählkino mit leichten Grusel- und Mystery-Elementen, die mit subtilen Mitteln ihren ganz eigenen Zauber und einen gewaltigen Sog erzeugen. Auffällig und sicherlich auch für ältere Zuschauer reizvoll ist der angenehme Retro-Charme des Films, der vor allem bei den im Super8-Look gefilmten Sequenzen mit Cäcilie zum Tragen kommt. Atmosphärisch dicht inszeniert und mit gutem Gespür für die Ambivalenzen des Figurenensembles erinnert DAS HAUS DER KROKODILE an vielen Stellen tatsächlich an einige Werke Alfred Hitchcocks, die sich ihrerseits auf die Tradition der Schauerromantik beziehen. Und die Detektivarbeit Victors ähnelt in ihrer Entschlüsselung von Bildern und Symbolen der psychoanalytischen Praxis, wie sie auch den „Master of Suspense“ immer wieder fasziniert hat. Kamera und Schnitt, Musik und Ausstattung sowie das hervorragend aufgelegte Darsteller-Ensemble präsentieren sich wie aus einem Guss und zeugen davon, dass hier nicht nur einfach ein Jugendbuch-Klassiker recycelt wurde, sondern dass die beiden Regisseure den Stoff sehr ernst genommen haben und eine eigenständige künstlerische Vision mit einbringen.
Dennoch ist DAS HAUS DER KROKODILE gleichwohl auch für Kinder bestens geeignet, die die ganzen Querverweise (vom kurzen Gastauftritt Tommie Ohrners als Vater Viktors bis hinzu zeitlichen Verortung des Todes Cäcilies just in dem Jahr, als Ballots Vorlage erschien) nicht erfassen. Und bei allem Vergnügen und mildem Grusel, den der Film verbreitet, ist er darüber hinaus beinahe schon eine „Schule des Sehens“, anhand derer Kind und Jugendliche viel darüber lernen können, wie man Filme für diese Zielgruppe eben auch gestalten kann - mit ruhiger Hand und wenigen Effekte, aber großer Spannung und vielen, fein dosierten psychologischen Nuancen.
Aufgrund der außerordentlichen Qualitäten des Films votierte die Jury mit großer Einstimmigkeit für die Erteilung des Prädikates „besonders wertvoll“.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)